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Tagesanbruch: Wie der BND mit Terrorpaten zusammenarbeitet


Tagesanbruch
Was heute Morgen wichtig ist

MeinungVon Florian Harms

Aktualisiert am 22.11.2018Lesedauer: 6 Min.
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Die subjektive Sicht des Autors auf das Thema. Niemand muss diese Meinung übernehmen, aber sie kann zum Nachdenken anregen.

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BND-Veranstaltung in Berlin.Vergrößern des Bildes
BND-Veranstaltung in Berlin. (Quelle: Hannibal Hanschke/Reuters-bilder)

Guten Morgen, liebe Leserinnen und Leser,

hier ist der kommentierte Überblick über die Themen des Tages:

WAS WAR?

Wie jeden Geheimdienst umweht auch den Bundesnachrichtendienst der Hauch des Nebulösen. Hauchte es etwas stärker, wirbelte zu Pullacher Zeiten des BND vor allem Staub auf. Inzwischen hat die klandestine Behörde unter ihrem Präsidenten Bruno Kahl an ihrem neuen Standort in Berlin-Mitte den Staub von den Akten gewischt. In einer Welt, die durch ein Comeback des Nationalismus, religiösen Fanatismus, asymmetrische Kriege, digitale Überwachung und Konflikte innerhalb des Westens erschüttert wird, erfüllen die rund 6.500 Mitarbeiter eine wichtige Funktion in der Sicherheitsarchitektur der Bundesrepublik. Und sie nehmen die Aufgabe sehr ernst, im Ausland Informationen zu sammeln und auszuwerten, kurz: Sie recherchieren, observieren, spionieren. Ihre Erkenntnisse stellen die Geheimen nicht nur der Bundesregierung und Bundestagsabgeordneten zur Verfügung, manchmal geben sie auch deutschen Unternehmen einen Wink.

Was sind gegenwärtig die größten Gefahren für die Sicherheit in Deutschland? Aus Sicht des BND ist die Priorität glasklar:

Erstens islamistischer Terror. Hier droht Gefahr sowohl von außen wie von innen: Da sind einerseits gut organisierte Netzwerke wie der "Islamische Staat", der zwar geschwächt, aber nicht zerschlagen ist. Da sind andererseits Gefährder im Inland, darunter die sogenannten "einsamen Wölfe": Einzeltäter und Kleingruppen, die sich im Stillen radikalisieren und dann plötzlich zuschlagen.

Zweitens chinesische Spionage. In der Vergangenheit wurde in der deutschen Öffentlichkeit lang und breit über die Abhöraktionen der amerikanischen NSA berichtet, die der Whistleblower Edward Snowden aufgedeckt hatte. Eine viel größere Gefahr sieht der BND gegenwärtig aber in der chinesischen Industriespionage und Wissensabschöpfung: Im Reich der Mitte sind große Teile des Staatsapparats und der staatlich gelenkten Wirtschaft damit beschäftigt, Geschäftsgeheimnisse und Technologien von Unternehmen in der ganzen Welt abzusaugen. Dax-Konzerne, aber auch viele deutsche Mittelständler kennen das Problem, das schon im Kleinen beginnt: Wer sein Smartphone auf eine Geschäftsreise nach China mitnimmt und es nur ein einziges Mal mit dem Hotel-Wlan verbindet, kann davon ausgehen, dass anschließend der chinesische Geheimdienst bei jedem Telefonat mithört, jede E-Mail und SMS mitliest. Auch nach der Rückkehr nach Deutschland.

Drittens die russischen "Desinformationskampagnen". Durch Hackerangriffe sowie Propagandakanäle wie "RT" und "Sputnik News" versucht die russische Führung, in den europäischen Ländern Konflikte zu schüren und die Regierungen zu schwächen, die Gesellschaften zu verunsichern und zu spalten. Die Methoden gehen auf die Zeit des Kalten Krieges zurück, aber die Instrumente sind zeitgemäß: In Behörden in Moskau und Sankt Petersburg arbeiten einige der weltweit besten Computerexperten, hinzu kommen die berüchtigten "Trollfabriken". Der Sender Arte hat am Beispiel Tschechiens gezeigt, wie perfide der Propagandakrieg funktioniert. "Der Überfluss an widersprüchlichen und teils völlig frei erfundenen Informationen hat einen Info-Dschungel erschaffen, der jegliche Orientierung raubt." Exakt diesen Satz könnte man leider auch über viele deutsche Internetnutzer schreiben. Denn auch hierzulande operieren die russischen Desinformanten, wie mein Kollege Jan-Henrik Wiebe kürzlich in einer Recherche gezeigt hat.

Selbstverständlich betreiben nicht nur China und Russland Propaganda, wir erinnern uns etwa an die Lügen der US-Regierungen unter den beiden Bush-Präsidenten, als die ihre Truppen zweimal unter fadenscheinigen Vorwänden in den Irak schickten. Aber die drei oben genannten Entwicklungen sind laut BND derzeit die größten Gefahren, die von anderen Staaten oder Organisationen für unser Land ausgehen.

Warum stehen nun all diese Sätze unter der Rubrik "Was war?" im heutigen Tagesanbruch? Weil ARD-Journalisten gestern eine brisante Recherche veröffentlicht haben, die zeigt, wie kritisch und auch wie bedenklich sich die Arbeit des Bundesnachrichtendienstes in manchen Ländern gestaltet: Der BND kooperiert demnach seit Jahren mit dem pakistanischen Geheimdienst ISI, um an Informationen aus islamistischen Terrorzellen zu gelangen. Dieses Wissen kann enormen Wert haben – etwa um Bundeswehrsoldaten in Afghanistan vor Anschlägen zu schützen. Oder als "Tauschware": Der BND gibt regelmäßig Informationen an die US-Geheimdienste weiter und erhält im Gegenzug andere wertvolle Hinweise. "Jetzt räumt erstmals ein ehemaliger BND-Chef ein, dass der ISI auch Terroranschläge gegen den Westen unterstützt", schreiben die Kollegen Thomas Reutter und Daniel Harrich. "Diese Zusammenarbeit nennt der frühere BND-Präsident Gerhard Schindler im ARD-Interview 'alternativlos'. Um den nachrichtendienstlichen Auftrag zu erfüllen, müssten moralische Vorstellungen 'hintangestellt' werden."

So einen Satz sollte man sich selbst laut vorlesen, um seine ganze Tragweite zu verstehen. Ein deutscher Dienst arbeitet also mit Terrorpaten zusammen, deren Gewalttaten auch Bundesbürger oder andere Europäer treffen können. Den Bundesnachrichtendienst umweht der Hauch des Nebulösen. Und ein bisschen auch des Dubiosen.

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WAS STEHT AN?

Heute geht es allerorten um Geld und Einfluss. Bundeskanzlerin Merkel spricht am Vormittag auf dem Deutschen Arbeitgebertag, anschließend dürfen auch Unionsfraktionschef Brinkhaus, FDP-Chef Lindner, Grünen-Chef Habeck und SPD-Chefin Nahles was sagen. Die Zeiten, in denen Rote und Grüne den Arbeitgebergipfel mieden wie der Teufel das Weihwasser, sind in unserer sozialdemokratisierten Republik längst passé.

Der Bundestag setzt am Vormittag seine Beratungen über den Haushalt der großen Koalition fort, anschließend soll Unionsfraktionsvize Stephan Harbarth (CDU) zum Richter am Bundesverfassungsgericht gewählt werden. Dann stünde ihm nichts mehr im Weg, um in zwei Jahren Gerichtspräsident Andreas Voßkuhle nachzufolgen.

Auf den Fluren des Bundestags wird man heute mal laut, mal leise über einen Text reden, der gestern auf t-online.de erschienen ist: Die Parlamentarischen Geschäftsführer der Fraktionen von SPD und Die Linke, Carsten Schneider und Jan Korte, fordern gemeinsam eine große Steuerreform. "Das Ziel muss eine nationale Steuerreform sein, die geringe Einkommen entlastet und hohe Einkommen und Vermögen stärker belastet", schreiben die beiden in ihrem Gastbeitrag. Unter anderem fordern sie eine Finanztransaktionssteuer und eine Digitalsteuer. Davon kann man halten, was man will, aber das politische Signal ist brisant: Bahnt sich da eine rot-rote Zusammenarbeit an? Könnte dies der Keim einer Wiedervereinigung von SPD und Linken sein, natürlich nicht sofort, aber vielleicht vor der nächsten Bundestagswahl? Viel zu bereden also.

Ursula von der Leyen (CDU) wiederum muss sich heute im Verteidigungsausschuss des Bundestags kritischen Fragen zur Berateraffäre in ihrem Ministerium stellen. Der Vorwurf: Beamte sollen überteuerte, aber ineffektive Unternehmensberater engagiert haben, es fällt der Begriff "Buddy-System".

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Kommen wir zu Angenehmerem. Zwei Ausstellungen empfehle ich Ihnen heute, die auch längere Anreisen lohnen. In Hildesheim bekommen Sie "Irrtümer & Fälschungen der Archäologie" gezeigt. Zu sehen sind mehr als 200 Exponate aus ganz Europa, die auf spektakulären wissenschaftlichen Fehlurteilen oder gar Betrug basieren. Beispielsweise eine angebliche ägyptische Mumie, die auf dem Dachboden eines Einfamilienhauses in – taddaa! – Diepholz gefunden wurde und sich später als kunstvoll bandagiertes Plastikskelett entpuppte. Faszinierend.

In Oldenburg geht es um "Madonna, Manta, Mauerfall: Die achtziger Jahre in der Bundesrepublik". Die Ausstellung zeigt Mobiliar, Design, Freizeitvergnügungen, Spielzeug, Musik, Lifestyle und Mode dieses schrägen Jahrzehnts. Falls Sie die Anreise trotzdem scheuen, schauen Sie doch wenigstens mal kurz in diese Bilderserie, die der Fotograf Reinhard Krause in den 80ern im Ruhrgebiet gemacht hat. Schön skurril, schön schaurig. (Um die Bilder zu sehen bitte jeweils rechts unten auf das kleine Wort "next" klicken).

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Bevor ich Ihnen nun den Lesetipp serviere, erlauben Sie mir bitte, dass ich Sie noch auf eine dritte Ausstellung hinweisen darf. Es gibt sie schon lange, und jeder sollte sie einmal besucht haben. Aber jetzt ist sie runderneuert worden: Der niederländische König wird heute das Anne-Frank-Haus in Amsterdam wiedereröffnen. In Hinterhaus des Gebäudes schrieb das jüdische Mädchen Anne im Versteck vor den Nazis ihr weltberühmtes Tagebuch. Die Dauerausstellung ist nun ganz neu gestaltet worden.

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WAS LESEN?

Über die Gefahr von Kampfrobotern schrieb ich gestern im Tagesanbruch – ein entscheidender Bestandteil dieser Killer-Maschinen sind nicht Drähte und Sensoren, sondern Algorithmen für künstliche Intelligenz, die mögliche Ziele erkennen und Schießempfehlungen geben. Noch trifft die letzte Entscheidung vor dem Abschuss ein Mensch – aber was geschieht, wenn auch die von Algorithmen übernommen wird? Mein Kollege Tim Kummert hat die Frage Experten gestellt, die über den Krieg der Zukunft forschen. Das Ergebnis seiner Recherche ist beängstigend.

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WAS AMÜSIERT MICH?

Wenn Sie heute Abend nach Hause kommen, sich auf den ersehnten Feierabend freuen, endlich mal die Beine hochlegen und vielleicht einen guten Tropfen öffnen wollen, dann … IST DA DIESER RIESIGE BERG WÄSCHE. Argh. Uff. Seufz. Aber Moment, dafür gibt es ja eine super einfache, super schnelle Lösung!

Ich wünsche Ihnen einen super Tag.

Ihr Florian Harms
Chefredakteur t-online.de
E-Mail: t-online-newsletter@stroeer.de

Mit Material von dpa.

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