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Bundeswehr und die VJTF: Kann diese Truppe führen?


Bundeswehr soll Nato-Truppe führen
Bei der Flugabwehr wird es schwierig


03.01.2023Lesedauer: 4 Min.
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Verteidigungsministerin Lambrecht (SPD) mit Soldaten bei einer Militärübung.Vergrößern des Bildes
Verteidigungsministerin Lambrecht (SPD) mit Soldaten bei einer Militärübung. (Quelle: IMAGO/Florian Gaertner/photothek.de)

Zum Jahreswechsel hat Deutschland die Führung in der schnellen Eingreiftruppe der Nato übernommen – trotz Mängel in der Bundeswehr. Geht das gut?

Jens Stoltenberg wollte keine Zweifel aufkommen lassen: "Ich bin absolut zuversichtlich, dass Deutschland eine hervorragende Führungsnation für die VJTF sein wird", sagte der Norweger zum Jahreswechsel. Seit 2023 hat Deutschland die Führung in der schnellen Eingreiftruppe des Verteidigungsbündnisses.

Allerdings wird auch dem Nato-Generalsekretär aufgefallen sein, dass die Bundeswehr schon länger mit Mängeln zu kämpfen hat – und die Kritik an Verteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD) nicht kleiner wird. Mehr dazu lesen Sie hier. Es gebe sicherlich "Lücken und Defizite", Stoltenberg hob jedoch auch hervor, dass sich neben Deutschland acht weitere Nationen an der sogenannten "Speerspitze" des Verteidigungsbündnisses beteiligen werden. Aber hat die Bundeswehr tatsächlich alles, was es braucht, um die "Very High Readiness Joint Task Force" (VJTF) zu führen? t-online gibt einen Überblick.

Was ist die VJTF?

Die VJTF gilt als schnellste Eingreiftruppe der Nato: Die Soldaten, die dem Einsatzverband angehören, sollen in maximal 72 Stunden überall dorthin verlegt werden können, wo sie benötigt werden. Gegründet wurde die VJTF 2014 als Reaktion auf die völkerrechtswidrige Annexion der ukrainischen Halbinsel Krim durch Russland.

Im Wechsel übernimmt jeweils ein Nato-Staat ein Jahr lang die Führung der Eingreiftruppe. Vor Deutschland hatte Frankreich 2022 die Führungsaufgabe inne. Daneben sind gemeinsam mit Deutschland in diesem Jahr acht weitere Nationen beteiligt: die Niederlande, Norwegen, Tschechien, Belgien, Litauen, Lettland, Luxemburg und Slowenien.

Was muss Deutschland in dem Einsatzverband leisten?

Ein Großteil der Soldaten für den Einsatzverband kommt von der Bundeswehr: Insgesamt stellen die neun Staaten 11.500 Soldaten ab, von denen 8.000 aus Deutschland stammen. Den Leitverband für die gesamten Landstreitkräfte stellt dabei die deutsche Panzergrenadierbrigade 37, die im sächsischen Frankenberg stationiert ist.

Die gesamte VJTF muss unterschiedliche Fähigkeiten abdecken: Dazu gehören etwa Panzertruppen, Infanterie und Artillerie, aber der Einsatzverband stellt auch Hubschrauber, Aufklärung oder Sanitäter zur Verfügung. Deutschland beteiligt sich dabei an allen Bereichen, während die restlichen Länder nur einzelne Segmente bedienen.

Ist die Bundeswehr dazu in der Lage?

Trotz der lobenden Worte von Jens Stoltenberg sind die Mängel innerhalb der Bundeswehr offensichtlich: Öffentlich wurde die Kritik zuletzt wegen zahlreicher Ausfälle des Schützenpanzers Puma besonders laut, der ursprünglich auch für die VJTF abgestellt werden sollte. Bei einer Schießübung waren alle 18 eingesetzten Exemplare ausgefallen. Stattdessen stellt die Bundeswehr nun den älteren Schützenpanzer Marder. Den Tausch der Panzer nennt Christian Mölling von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) "bedauerlich", allerdings sei er auch zu verschmerzen: "Der Marder ist eine Notlösung, aber er funktioniert", sagt der Verteidigungsexperte im Gespräch mit t-online.

Doch die Ausfälle der Pumas sind nicht die einzigen Mängel, die die Bundeswehr bei der Führung der Eingreiftruppe aufweist: Insgesamt sei die Einsatzbereitschaft "gegeben, allerdings teilweise qualitativ eingeschränkt". So steht es in einem internen Bericht, den Verteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD) und der Generalinspekteur der Bundeswehr, Eberhard Zorn, dem Verteidigungsausschuss Mitte Dezember vorgelegt hatten. Der Bericht liegt t-online vor. In dem dortigen Ampelsystem, mit dem die Einsatzbereitschaft der Bundeswehr in verschiedenen Bereichen bewertet wird, steht die VJTF auf Gelb: Die Einsatzfähigkeit sei "mit Einschränkungen" sichergestellt.

Zudem gibt es laut dem Bericht Mängel, die sich bis zur Übernahme der Führung in der VJTF nicht mehr beheben ließen: Bei der Kommunikationsfähigkeit zwischen den Verbänden der einzelnen Länder könne man lediglich "Minimalforderungen" erfüllen. Dem Sanitätsdienst fehle es zudem aufgrund von Lieferengpässen an Vorräten bei Medikamenten und Verbandsmaterial. Zudem bestehe ein "erhebliches Fähigkeitsdefizit" in der Flugabwehr.

Wie lassen sich die Mängel beheben?

Denkbar ist, dass sich einige der Mängel im Laufe des Jahres beheben lassen. Nach den Ausfällen der Pumas teilte der Hersteller Rheinmetall am Montag mit, dass 17 der 18 Panzer bereits wieder fahrtüchtig seien. Bei fast allen Schäden habe es sich demnach um "Bagatellen" gehandelt.

Allerdings zeigt der Bericht von Lambrecht und Zorn im vergangenen Monat auf, dass die Mängel der Bundeswehr weitaus tiefer reichen: Aktuell sei man noch in der Lage, alle gestellten Aufgaben zu erfüllen. Es sei aber klar, dass spätestens ab 2025 eine Steigerung erforderlich sei, da Deutschland bis dahin sein Engagement in der Nato deutlich ausbauen soll: Statt der insgesamt rund 14.200 deutschen Soldaten sowie 34 Flugzeugen und Schiffen, die sich an dem Verteidigungsbündnis beteiligen, soll die Bundeswehr dann rund 30.000 Einsatzkräfte zur Verfügung stellen. Zudem sollen in zwei Jahren innerhalb von 30 Tagen 85 Flugzeuge und Schiffe mobilisiert werden können. "Dies bedeutet quantitativ und qualitativ einen grundlegenden Wandel der Anforderungen an die Einsatzbereitschaft der gesamten Bundeswehr", lautet eine der Schlussfolgerungen des Berichts.

Ähnlich sieht es auch Verteidigungsexperte Christian Mölling: "Die Bundeswehr ist so weit heruntergewirtschaftet, da ist es mit einer Stellschraube nicht mehr getan." Es sei deshalb notwendig, nicht mehr nur einzelne Bereiche der Verteidigung zu reformieren, sondern das gesamte System zu prüfen. Viele der Probleme seien schon jahrelang bekannt gewesen, allerdings habe es in der Politik lange keine Bereitschaft gegeben, die Mängel zu beheben. Man könne laut Mölling gerade zusehen, wie viele Politiker sich das erste Mal mit Rüstungspolitik befassen, oder anders formuliert: "Rüstung ist Neuland – das erleben wir gerade."

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherche
  • Interview mit Christian Mölling
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