Weltraumkommando der Bundeswehr nimmt Dienst auf
Uedem (dpa) - Deutschland wird nun auch im Weltraum verteidigt: Dazu stellte Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer in Uedem (Nordrhein-Westfalen) ein Weltraumkommando der Bundeswehr in Dienst.
Es soll den Schutz und die Γberwachung von Satelliten ΓΌbernehmen, gefΓ€hrlichen Weltraumschrott beobachten und als Teil der militΓ€rische AufklΓ€rung AktivitΓ€ten anderer Staaten analysieren. Der Schutz der Infrastruktur - Satelliten fΓΌr Kommunikation, Wetter und Navigation - wird damit zur militΓ€rischen Aufgabe.
Wohlstand und Sicherheit
Der Begriff Weltraumkommando wecke abenteuerliche Assoziationen von Jules Verne bis zum Raumschiff Enterprise, sagte Kramp-Karrenbauer. Die RealitΓ€t sei "lΓ€ngst nicht so reiΓerisch". Deutschland als hoch industrialisierte und voll vernetzte Wissensgesellschaft lebe von Informationen ebenso wie von der Produktion und vom Export. "Deshalb sind unser Wohlstand und unsere Sicherheit in hohem MaΓe vom Weltraum abhΓ€ngig. LΓ€ngst sind unsere zivilen und militΓ€rischen Satelliten eine Ressource, ohne die nichts mehr geht", sagte sie. "Wie immer, wenn eine Ressource lebenswichtig wird, wird ihre Sicherheit zum Thema."
"Die Bundeswehr selbst verfΓΌgt ΓΌber sechs eigene Satelliten in erdnahen Umlaufbahnen", erlΓ€uterte Kramp-Karrenbauer. Es gehe darum, "im Weltraum operationsfΓ€hig zu sein". Sie machte klar: "FΓΌr Deutschland sind Weltraumoperationen immer Defensivoperationen." Dabei geht es darum, Infrastruktur zeitig aus dem Gefahrenbereich zu schaffen oder elektromagnetisch zu schΓΌtzen.
FΓΌr das neue Weltraumkommando werden FΓ€higkeiten der Luftwaffe mit den Mitteln der Cyber-Truppe CIR und dem Geoinformationsdienst verknΓΌpft. Es arbeitet am Standort des Zentrums Luftoperationen (ZLO) in Uedem. Damit ist es Teil einer Luftverteidigungsanlage auf dem Paulsberg, von wo aus die Luftwaffe auch den kompletten Luftraum ΓΌber Deutschland im Blick hat und Alarmstarts von Kampfflugzeugen als Reaktion auf mΓΆgliche Bedrohungen steuert.
Auf dem auch von der Nato genutzten HΓΌgel war im vergangenen Jahr schon ein Weltraumlagezentrum erΓΆffnet worden. Etwa 50 Soldaten und mehr als 20 zivile Mitarbeiter des Deutschen Zentrums fΓΌr Luft- und Raumfahrt (DLR) haben den erdnahen Weltraum im Blick und verfolgen bis zu 30.000 Objekte in einem Katalog. "Es geht nicht ohne die militΓ€rische oder die zivile Seite. Sie mΓΌssen beides verzahnen", sagt der DLR-Fachmann Gerald Braun. Auch mit den Nato-VerbΓΌndeten wird kooperiert.
MilitΓ€r und ZivilbehΓΆrden in Deutschland bedienen sich Radaranlagen wie GESTRA (German Experimental Space Surveillance and Tracking Radar) auf der SchmidtenhΓΆhe am Rande von Koblenz. Es wurde vom Fraunhofer-Institut fΓΌr Hochfrequenzphysik und Radartechnik (FHR) entwickelt und strahlt einen Teilbereich des Himmels ab, um Objekte zu identifizieren und ihre Bahn berechenbar zu machen. Ziel ist es, den GESTRA-Prototypen auch weiter im Norden und im SΓΌden Europas zu errichten, um den Blickwinkel zu erweitern.
"Viele Kommunikationsanwendungen, digitaler Zahlungsverkehr als auch Positionsbestimmung und Navigation fΓΌr den privaten und gewerblichen Gebrauch wΓ€ren ohne eine Nutzung des Weltraums undenkbar", hatte die Bundeswehr im vergangenen Jahr erklΓ€rt. Die Weltraumsysteme zΓ€hlen zur kritischen Infrastruktur, die der Staat besonders schΓΌtzen will.
Gefahren sollen frΓΌhzeitig erkannt werden
Die Weltraumlage ist dabei nur ein Teilbereich und Grundvoraussetzung fΓΌr ein VerstΓ€ndnis der VorgΓ€nge. Die WeltraumaufklΓ€rung beobachtet das Verhalten anderer Nationen und kommerzieller Akteure. Es geht auch darum, gefΓ€hrliche ManΓΆver oder Sabotageversuche erkennen zu kΓΆnnen. Ein groΓe Gefahr fΓΌr alle Anlagen ist Weltraumschrott - Γberreste der Raumfahrt und zerstΓΆrter Satelliten.
JΓΌngst flogen zwei Satelliten etwa acht Meter aneinander vorbei, wie MilitΓ€rexperten sagen. Mit einer AnnΓ€herungsgeschwindigkeit von 15 Kilometern pro Sekunde wΓΌrden bei einem ZusammenstoΓ wohl nur grΓΆΓere und kleinere StΓΌckchen bleiben. 15 Kilometer pro Sekunde - das ist die zehnfache Geschwindigkeit einer abgeschossenen Panzergranate.
TrΓΌmmerteile kΓΆnnten den erdnahen Orbit im schlimmsten Fall aber auch unbenutzbar machen, falls bei einer militΓ€rischen Konfrontation in grΓΆΓerem Umfang Satelliten angegriffen und in StΓΌcke gesprengt wΓΌrden. Die Bundeswehr verfΓΌgt nicht ΓΌber die dafΓΌr nΓΆtigen Waffen. Als denkbar gelten gezielte StΓΆraktionen der gegnerischen Kommunikation zwischen Weltraum und Bodenstationen. Als im engeren Sinne "kriegsfΓ€hig" im Weltraum gelten dagegen Russland und China - sicherlich auch die USA.
Der PrΓ€sident der Bundesakademie fΓΌr Sicherheitspolitik (BAKS), Ekkehard Brose, begrΓΌΓte die Indienststellung des Weltraumkommandos als einen "bedeutsamen Schritt". Der "Neuen OsnabrΓΌcker Zeitung" (NOZ) sagte Brose: "Rivalisierende Staaten betrachten den Weltraum zunehmend als mΓΆgliches Feld zukΓΌnftiger Auseinandersetzungen. Deshalb besteht auch fΓΌr Deutschland eine ernste Notwendigkeit, ein aktuelles Lagebild im Weltraum zu gewinnen."