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Machtwechsel bei den Grünen: Pragmatische Revolution?


Machtwechsel bei den Grünen
Auf dem Weg zur pragmatischen Revolution?


Aktualisiert am 12.12.2017Lesedauer: 4 Min.
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Habeck 2012 im Wattenmeer: Es dürfte sein letzter Versuch sein, nach Berlin zu wechseln.Vergrößern des Bildes
Habeck 2012 im Wattenmeer: Es dürfte sein letzter Versuch sein, nach Berlin zu wechseln. (Quelle: Bodo Marks/dpa)

Wer führt künftig die Grünen an? Es sieht so aus, als könnten die Grünen diesmal tatsächlich mit einem Grundprinzip brechen.

Annalena Baerbock: Frau. Robert Habeck: Mann. Passt.
Annalena Baerbock: Realo. Robert Habeck: Realo. Passt nicht.

Normalerweise wäre damit alles klar: Annalena Baerbock und Robert Habeck können nicht gemeinsam die Grünen anführen.

Die Partei, die aus der außerparlamentarischen Opposition kam, hat zwei Vorsitzende. Traditionell einen Mann, eine Frau. Einmal Realo, einmal linker Flügel. So war es bisher, so soll es sein.

Aber auf einmal scheint möglich, was bisher ausgeschlossen schien. Dass zwei Realos gemeinsam die Partei führen. Weil es derzeit keine linke Kandidatin gibt, die antreten will und antreten soll, läuft alles auf den Kulturbruch zu. Er würde das Gefüge der Partei verändern – nur gilt das auch für die Alternativen.

Keiner gegen Habeck

Der aktuelle Parteichef Cem Özdemir hat mehrfach bestätigt, dass er nicht mehr antreten wird. Ebenfalls klar ist, dass Robert Habeck in der Partei sehr beliebt ist. Auf dem Parteitag vor zwei Wochen hörte man immer wieder: Wenn Habeck wolle, sei das Rennen gelaufen.

Jetzt hat er erklärt, auf dem Parteitag im Januar zu kandidieren.

Echte Gegenkandidaten scheint es nicht zu geben. Genau genommen kursieren nur zwei Namen. Sven Giegold, derzeit Europa-Abgeordneter ist einer davon. Er will aber nicht gegen Habeck antreten. Und der andere, Michael Kellner, hat schon angekündigt, noch einmal als Bundesgeschäftsführer kandidieren zu wollen.

Damit steht derzeit nur noch eine Formalität zwischen Habeck und dem Parteivorsitz.

Die Grünen müssten eine Satzungsänderung genehmigen, die es Habeck erlauben würde, sein Amt als Landwirtschaftsminister in Schleswig-Holstein noch ein Jahr fortzuführen, wie er als Übergang fordert. Dafür ist zwar eine Zwei-Drittel-Mehrheit nötig, und viele Grüne wollen keine Sonderregelung. Ausgeschlossen ist es aber nicht.

Mehrere Kandidatinnen wollen nicht

Klar ist, dass eine Frau an die Spitze muss. Würden die Grünen abrücken von der Frauenquote, dann bräche wohl eine parteiinterne Revolte los.

Die bisherige Parteichefin Simone Peter würde gerne weitermachen, hat aber vor allem in der Parteielite kaum Unterstützung. Sie wäre eine Verlegenheitschefin, gewählt noch nicht einmal aus Mangel an Alternativen, sondern aus Mangel an Alternativen, die Lust haben auf den Job.

Denn in der Partei mit der wahrscheinlich dienstältesten Führungsriege kommen gleich mehrere jüngere Politikerinnen nach, die zugleich als talentiert gelten und beliebt sind.

Linke Frauen wie Agnieszka Brugger, Katja Dörner, oder die Fraktionschefin der Grünen im Europaparlament Ska Keller müsste um eine Mehrheit kaum bangen. Allein, keine von ihnen möchte Parteichefin werden. Jedenfalls zurzeit.

Was will der Kopf und was das Herz?

Anders als Annalena Baerbock von den Realos. “Ich fände es fatal, wenn in einer solchen Situation nun auch noch von uns Grünen der Eindruck entstünde, es drehe sich alles um die Männer, und wenn die sich entschieden haben, kommt die Frau an Mr. X' Seite”, schrieb sie, als ihre Kandidatur erklärte. Traditionell besetzen die Grünen zuerst die weiblichen Posten. Sie könnte sich also wählen lassen, wenn noch kein Flügelproporz erfüllt werden muss.

Dann wäre die Frage: Wählt die Partei auch noch Habeck?

So steht die Partei vor einem Dilemma: Zwei Kandidaten, ein Mann und eine Frau, beide jung (Baerbock, 36) oder noch nicht alt (Habeck, 48), beide noch frisch, beide beliebt, beide talentiert, wollen an die Spitze. Alles wunderbar, eigentlich.

Aber darf das sein? Wer gewinnt, wenn Kopf gegen Herz steht – und und was will eigentlich das Herz? Die alte Ordnung? Oder die neuen Sympathieträger?

Drei Wege aus dem Dilemma

Drei Möglichkeiten hat die Partei, um mit dem Dilemma umzugehen.

Erstens: Einen Linken statt Habeck wählen. Das Problem, abgesehen von den fehlenden Kandidaten: Habeck hat schon die Urwahl um die Spitzenkandidatur gegen Cem Özdemir verloren. Noch ein gescheiterter Anlauf und es könne vorbei sein mit dem Bundespolitiker Habeck. Vom Star zum Gescheiterten, nur um dem Proporz zu genügen?

Zweitens: Eine Linke statt Baerbock wählen. Wahrscheinlich werden die Kandidatinnen in den kommenden Wochen bekniet werden. Aber derzeit sieht es nicht so aus, als ließen sie sich erweichen.

Drittens: Zwei Realos wählen. Das wäre gegen alle Prinzipien. Aber trotzdem nicht unattraktiv. Und die unmittelbaren Kosten wären gering.

Zwar hätten die Linken dann Anspruch auf einen Fraktionschef ihrer Wahl. Etwa Anton Hofreiter, was Cem Özdemir ohne wichtigen Posten ließe. Aber es könnte auch Brugger oder Dörner werden, beispielsweise. Dann wäre Platz für Özdemir und Göring-Eckardt wäre außen vor. Wie man es dreht und wendet: Einer der drei Großen wird so oder so leer ausgehen.

Dass zwei Realos nicht der Untergang der Partei sind, haben Wahlkampf und Sondierungen gezeigt. Mit Göring-Eckardt und Özdemir wurden zwei Realos Spitzenkandidaten – und so groß der Verdruss unter linken Grünen war, so sehr loben sie die offene und transparente Kommunikation zwischen Unterhändlern und Basis. Die Partei steht in Umfragen hervorragend da. Die Einigkeit ist nicht gespielt.

Habeck und Baerbock positionieren sich geschickt

Da außerdem Habeck Habeck ist und Baerbock Klimaexpertin, sind beide auch nach links einigermaßen anschlussfähig. Und sie betonen geschickt, sie seien gar keine Realo-Kandidaten.

Habeck: „Ich kandidiere ausdrücklich flügelunabhängig, als Kandidat für die Gesamtpartei“.

Baerbock: „Unsere Stärke in den Sondierungen war unsere Einigkeit in unserer Vielfalt – mit unglaublicher fachlicher Substanz fern von einem reinen Schielen auf Strömungslogiken.“

Damit werden sie viele nicht überzeugen. Gerhard Schick vom linken Flügel sagte bereits, kein Flügel solle „einen Alleinvertretungsanspruch auf Posten haben.“ Andere aus dem Lager sagen aber, sie könnten sich vorstellen, dass es auf Habeck/Baerbock hinauslaufe.

Solange die Realos geschlossen abstimmen und ein relevanter Teil der Zentristen und Linken auch für Habeck und Baerbock stimmt, würde es für die Realo-Doppelspitze reichen.

Aktuell sieht es so aus, als sei die pragmatische Revolution tatsächlich möglich.

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