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Coronavirus-Krise: Die Lage bleibt dramatisch, aber es gibt Hoffnung


Was heute wichtig ist
Superkräfte gegen das Virus

MeinungVon Florian Harms

Aktualisiert am 24.03.2020Lesedauer: 7 Min.
Meinung
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Die subjektive Sicht des Autors auf das Thema. Niemand muss diese Meinung übernehmen, aber sie kann zum Nachdenken anregen.

Was Meinungen von Nachrichten unterscheidet.
Eine Forscherin im türkischen Gebze untersucht eine Coronavirus-Probe.Vergrößern des Bildes
Eine Forscherin im türkischen Gebze untersucht eine Coronavirus-Probe. (Quelle: Emrah Gurel/ap-bilder)

Guten Morgen, liebe Leserinnen und Leser,

hier ist der kommentierte Überblick über die Themen des Tages:

WAS WAR?

Die Lage bleibt dramatisch, aber es gibt Hoffnung. In Italien ist die Zahl der täglichen Corona-Toten erstmals gesunken, die der Neuinfektionen ebenfalls. "Heute ist vielleicht der erste positive Tag, den wir in diesem harten, sehr schweren Monat hatten", sagt Giulio Gallera, Sprecher der Gesundheitsbehörden in der Lombardei. "Wir sehen langsam Licht am Ende des Tunnels." Mut machen Geschichten wie jene der 95-jährigen Alma Clara Corsini: Als erste Coronavirus-Patientin ist sie in der Provinz Modena geheilt aus dem Krankenhaus entlassen worden.

In Deutschland halten sich die meisten Bürger an die strikten Regeln der Bundesregierung: zu Hause bleiben, so wenig Kontakt wie möglich, Abstand, Abstand, Abstand! Dem Robert Koch-Institut zufolge flacht die Kurve der Neuinfektionen auch hierzulande leicht ab. Ob der Trend anhält, wird sich erst in den kommenden Tagen zeigen, aber ein Hoffnungsschimmer ist das allemal. Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) geht davon aus, dass Deutschland seine Corona-Krisenschulden ab dem Jahr 2023 wieder abbauen kann. Noch ein Hoffnungsschimmer.

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Die Hoffnung macht uns den Kopf frei, sodass wir über unseren Tellerrand hinausschauen und nachsehen können, was andernorts geschieht. In Frankreich ist die Zahl der Todesfälle binnen 24 Stunden um 28 Prozent, die der Neuinfektionen um 20 Prozent gestiegen – das ist schlimm. Nach Baden-Württemberg nehmen auch Rheinland-Pfalz und das Saarland Patienten aus unserem Nachbarland auf – eine "schöne brüderliche Geste", wie es eine Tagesanbruch-Stammleserin aus dem Elsass nennt.

Noch weiter weg ist die Lage noch gravierender: In den Flüchtlingslagern auf den griechischen Inseln herrschen katastrophale Zustände. Schlägt dort nun auch noch das Coronavirus zu, sind binnen kurzer Zeit Hunderte, womöglich Tausende Todesopfer zu erwarten, darunter viele Kinder. Die Menschen haben dort keine Intensivstationen, keine Beatmungsgeräte, oft noch nicht mal ein Stück Seife. "Die Elendslager für Flüchtlinge an der EU-Außengrenze müssen evakuiert werden – und zwar sofort", fordert meine Kollegin Nathalie Helene Rippich. Sie hat sich die Lage auf der Insel Lesbos kürzlich angesehen – und war schockiert, welches Elend im Jahr 2020 in Europa möglich ist. Das kann uns nicht egal sein, selbst wenn wir gerade andere Sorgen haben. Deutschland sollte seiner humanitären Verpflichtung nachkommen und sofort beginnen, notleidende Kinder und deren Familien auszufliegen. Damit es auch auf Lesbos wenigstens ein bisschen Hoffnung gibt.


Die guten Nachrichten sind nicht immer offensichtlich. Wir alle haben inzwischen gelernt, wie entscheidend es ist, möglichst früh in die Kette der SARS-CoV-2-Infektionen hineinzugrätschen – und Betroffene so schnell wie möglich zu identifizieren, am besten sogar noch, bevor sie die ersten Symptome bemerken. Dafür gibt es Tests, die das Virus nachweisen, sobald es sich im Körper breitzumachen beginnt. Diese Tests sind die wichtigste Waffe in unserem Arsenal gegen das Coronavirus. Später dann, nachdem die Schlacht um die rasche Entdeckung und Eindämmung des Erregers schon längst geschlagen ist, meldet sich endlich auch unser Immunsystem mit einem weiteren Signal zu Wort: Hey, ruft es uns zu, ich habe inzwischen kräftig Antikörper gegen den Eindringling produziert! Die sind doch sicher auch interessant? Könnte doch jemand nachweisen? Hallo? Noch jemand da?

Ja, freundlicherweise sind doch noch nicht alle nach Hause gegangen. Ein internationales Forscherteam hat nun einen Kandidaten für einen Test entwickelt, mit dem sich die Immunantwort des Körpers auf die Attacke nachweisen lässt. Vermutlich jedenfalls, könnte sein, nach Bestätigung durch weitere Untersuchungen – die Liste der Einschränkungen auf der Packungsbeilage ist, wie es sich für brandneue Forschung gehört, wie immer lang. Das Wörtchen "vielversprechend" steht aber auch im Raum. Wenn sich die Ergebnisse bestätigen, was kann der tolle Test dann tun? Uns sagen, dass jemand früher mal krank war. Nachträglich. Wenn nicht einmal mehr der kleinste Rest des Virus im Körper steckt. Und die Sache eigentlich zu den Akten gelegt werden kann. Das ist eine Nachricht, über die wir uns heute freuen können und die uns Hoffnung geben darf. Denn sie ist großartig.

Die späte Erkenntnis über die Erkrankung von vorgestern steht nicht nur im Dienste der Wissenschaft. Klar, wenn wir uns im Nachhinein ein Bild über die Verbreitung des Virus machen können, lässt sich manch schwierige und umstrittene Frage klären, zum Beispiel wie infektiös und auch wie tödlich SARS-CoV-2 denn nun wirklich ist. Und wie groß die sichtbare Gruppe der Erkrankten im Vergleich zur stillen Kohorte derer ist, die mit dem Virus ohne das geringste sichtbare Zeichen einer Erkrankung fertig werden oder nur leichtes Unwohlsein verspüren, sodass kein Arzt und keine Statistik jemals davon erfahren. In mathematischen Modellen, mit denen man den Fortgang der Coronakrise vorherzusagen versucht, ersetzen diese Daten gewagte Schätzungen, mit denen man sich bisher behelfen musste. Gut für die Planung, toll für die akademische Forschung. Aber dass die nachträgliche Testung vieler Menschen für die Versorgung der Schwerkranken in den überlasteten Intensivstationen ein Segen sein wird, und auch dafür, die Wirtschaft und das Alltagsleben wieder in Gang zu bekommen, das erschließt sich erst auf den zweiten Blick.

Denn wer als amtlich geprüfter Ex-Infizierter die Straße betritt, hat Superkräfte. Er oder sie ist gegen die Plage unserer Tage dann gefeit. Er ist immun. Kann nicht mehr infiziert werden und steckt auch selbst niemanden an. Wer in einem medizinischen Beruf arbeitet, kann sich gefahrlos um Erkrankte kümmern und in der riskanten, keimüberfluteten Umgebung einer Krankenstation die Stafette von jenen übernehmen, die sich bis dahin mit immer knapper werdenden Schutzanzügen durchschlagen mussten. Kann seiner Arbeit wieder nachgehen, den Betrieb und die Versorgung aufrechterhalten, ob im Hospital oder an der Supermarktkasse. Mehr noch, diese Superwesen, in das Sie oder ich oder jeder andere sich irgendwann verwandeln kann, werden den kostbaren Schutz vielleicht an andere spenden können: wenn ihnen das Serum, das Immunität verleiht, abgenommen wird wie bei einer Blutspende, sodass es Schwerkranken per Injektion über die kritischen Stunden hilft. Wie viele von uns auf diesen Wegen Hilfe bringen könnten, verschließt sich uns noch, denn die vielen symptomfrei Infizierten außerhalb der Statistik sind nicht zu erkennen – erst recht nicht im Nachhinein. Aber das, sagen uns die Forscher, könnte nun anders werden. Die Hoffnung stirbt nämlich nicht zuletzt. Sie ist vielleicht schon still genesen.

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WAS STEHT AN?

Wir wollten die Ausgangsbeschränkungen, nun haben wir sie bekommen. Die Unvernünftigen, die trotz des Corona-Risikos Party im Park machten, die sich eng an eng in die U-Bahnen drückten, die in Cafés lässig über die Schulter husteten, haben es leider notwendig gemacht. Nun ist die Frage, wie die Politik und die Polizei, aber auch wir als Gesellschaft mit dem Kontaktverbot umgehen. So viel ist klar: Ein Dauerzustand darf die Beschränkung von Grundrechten nicht werden. Wir müssen nun genau hinschauen, wo Polizeiaktionen womöglich überborden, wo sich Regelungen verselbstständigen, wo Dinge auf einmal normal zu werden scheinen, die früher als unannehmbar galten. Denn eines ist sicher: Mit der Einschränkung unserer Grundrechte gehen Gefahren einher, die über die Krankheit Covid-19 hinausgehen könnten. Mein Kollege Jonas Mueller-Töwe hat sich umgehört: Ein Polizeirechtler warnt vor einem "Notstandsregime", ein anderer hält eine "ordnungspolitische Krise" für möglich. Seinen Artikel lesen Sie hier.


In Dresden könnten heute die Urteile im Prozess gegen die mutmaßlichen Rechtsterroristen der Terrorgruppe "Revolution Chemnitz" gefällt werden. Die Staatsanwaltschaft wirft den acht Männern die Bildung einer rechtsterroristischen Vereinigung vor. Ihr Ziel sei es gewesen, mit Anschlägen den deutschen Staat zu stürzen.


Es muss Anfang 1983 gewesen sein, da hörte ich zum ersten Mal diesen Song. Wenige Takte genügten, schon hatte sich der Refrain für alle Ewigkeit in meinem Gehörgang eingenistet. Gerade mal 22 Jahre jung war Gabriele Susanne Kerner aus Hagen im Ruhrpott, als sie das Lied ins Mikrofon hauchte, und natürlich kannte sie niemand unter diesem Namen. Aber ihr Künstlername, der ging binnen Tagen um die ganze Welt. In Amerika rissen sie sich um ihre Platte, der Song wurde zum Megahit. So, und nun wollen Sie natürlich wissen, warum ich Ihnen das heute erzähle. Na, weil Frau Kerner heute 60 Jahre alt wird. Happy Birthday, Nena!


WAS LESEN UND ANHÖREN?

Der Historiker Andreas Wirsching hat eine bemerkenswerte Sicht auf die gegenwärtige Krise: "Die Menschen in Deutschland kommen heutzutage mit Katastrophen wie der Corona-Pandemie schlechter klar als noch vor 30 Jahren", sagt er in der neuen Folge unseres Wissenschafts-Podcasts "Tonspur Wissen". Warum er das denkt, erfahren Sie hier.


Als ich in einem Beitrag sah, wie die israelischen Behörden im Kampf gegen das Virus jeden Bürger per Smartphone-Signal überwachen, wie sie Infizierte in ihrer Quarantäne kontrollieren und Regelschwänzer martialisch überwältigen, da bin ich erschrocken. Machen das andere Staaten auch – und plant die Bundesregierung etwa ähnliche Maßnahmen? Die Kollegen der "Süddeutschen Zeitung" haben nachrecherchiert.


Was erlebt man, wenn man plötzlich zu Hause arbeiten, nebenher auch noch die Kinder beschäftigen und den Haushalt schmeißen muss? Meine Kollegin Anna Meran beschreibt ihre Erfahrungen in ihrem Blog: "Meine Corontäne".


WAS AMÜSIERT MICH?

Meine lieben Kolleginnen Anna Aridzanjan und Laura Stelter finden, dass man die Krise mit Humor viel leichter erträgt. Also haben sie auf Twitter nach Corona-Witzen gestöbert. Diese drei haben mir am besten gefallen: der und der und vor allem der.

Ich wünsche Ihnen einen fröhlichen Tag. Bitte bleiben Sie gesund und zuversichtlich. Herzliche Grüße

Ihr

Florian Harms
Chefredakteur t-online.de
E-Mail: t-online-newsletter@stroeer.de

Mit Material von dpa.

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