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Bundeswehr: Rüstungsausgaben für Krieg der Zukunft verdreifacht


Investitionen in Rüstung
Kommen Kampf-Insekten für die Bundeswehr?

Von reuters
23.07.2025 - 17:58 UhrLesedauer: 4 Min.
Das Unternehmen Swarm Biotactics setzt auf Insekten mit Mini-Sendern, um im Kriegsfall an wichtige Informationen zu kommen.Vergrößern des Bildes
Das Unternehmen Swarm Biotactics setzt auf Insekten mit Mini-Sendern, um im Kriegsfall an wichtige Informationen zu kommen. (Quelle: swarm-biotactics.com)
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Die Bundeswehr verdreifacht ihre Rüstungsausgaben. Rüstungs-Startups setzen auf Drohnen, Militärroboter und Kampf-Insekten statt nur auf Stahl und Panzerketten.

Die vom russischen Einmarsch in die Ukraine ausgelöste "Zeitenwende" bestimmt den Arbeitsalltag von Gundbert Scherf. Vor einigen Jahren musste der Mitgründer des Müchner Startups Helsing noch um jeden Investoren-Euro kämpfen. Nun stehen viele potenzielle Geldgeber bei dem Anbieter von Kampfdrohnen und Künstlicher Intelligenz (KI) für den militärischen Einsatz bereit. Helsing, mit einer Bewertung von zwölf Milliarden Dollar Europas wertvollstes Verteidigungs-Startup, ist ein Beispiel für die Aufbruchstimmung, die die Rüstungsbranche erfasst hat – besonders, wenn es um Innovationen geht.

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"Europa steht an der Schwelle einer Transformation in der Verteidigungsinnovation, die dem 'Manhattan-Projekt' ähnelt", sagt Helsing-Chef Scherf der Agentur Reuters. "Manhattan" hieß das US-Programm zur Entwicklung einer Atombombe während des Zweiten Weltkriegs. "Europa gibt in diesem Jahr erstmals seit Jahrzehnten mehr für die Beschaffung von Rüstungstechnologie aus als die USA."

Für Deutschland ist der Trend zur Rüstung eine echte Kehrtwende: Geprägt vom Trauma des Zweiten Weltkriegs und einem starken Pazifismus in der Nachkriegszeit unterhielt Deutschland lange einen vergleichsweise kleinen Verteidigungssektor. Das Land verließ sich auf die Sicherheitsgarantien der USA. Zudem bevorzugte das risikoaverse deutsche Geschäftsmodell schrittweise Verbesserungen statt disruptiver Innovationen. Doch nun will Deutschland seinen regulären Verteidigungshaushalt bis 2029 auf rund 162 Milliarden Euro pro Jahr fast verdreifachen.

Mehr Innovation weniger klassische Rüstung in Stahl und Eisen

Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) kündigte schon mal an, die Bundeswehr solle zur "stärksten konventionellen Armee Europas" werden. Nicht nur bei manchem europäischen Nachbarn löste die Fixierung auf Stahl und Panzerketten Irritationen aus. Paolo Surico, Ökonom an der renommierten London Business School, sagte jetzt der "Süddeutschen Zeitung": "Wenn die Verteidigungsausgaben hauptsächlich für Personal und Soldatenausrüstung verwendet werden, bringen sie zwar nationale Sicherheit, aber in der Regel kein Wirtschaftswachstum. Wenn das Geld jedoch auf Forschung und Entwicklung und somit Innovation ausgerichtet ist, dann kann es einen gewaltigen wirtschaftlichen Wachstumseffekt haben." Innovation statt Rüstung.

So soll ein Großteil des Geldes soll mit den Plänen vertrauten Personen zufolge nun in Technologien fließen, die die Kriegsführung neu definieren. Am Mittwoch besiegelte das Kabinett schon mal eine beschleunigte Beschaffung bei der Bundeswehr. Die neue Regelung sieht unter anderem die Auszahlung von Vorschüssen an Startups wie Helsing vor.

"Drohnen und KI sind militärisch entscheidende Zukunftsfelder", betont Annette Lehnigk-Emden, die Chefin des Beschaffungsamts der Bundeswehr. "Die Veränderungen, die sie auf dem Schlachtfeld bewirken, sind ebenso revolutionär wie die Einführung des Maschinengewehrs, des Panzers oder des Flugzeugs."

Neben Helsing kommt mit dem bayerischen Drohnen-Hersteller Quantum Systems ein weiteres zukunftsträchtiges Startup aus Deutschland. Quantum Systems produziert mittlerweile auch direkt in der Ukraine, die bei ihrer Verteidigung verstärkt auf teilweise mithilfe von KI gesteuerte Drohnen setzt. Mit diesem vergleichsweise billigen Gerät gelang ihr vor einigen Wochen eine Serie spektakulärer Schläge gegen zahlreiche russische Flughäfen.

Potenzielle Nutznießer der Reformen in Deutschland sind neben Helsing und Quantum eine ganze Reihe weiterer deutscher Verteidigungs-Startups. Die Bundesregierung lässt sich Insidern zufolge mittlerweile von einigen dieser kleineren Firmen beraten – neben den etablierten Konzernen wie Rheinmetall oder Hensoldt. Diese hätten wegen ihrer vollen Auftragsbücher für konventionelle Systeme weniger Anreize, sich auf Innovationen zu konzentrieren, sagt einer der Insider. Nach den Worten von Marc Wietfeld, Chef und Gründer des in München ansässigen Militärroboterbauers Arx, verdeutlicht ein Treffen mit Verteidigungsminister Boris Pistorius, wie tief das Umdenken in Berlin geht. "Er sagte mir: 'Geld ist keine Ausrede mehr - es ist jetzt da'. Das war ein Wendepunkt."

Das Startup Arx Robotics zeigt neue Entwicklungen im Netz

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Der Krieg in der Ukraine hat auch gesellschaftliche Einstellungen verändert: "Deutschland hat seit dem Einmarsch eine ganz neue Offenheit gegenüber dem Thema Sicherheit entwickelt", sagt Sven Weizenegger, des Cyber Innovation Hub der Bundeswehr. Er erhalte täglich 20 bis 30 Anfragen auf der Online-Plattform Linkedin mit Ideen für die Entwicklung von Rüstungstechnologie, verglichen mit vielleicht zwei bis drei pro Woche im Jahr 2020.

Insekten mit Mini-Sendern

Einige der Ideen muten wie Science Fiction an: Zum Beispiel die Firma Swarm Biotactics, die Insekten mit Mini-Sensoren ausrüstet, um in feindlichen Umgebungen Informationen zu sammeln. Die Tiere seien mit Gehirnsonden ausgestattet, mit deren Hilfe sie dirigiert werden, erläutert Firmenchef Stefan Wilhelm. "Sie können einzeln gesteuert werden oder autonom in Schwärmen operieren."

Die Investitionen in neue Militärtechnik könnten der schwächelnden deutschen Konjunktur neuen Schub geben. "Eine starke Verteidigungsindustrie bedeutet eine starke Wirtschaft und Innovation im Eiltempo", betont Markus Federle, Partner bei der auf Militär spezialisierten Investmentfirma Tholus.

Diese Firmen sind zudem potenzielle Kunden für den wichtigen deutschen Mittelstand, der unter der schleppenden Nachfrage aus anderen Branchen leidet. Er erhalte täglich drei bis fünf Bewerbungen von früheren Beschäftigten aus dem Automobilsektor, sagt Stefan Thumann, der Chef des Drohnenbauers Donaustahl. "Die Startups brauchen nur die Köpfe für die Entwicklung und die Prototypen." Der Mittelstand könne die Produktion übernehmen.

Branche blickt skeptisch auf das Tempo der Bundeswehr

Hans Christoph Atzpodien, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes der Deutschen Sicherheits- und Verteidigungsindustrie (BDSV), warnt vor überzogenen Erwartungen. "Das traditionelle Beschaffungswesen, das auf etablierte Anbieter ausgerichtet ist, eignet sich nur bedingt für das hohe Tempo, das neue Technologien erfordern", sagt er.

Die Startup-Branche ist dennoch optimistisch, dass die verkrusteten Strukturen rasch aufgebrochen werden. Sven Kruck, Strategiechef von Quantum Systems fasst es so zusammen: "Es lastet jetzt viel Druck auf Deutschland, die Führungsnation der europäischen Verteidigung zu sein."

Verwendete Quellen
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