Meinungen zur neuen Regierung "Es fühlt sich an wie ein Rücksprung"

Die neue Bundesregierung hat mit ihrer Arbeit begonnen. Die Erwartungen sind bei den einen von Zuversicht, bei den anderen von Skepsis geprägt.
Erst seit wenigen Wochen in ihren Ämtern, stehen Bundeskanzler Friedrich Merz und seine 17 Minister nun bereits unter intensiver Beobachtung. Die Erwartungen an die neue Bundesregierung sind hoch, nachdem die Ampelregierung nach dreieinhalb von Streit geprägten Jahren schließlich zerbrochen war.
Die t-online-Redaktion hat in den vergangenen Monaten Tausende Zuschriften erhalten, die zeigen: Der Regierungswechsel ist aktuell eines der meistdiskutierten Themen des Landes. Chefredakteur Florian Harms nahm dies zum Anlass, sich einmal mit drei Menschen aus unserer Leserschaft zusammenzusetzen und zu erfahren, was sie von der Bundesregierung erwarten.
"Eine Persönlichkeit, die Deutschland nach vorn bringen kann"
Regina Schüßler gesteht zwar, kein Fan von Friedrich Merz zu sein, weil er ihrer Wahrnehmung nach kein Sympathieträger ist und Sachverhalte nicht verständlich und empathisch genug vermittelt. "Aber ich halte ihn für eine Persönlichkeit, die Deutschland wieder nach vorn bringen kann – aufgrund seines Intellekts und seiner Qualifikationen. Die jetzige Koalition ist die beste Lösung und man sollte ihr eine Chance geben."
"Ich bin skeptisch, ob die neue Regierung wirklich frischen Wind reinbringt", sagt Johanna Diebel. Die 39-jährige Hessin erinnert daran, dass bis 2021 Union und SPD viele Jahre miteinander regierten, aber nicht harmonierten. "Mit dieser Regierung bleibt alles beim Alten. Es fühlt sich an wie ein Rücksprung." Einige Personalien sieht sie kritisch, zum Beispiel Jens Spahn, der nun Unionsfraktionschef ist, und Alexander Dobrindt als Bundesinnenminister. Ihrer Ansicht nach überzeugten die beiden Männer in der Vergangenheit zu wenig, um jetzt solche hohen Positionen zu bekleiden.

"Merz ist notorisch impulsiv"
Pascal Tümmers meint, Friedrich Merz fehle nicht nur das Vertrauen der Bevölkerung, sondern auch das der Regierungsfraktionen. Das habe sein Scheitern im ersten Wahlgang zum Bundeskanzler Anfang Mai verdeutlicht. Der 32-jährige Krefelder bezeichnet den CDU-Politiker als "notorisch impulsiv", zudem stehe er nicht für Stabilität und Verlässlichkeit.
"Was mich jedoch positiv überraschte, war seine erste Auslandsreise nach Kiew, wo er mit Keir Starmer, Emmanuel Macron und Donald Tusk zusammen hinreiste und somit eine breite europäische Front für die Unterstützung der Ukraine symbolisierte." Pascal Tümmers ist gespannt, ob und wie das Amt den 69-Jährigen verändert. "Wird er jetzt ruhiger, handelt er überlegter und wird das Impulsive bleiben?"
"Die sollen zeigen, was sie können"
Florian Harms schaut aus seiner Funktion als Journalist zwar mit einem kritischen Blick auf die Arbeit der neuen Bundesregierung, schreibt diese aber nicht von Beginn an ab. Vielmehr rät er, vorsichtig zuversichtlich zu sein. "Wenn man das, wie es hierzulande funktioniert, mit anderen europäischen Ländern vergleicht, muss man sagen: Wir sind gut unterwegs. Ich möchte denen keine Vorschusslorbeeren geben. Aber es ist wichtig, fair zu bleiben. Die sollen mal loslegen und zeigen, was sie können."
Der t-online-Chefredakteur weiß zwar, dass Bundeskanzler und Bundesminister einerseits reichlich Privilegien genießen, andererseits sei ihr Job verdammt hart. Zudem appelliert er an jeden Einzelnen: "Die Regierenden werden die Herausforderungen nicht allein schaffen. Die Bürger dürfen sich nicht zurücklehnen und erwarten, dass die da oben alles lösen. Die Probleme sind so groß: Wir müssen alle gemeinsam anpacken."
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