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Kanzlerin Angela Merkel ist aus dem Urlaub zurück – jetzt muss sie liefern


Was heute wichtig ist
Jetzt muss sie liefern

MeinungVon Florian Harms

Aktualisiert am 13.08.2019Lesedauer: 5 Min.
Meinung
Was ist eine Meinung?

Die subjektive Sicht des Autors auf das Thema. Niemand muss diese Meinung übernehmen, aber sie kann zum Nachdenken anregen.

Was Meinungen von Nachrichten unterscheidet.
Angela Merkel am Kabinettstisch ArchivVergrößern des Bildes
Angela Merkel am Kabinettstisch Archiv. (Quelle: Michael Kappeler/dpa-bilder)

Guten Morgen, liebe Leserinnen und Leser,

hier ist der kommentierte Überblick über die Themen des Tages:

WAS WAR?

109P/Swift-Tuttle heißt der Mini-Komet, dessen Durchmesser gerade mal 26 Kilometer beträgt. Weit über unseren Köpfen zieht er seine Bahn, was nicht weiter von Belang wäre, würde er nicht alljährlich im August stecknadelkopfgroße Staubkörner verlieren, die in die Erdatmosphäre sausen. Denn dann machen wir Erdlinge mit dem Gestirn Bekanntschaft: Wenn wir des Nachts den Kopf in den Nacken legen und ins Firmament blicken, sehen wir den Staub in 80 bis 100 Kilometern Höhe verglühen. Dann dürfen wir uns was wünschen. Und in keiner Nacht durften wir das so häufig tun wie in der vergangenen vom 12. auf den 13. August, denn da entfachte der Komet ein wahres Feuerwerk: den Höhepunkt des Sternschnuppenschwarms der Perseiden. Da ich annehme, dass nicht alle von Ihnen sich die Nacht um die Ohren hauen konnten, um in den Himmel zu stieren, und da ich als Tagesanbruch-Autor sowieso die Nacht zum Tage mache, habe ich mir erlaubt, ein paar Wünsche für Sie mitzuwünschen. Ja, für Sie alle. Verraten kann ich sie Ihnen allerdings nicht. Sonst gehen sie ja nicht in Erfüllung.


WAS STEHT AN?

Was sich Angela Merkel wünscht, liegt auf der Hand: eine stabile Regierung, die Deutschlands Probleme löst. Die Kanzlerin ist zurück aus dem Urlaub, heute absolviert sie ihre ersten Auftritte nach der Sommerfrische in Südtirol. Am Vormittag beehrt sie eine Gesamtschule in Greifswald, am Nachmittag stellt sie sich den Fragen von Lesern der "Ostsee-Zeitung". Und wenn sie dann in ihr geräumiges Büro im Kanzleramt zurückkehrt, wird sie auf dem Schreibtisch dicke Arbeitsmappen mit fetten Aufschriften finden: Grundrente (mit Bedürftigkeitsprüfung oder ohne?), Bundeshaushalt 2020 (mit noch mehr Geld für die Bundeswehr, damit der Donald endlich Ruhe gibt und die Annegret endlich mal punkten kann?), Sicherheit an den Grenzen und auf Bahnhöfen (der Horst hat sich da einiges ausgedacht), Paragraf 219a (die SPD will schon wieder nachbessern), Nitrat-Belastung des Grundwassers (die EU-Kommission will sie nicht länger tolerieren). Alles wichtig, alles brisant, viel Stoff für Zoff.

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Aber in Wahrheit geht es ab heute um ein viel wichtigeres Thema: die Frage, ob Deutschland den Klimaschutz endlich ernst nimmt. Seit Greta Thunberg die Welt aufgerüttelt hat, seit CDU, CSU und SPD bei der Europawahl aufgewacht sind, überbieten sich Koalitionspolitiker gegenseitig mit allerhand Vorschlägen: CO2-Steuer einführen, Emissionshandel ausweiten, Plastiktüten verbieten, ÖPNV bezuschussen, Verbrennungsöfen abwracken – es ist eigentlich alles dabei. Nur eines fehlt: ein schlüssiges Gesamtkonzept.

Das ist eine Steilvorlage für eine starke Regierungschefin, die aus vielen losen Vorschlägen einen schlagkräftigen Plan schmiedet. Hat Angela Merkel noch den Willen, die Kraft und die Autorität dafür? Wer das Siechtum der Koalition in den vergangenen Monaten beobachtet hat, muss daran zweifeln. Die SPD windet sich im Überlebenskampf, in der erschöpften CDU köchelt die Merkel-Nachfolgedebatte – nur bei der CSU herrscht Klarheit. Ausgerechnet die Bayernpartei, die unter ihrem Ex-Kalifen Horst Seehofer im vergangenen Jahr das größte Gezeter anzettelte, hat sich inzwischen zu einem Stabilitätsanker entwickelt. Dem neuen Kalifen Markus Söder gelingt es, die Truppen zusammenzuhalten, sich und seine weiß-blaue Truppe als fortschrittliche, konstruktive und entschlossene Kraft zu inszenieren. Kaum ein Tag vergeht, ohne dass der neue Regent einen Vorschlag verkündet, wie die Umwelt noch besser geschützt werden könnte. Wer hätte das gedacht!

Sicher, Söders grünes Mäntelchen mag an mancher Naht arg dünn erscheinen, auch scheint das Kleid gelegentlich wichtiger als der Inhalt zu sein. Aber der Mann hat die Zeichen der Zeit erkannt, was per se keine schlechte Voraussetzung für einen gewieften Politiker ist. Eigentlich müsste sich die Kanzlerin jetzt nur noch an die Schulter des starken Bayern lehnen und sich in eine grüne deutsche Zukunft ziehen lassen: So könnte sie in ihrer letzten Amtszeit mit einer historischen Weichenstellung in die Geschichtsbücher eingehen.

Dreimal hat Angela Merkel radikale Entscheidungen getroffen, alle drei waren mutig: 2011 die Abschaffung der Wehrpflicht und der Atomausstieg, 2015 das Offenhalten der Grenzen für die aus Budapest nahenden Flüchtlinge. Aus historischer Perspektive dürften alle drei Entscheidungen richtig gewesen sein, so wird man sie in 10, 15, 20 Jahren wohl bewerten. Das anschließende Management aber, auch das dürfte dann in den Geschichtsbüchern stehen, schwankte zwischen durchwachsen und miserabel: Die Bundeswehr wurde in die Krise gespart, statt sie umzubauen. Um die Energiewende kümmerte sich niemand so richtig. Die Grenzen blieben offen, als mehr und mehr Menschen kamen; die Kommunen mussten mit dem Ansturm viel zu lang allein zurechtkommen. Gute Absichten, mangelhafte Umsetzung: Das ist kein schönes Fazit in den Annalen.

In diesem Spätsommer 2019 hat Merkel die Chance, diesen Eindruck zu korrigieren. Jetzt kann Sie wieder eine mutige Entscheidung treffen: Die Kanzlerin sollte einen ambitionierten Klimaschutzplan durchsetzen, der Deutschland zum Vorreiter bei der wichtigsten globalen Aufgabe macht, in der EU und weltweit zum Vorbild gereicht – selbst wenn sie die schwarze Null dafür nicht opfern will. Und dann sollte sie sich persönlich darum kümmern, dass der Plan minutiös umgesetzt wird. Glückt ihr das, würde wohl nicht nur für viele Tagesanbruch-Leser, sondern auch für viele andere Menschen in diesem Land ein großer Wunsch in Erfüllung gehen.


Berlin erinnert heute an den Mauerbau vor 58 Jahren: In der Bernauer Straße und an der Glienicker Brücke gedenken Bürger der Mauertoten. Im ehemaligen Stasi-Knast in Hohenschönhausen findet eine Diskussion über Flucht und Asyl statt – heute ein ebenso drängendes Thema wie damals. Bundespräsident Steinmeier beginnt seine Gesprächsreihe "Geteilte Geschichte(n)": Vor kleinem Publikum treffen sich jeweils ein Ost- und ein Westdeutscher, um ihre persönlichen Geschichten rund um die Friedliche Revolution, den Mauerfall und die Wiedervereinigung zu erzählen. Meine Kollegen Jerome Baldowski und Arno Wölk wiederum erzählen die Geschichte zweier Schulfreundinnen: Der Mauerbau trennte sie, das Foto ging um die Welt. Jetzt haben sich die beiden Frauen erstmals wieder getroffen.

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DIE GUTE NACHRICHT

Was haben sich Kommentatoren vor Jahresfrist über das von der großen Koalition eingeführte Baukindergeld ereifert: Geldverschwendung, unsinnig, kommt den Falschen zugute! Und was sagen die Zahlen? Schon mehr als 40.000 Familien haben die Förderung bekommen – und tatsächlich profitieren Bürger mit geringem Einkommen davon. Vielleicht sollten wir Kommentatoren manchmal etwas weniger meckern. Da nehme ich mich gar nicht aus.


WAS LESEN UND ANSCHAUEN?

Jedes Jahr erhalten rund 40.000 Menschen in Deutschland die Diagnose Blutkrebs oder anderer Erkrankungen des blutbildenden Systems. Für viele von ihnen ist eine Stammzellen- oder Knochenmarkspende die letzte Überlebenschance. So wie für den kleinen Hugo aus Ahrenshoop: Er hat Leukämie und braucht dringend einen Spender. Meine Kollegin Ana Grujić erklärt, wer helfen kann.


Kängurus im Schnee? Das kommt doch nur alle Jubeljahre mal vor! Was also machen Kängurus, wenn ihre Heimat plötzlich weiß ist? Ist doch klar: Sie freuen sich wie die Kinder!


Mindestens 229 Bundeswehrsoldaten haben seit 1999 einen Antrag auf Wehrdienstbeschädigung gestellt: Sie könnten bei Einsätzen auf dem Balkan durch "Uranmunition" verseucht worden sein – nicht vom Kriegsgegner, sondern vom Nato-Partner USA. Doch anerkannt wurde bis heute kein einziger Fall, berichtet mein Kollege Jonas Mueller-Töwe. Warum das so ist, erklärt er hier.


WAS AMÜSIERT MICH?

Kreuzfahrten sind wahnsinnig schön. Und wahnsinnig unvernünftig. Nicht nur Klimaschützer schlagen Alarm, auch viele Einwohner von Hafenstädten haben die Ozeanriesen auf dem Kieker. Irgendwie verständlich, oder?

Ich wünsche Ihnen einen frohen Tag. Herzliche Grüße

Ihr

Florian Harms
Chefredakteur t-online.de
E-Mail: t-online-newsletter@stroeer.de

Mit Material von dpa.

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