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Linken-Parteitag: Bei der Partei von Reichinnek kocht es


Politiker meidet Parteitag aus Sicherheitsgründen
Es kocht bei der Linken


Aktualisiert am 09.05.2025 - 21:21 UhrLesedauer: 5 Min.
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Linken-Parteitag in Chemnitz: Ein Delegierter blieb aus Gründen fern. (Quelle: IMAGO/dts Nachrichtenagentur/imago)
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Andreas Büttner kritisierte ein Mitglied des Linken-Vorstands und warnte vor Antisemitismus. Dafür kassiert er harsche Reaktionen aus der eigenen Partei.

Andreas Büttner ist Linken-Politiker und Antisemitismusbeauftragter in Brandenburg. Eigentlich wäre er auch Delegierter auf dem Parteitag der Linken in Chemnitz an diesem Freitag und Samstag. Doch Büttner ist nicht erschienen – aus Sicherheitsgründen. "Mir wurde aus Sicherheitskreisen mitgeteilt, es wäre besser, wenn ich nicht käme", sagte er am Freitag t-online.

Auch aus der Partei habe er gehört: Es gäbe Pläne gegen ihn. Büttner also fürchtet Übergriffe der eigenen Parteikollegen. Zudem wurde offenbar ein Parteiausschlussverfahren gegen ihn angestrengt.

Warum? Büttner kritisierte Darstellungen in der eigenen Partei, die sich gegen das Existenzrecht Israels richteten.

Es kocht im Hintergrund

Es gärt also nicht nur, es kocht in der Linken – allerdings im Hintergrund. Auf der Bühne in Chemnitz nämlich soll es an diesen zwei Tagen eigentlich gar nicht um die in der Linken seit Langem so konfliktträchtigen Themen Israel, Palästina und Antisemitismus gehen. In der Vergangenheit hat die Partei immer wieder hart um ihre Position gerungen.

2024 verlor der Berliner Landesverband deswegen gleich mehrere seiner prominentesten Mitglieder – unter anderem ihren ehemaligen Vorsitzenden und Ex-Kultursenator Klaus Lederer. Schon 2023 hatte er in einer Rede auf einem Bundesparteitag gewarnt: "Wir haben ein ernsthaftes Problem". Im Interview mit t-online hatte er mit Blick auf Parteikollegen, die die Zustände in Gaza mit dem Warschauer Ghetto verglichen, unter anderem eine "unerträgliche Relativierung des Holocausts" kritisiert.

Zwei Jahre später heißt der unbequeme Mahner in der Linken: Andreas Büttner. Er ist seit 2015 Mitglied bei der Linken, war für sie Staatssekretär im Arbeitsministerium und im Anschluss Abgeordneter im brandenburgischen Landtag. Seit 2024 ist er Antisemitismusbeauftragter des Landes. Vor der Linken war Büttner Mitglied bei der FDP und der CDU.

Kritik an Vorstandsmitglied: "Aufruf zur Auslöschung"

Büttner schlug am Donnerstag Alarm – auf Twitter und in einem Artikel für die "Jüdische Allgemeine". Dort kritisierte er Ulrike Eifler, Mitglied im Linken-Bundesvorstand. Der Grund: Eifler hatte auf Twitter ein Bild unter dem Hashtag #FreePalestine geteilt, das eine Karte mit Handabdrücken in den palästinensischen Farben zeigte. Das Gebiet war allerdings nicht beschränkt auf den Gazastreifen und das Westjordanland – sondern auf das gesamte Staatsgebiets Israels.

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"Wer diese Karte teilt, will nicht zwei Staaten für zwei Völker – sondern einen Staat anstelle von Israel", kritisierte der Antisemitismusbeauftragte Büttner in seinem Kommentar bei der "Jüdischen Allgemeinen". "Es ist ein Aufruf zur Auslöschung, keine Friedensbotschaft." Für Büttner eine Form der Delegitimierung eines jüdischen Staates – "und damit anschlussfähig an eine Form des Antisemitismus, die in der Linken seit Jahren schwelt und nie wirklich aufgearbeitet wurde".

Im Gespräch mit t-online kritisiert er auch andere, wiederkehrende Äußerungen in der Partei. Zum Beispiel Aussagen von Parteikollegen über einen"Genozid" in Gaza oder die Gleichsetzung der Politik Israels mit dem Vorgehen Hitlerdeutschlands. "Das ist Antisemitismus, das delegitimiert das ganze Land", sagt Büttner.

Bundesvorstand verlangt Löschung – Eifler folgt nicht

Der Bundesvorstand der Partei reagierte in der Debatte schnell: Noch am Donnerstag veröffentlichte er einen Beschluss, in dem er sich "von jedem Aufruf, jedem Statement und jedweder bildlichen Darstellung" distanzierte, "die unter dem Deckmantel der Solidarität mit der palästinensischen Bevölkerung die Existenz Israels negiert oder die Auslöschung Israels propagiert". Er forderte, derartige Darstellung, falls bereits veröffentlicht, "umgehend zurückzuziehen (etwa in sozialen Medien zu löschen)" – eine Aufforderung, die sich recht explizit an Eifler richtet, das Mitglied des Vorstands.

Eiflers Post aber ist auch am Freitagabend noch online. Mehr als 600 Mal wurde er bis dahin retweeted, mehr als 2.700 Mal geliked. Inzwischen hat Eifler außerdem "Etos Media" ein Interview gegeben, einem Portal "für linke Politik und Ideen". Darin kritisiert sie den Beschluss des Linken-Vorstands als "skandalös".

Die Auslöschung Israel sei nie ihre Position gewesen, sagt sie da. Die von ihr gepostete Karte solle auf das Leid der Palästinenser aufmerksam machen, die in ganz Israel angegriffen würden. "Es herrscht im ganzen Land eine Pogromstimmung", so Eifler. Und erklärt auf die Frage, ob man von einem "Genozid" sprechen könne: "Natürlich kann man das und das muss man auch, um die ganze Dramatik dieser Situation zu erfassen." Sie erfahre einen Shitstorm – aber auch viel Solidarität.

Parteiausschlussverfahren gegen Büttner angestrengt

Gegen Büttner wird derweil ein Parteiausschlussverfahren angestrengt. Ein mutmaßlicher Parteikollege, der nicht unter Klarname auftritt, postete das zehnseitige Schreiben auf X – ohne die Unterschriften darunter abzubilden. "Ich weiß aus Kreisen der Partei, dass es echt ist", sagt Büttner. "Ein starkes Stück", findet er, "Parteikollegen wollen mich loswerden – nur weil ich meine Meinung sage und meinen Job als Antisemitismusbeauftragter mache."

In dem auf X veröffentlichten Schreiben heißt es unter anderem, dass Büttner "erheblich" gegen die Grundsätze der Partei verstoßen habe und ihr damit "schweren Schaden zugefügt" habe. Aufgelistet sind mehrere Äußerungen von Büttner, darunter die Forderung, dem Palästinahilfswerk der Vereinten Nationen, UNRWA, die Finanzierung zu streichen oder einen palästinensischen Staat nicht anzuerkennen.

Büttner bestreitet diese Äußerungen nicht. Allerdings seien sie oft aus dem Kontext gerissen. Die UNRWA stehe der Hamas nahe und unterstütze sie, sagt er. Eine unilaterale Anerkennung eines palästinensischen Staats mache aus seiner Sicht gar keinen Sinn, so lange kein Einvernehmen zwischen Israel und Palästina herrsche. Auch Waffenlieferungen an Israel habe er entgegen der Beschlusslage der Linken gefordert, räumt er freimütig ein.

"Aber ich wüsste auch nicht, dass ich Mitglied in einer stalinistischen Partei bin", sagte er t-online. "Eine andere Meinung zu haben und sie zu äußern, muss absolut legitim sein."

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"Seit Jahren köchelt das Thema"

Für Büttner steht fest: Er will die Partei nicht verlassen – ebenso wenig wie Ulrike Eifler. Er will sehen, wie sich die Partei entwickelt und in der Nahost-Frage positioniert. "Das lässt sich nicht vorhersehen, viel ist gerade in Bewegung", sagt er.

Seither ist die Linke noch einmal stark gewachsen, die Anzahl der Mitglieder hat sich nach Angaben der Partei seit Anfang des Jahres mehr als verdoppelt. Das kann eine Partei stark verändern.

Den Antrag auf Parteiausschluss hält Büttner für aussichtslos, den klaren Beschluss des Bundesvorstands begrüßt er. "Das hat mir Hoffnung gegeben." Auch von seinem Landesvorsitzenden in Brandenburg und von anderen aus der Partei erfahre er gerade volle Solidarität. Der Richtungsstreit aber müsse endlich geklärt werden. "Seit Jahren köchelt das Thema, das wird immer wieder hochschießen", sagt Büttner. "Man muss sich endlich entscheiden, in welche Richtung man gehen will."

Im Oktober vergangenen Jahres hatte die Linke auf einem Parteitag in Halle einen Kompromissantrag zu Nahost beschlossen. Darin verdammte die Partei unter anderem auf der einen Seite den "Terror der Hamas" und forderte die Freilassung aller Geiseln, auf der anderen drang sie auf ein Ende der "völkerrechtswidrigen Kriegsführung in Gaza und Libanon" und kritisierte das "Unrecht der Besatzung" der palästinensischen Gebiete.

Beim Parteitag in Chemnitz ist der Einfluss der Neumitglieder allerdings noch nicht stark zu spüren. Hier entscheiden noch Delegierte, die vor dem großen Ansturm gewählt wurden. Es kann also noch etwas dauern, bis Büttner Klarheit erhält.

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