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Streit um Kindergrundsicherung: "So wird der größte Vorteil verspielt"


Ampel streitet über Gesetz
"So wird der größte Vorteil verspielt"

  • Johannes Bebermeier
Von Johannes Bebermeier

03.08.2023Lesedauer: 3 Min.
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Familienministerin Lisa Paus (Grüne): Über ihr zentrales Projekt wird weiter gestritten. (Quelle: IMAGO/Janine Schmitz/photothek.de)

Der Kanzler will, dass bis Ende August ein Gesetzentwurf zur Kindergrundsicherung vorliegt. Doch die Ampelkoalitionäre streiten noch über wichtige Details.

In der Ampelkoalition wird weiter darüber gestritten, wie die Kindergrundsicherung ausgestaltet werden soll. Nach Informationen von t-online gibt es in wichtigen Details bislang keine Einigkeit zwischen SPD, Grünen und FDP, obwohl Kanzler Olaf Scholz (SPD) einen von allen Partnern getragenen Gesetzentwurf bis Ende August verlangt hatte.

Streit gibt es unter anderem darüber, ob bestimmte Leistungen zur "Bildung und Teilhabe" in die Kindergrundsicherung integriert werden und somit pauschal und automatisch an Berechtigte ausgezahlt werden. Sie stehen Menschen zu, die Kinderzuschlag oder Wohngeld beziehen, müssen aber bislang einzeln beantragt werden.

In den Eckpunkten für die Kindergrundsicherung von Familienministerin Lisa Paus (Grüne) aus dem Januar heißt es, der "verfassungsrechtliche Spielraum für Pauschalisierungen" solle bei diesen Leistungen "möglichst weitgehend genutzt werden". Und: "Das bedeutet, dass eine ausreichend hohe Pauschale für Bildung und Teilhabe, die mindestens die Teilnahme am sozialen und kulturellen Leben in der Gemeinschaft umfasst (derzeit 15 Euro monatlich), im Zusatzbetrag enthalten sein wird." Zu prüfen sei zudem, ob auch die Ausstattung mit Schulbedarf integriert werden könne.

Neben den Grünen von Ministerin Paus setzt sich nach Informationen von t-online auch die SPD für eine solche automatische Auszahlung ein. Die FDP hingegen beharrt darauf, die Leistungen einzeln zu beantragen – in einem digitalen Kinderchancenportal.

FDP: Wie bei Amazon – Kritik vom Sozialverband VdK

"Die Leistungen soll man buchen können wie im Amazon-Warenkorb: ein Sportangebot oder eine Nachhilfestunde, alles über eine digitale Plattform", sagte FDP-Politiker Jens Teutrine t-online. So spare man Bürokratieaufwand, ohne an sozialen Leistungen zu kürzen. "Einfach nur mehr Geld für die Eltern halte ich für den falschen Weg, so tun wir nichts gegen Chancenarmut."

Der Sozialverband VdK kritisiert das scharf. "Ein Schlüssel für die wirksame Bekämpfung von Armut und für mehr Teilhabe ist die pauschale Ausbezahlung der Leistungen für Bildung und Teilhabe", sagte VdK-Präsidentin Verena Bentele t-online. Die 15 Euro für die Teilnahme in einem Sportverein oder in einer Musikschule dürften nicht immer wieder infrage gestellt werden. "Sollte das wirklich so kommen, wird nach meiner Ansicht der größte Vorteil der Kindergrundsicherung verspielt."

Bisher nähmen viele anspruchsberechtigte Familien die Leistungen nicht wahr, da sie nicht davon wüsssten oder die Beantragung zu bürokratisch sei, sagte Bentele. "Das muss sich mit der Kindergrundsicherung ändern." Deshalb sei es wichtig, sie in der Kindergrundsicherung zu bündeln und automatisch auszuzahlen.

In der FDP hingegen wird argumentiert, die pauschale Auszahlung der Leistungen für Bildung und Teilhabe stehe nicht im Koalitionsvertrag. Die automatische Überweisung bedeute hingegen das faktische Ende für das im Koalitionsvertrag vereinbarte Kinderchancenportal.

Zudem gibt es bei den Liberalen die Sorge, dass immer weitere Transferleistungen irgendwann die Frage nach dem Lohnabstand aufwerfen würden, also Berechtigte mehr oder fast so viel Geld zur Verfügung hätten wie solche Arbeitnehmer, die keinen Anspruch auf die Leistungen haben.

Ministerium hält an Zeitplan fest

Die Verhandlungen über die Kindergrundsicherung ziehen sich schon über viele Monate, auch weil sich die Koalitionäre lange nicht einig geworden sind, wie viel Geld es für die Reform braucht. Vor der Sommerpause haben sie sich in dieser Frage zwar zunächst auf einen Kompromiss verständigt. Inhaltlich gehen die Vorstellungen aber weiter auseinander.

Anfang Juli hatte Kanzler Scholz die Familienministerin deshalb in einem Brief aufgefordert, "Alternativen" und "Varianten" der Kindergrundsicherung zu erarbeiten. Zum einen bei der umstrittenen Frage, ob sie bestehende Leistungen nur zusammenfasst oder sie auch erhöht. Zum anderen aber auch zur Frage, ob ein Pauschalbetrag für Bildung und Teilhabe in die Kindergrundsicherung integriert werden soll.

Vor allem aber setzte Scholz seiner Ministerin eine Deadline: Bis Ende August solle sie einen Gesetzentwurf erarbeiten, schrieb er, der von der gesamten Bundesregierung getragen wird – also auch von der FDP.

Ob der Zeitplan einzuhalten ist? Offiziell geben sich alle Beteiligten optimistisch. "Es wird weiterhin angestrebt", sagte eine Sprecherin des Familienministeriums t-online, "einen Kabinettbeschluss des Gesetzentwurfs bis Ende August 2023 herbeizuführen." Allerdings sagte sie auch: Die "Arbeiten und Abstimmungen" zum Gesetzentwurf "dauern an".

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherchen und Anfragen
  • Eckpunkte zur Ausgestaltung der Kindergrundsicherung
  • faz.net: Die vieldeutigen Zeilen des Kanzlers
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