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Hochstapler-Affäre: Herzlich willkommen im "Mainstream", liebe AfD


AfD-Bundesvorstand schützt Hochstapler – die Basis tobt
Das ist eine "innerparteiliche Kriegserklärung"

  • Carsten Janz
MeinungVon Carsten Janz

Aktualisiert am 19.09.2023Lesedauer: 3 Min.
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Alice Weidel und Tino Chrupalla: Die AfD-Bundesvorsitzenden lassen ihre Europakandidaten prüfen – und stehen selbst in der Kritik.Vergrößern des Bildes
Alice Weidel und Tino Chrupalla: Der AfD-Bundesvorstand schützt die Hochstapler.

Der Bundesvorstand der AfD lässt die Hochstapler in Reihen der Partei davonkommen. Damit stößt die Führung die Basis vor den Kopf und demontiert die eigene Erzählung, anders als andere Parteien zu sein.

Es sind hehre Ziele, die sich die AfD selbst gegeben hat: keine Politiker ohne Berufserfahrung, mehr Transparenz, keine Postenschacherei. Ihr Anspruch ist es, zumindest nach außen propagiert, anders zu sein als die "Altparteien", deren Spitzenpersonal es mit den Lebensläufen angeblich nicht so genau nehme oder teilweise ein Leben lang nichts anderes gemacht habe, als der Partei zu dienen. Ohne Berufserfahrung und ohne Lebenserfahrung.

Tatsächlich könnte die AfD von diesem Anspruch nicht weiter entfernt sein. Sie wird all dem, was sie ihren Wählern erzählt, in keiner Weise gerecht.

Die Sitzung des AfD-Bundesvorstands am Montagabend hat dies wieder einmal gezeigt. Eigentlich sollte bei dieser Sitzung eine Lösung gefunden werden für das Hochstapler-Problem. Ein Weg aufgezeigt werden, wie mit den beiden fraglichen Personen umzugehen sei, die bei der Bewerbung für die Europa-Liste Falschangaben gemacht, den Parteitag und die Basis getäuscht hatten.

Tatsächlich ist genau eines passiert: nichts. Wie meine Kollegin Annika Leister berichtet.

Die Partei tut nichts gegen Filz, auch nichts dagegen, dass mit Mary Khan-Hohloch eine Vertraute von Alice Weidel auf der Liste bleiben darf, obwohl sie auf dem Parteitag offenbar falsche Angaben zu ihrem Studium gemacht hat. Sie lässt mit Arno Bausemer einen Parteisoldaten ohne Berufsabschluss auf der Liste. Einen, der eine Geschäftsführertätigkeit fingiert hat, ein angebliches Hochbegabtenstipendium nie erhalten hatte.

Die Recherchen von t-online haben einen tiefen Riss in der Partei erzeugt. Denn es gibt nicht wenige in der AfD-Basis, die jetzt das Abendland untergehen sehen. Bei Facebook und Telegram lassen sie sich aus. Da ist die Rede von "innerparteilicher Kriegserklärung", viele sagen, die "Basis wird für dumm gehalten" und fordern den Rücktritt des Bundesvorstands.

Andere, vor allem die Verantwortlichen, sehen, welchen Schaden eine Neuaufstellung der Liste anrichten würde. Und gehen die Wette gegen die Basis ein.

Je höher die Position des Gesprächspartners innerhalb der AfD, desto leiser wurden die Revoluzzer-Töne. Denn klar war schon vor der Sitzung: Die Hochstapler einfach hinauswerfen und andere Listenkandidaten nachrücken lassen, geht nicht. Das geben die Regelungen für die Listenaufstellung nicht her, eine neue Versammlung wäre nötig geworden. Viel Geld, viel Zeit und viel Glaubwürdigkeit stehen auf dem Spiel. Und so entschied sich der Bundesvorstand, nichts zu tun. Alles so zu lassen, wie es ist. Bislang keine Konsequenzen für die Hochstapler und nach außen die Botschaft senden: alles halb so wild. Die Lügenpresse ist mal wieder über das Ziel hinausgeschossen, so die Erzählung.

Doch so einfach ist es nicht.

Haben Sie Hinweise zu einem unserer Artikel? Verfügen Sie über Einblicke in Bereiche, die anderen verschlossen sind? Möchten Sie Missstände mithilfe unserer Reporter aufdecken? Dann kontaktieren Sie uns bitte unter hinweise@stroeer.de.

Denn in der Partei ist der Widerstand gegen Filz und Postenschacherei größer als gegen Rechtsextremismus oder Antisemitismus.

Hier geht es ans Mark der Werte, für die die AfD angeblich stehen will. Die AfD ist jetzt also angekommen. Angekommen auf dem angeblichen Level ihrer politischen Feinde, und sie ist dabei deutlich konsequenter.

Herzlich willkommen im "Mainstream", liebe AfD.

Die Partei lässt zwar verlauten, dass der Bundesvorstand noch über "angemessene und geeignete Maßnahmen beraten" will. Viel zu erwarten ist da aber nicht.

Der Aufruhr, den die Affäre an der Basis auslöst, wird systematisch unterdrückt. Und die Aussicht auf eine erfolgreiche Europawahl, politischen Einfluss und viel Geld werden vermutlich dafür sorgen, dass die kritischen Stimmen innerhalb der AfD nach und nach ruhiger werden oder sich Mitglieder von der Partei abwenden. Mit einem nachhaltigen Aufstand der angeblich "Anständigen" innerhalb der Partei ist nicht zu rechnen. Oder doch?

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherche
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