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Brisante Wahlkampfhilfe für Trump: Jetzt beginnt die entscheidende Schlacht


Was heute wichtig ist
Brisante Wahlkampfhilfe für Trump

MeinungVon Florian Harms

Aktualisiert am 25.09.2020Lesedauer: 6 Min.
Meinung
Was ist eine Meinung?

Die subjektive Sicht des Autors auf das Thema. Niemand muss diese Meinung übernehmen, aber sie kann zum Nachdenken anregen.

Was Meinungen von Nachrichten unterscheidet.
Donald Trump macht die Nachbesetzung am Obersten Gerichtshof zur entscheidenden Wahlkampffrage.Vergrößern des Bildes
Donald Trump macht die Nachbesetzung am Obersten Gerichtshof zur entscheidenden Wahlkampffrage. (Quelle: imago images)

Guten Morgen, liebe Leserinnen und Leser,

hier ist der kommentierte Überblick über die Themen des Tages:

WAS WAR?

Stellen Sie sich vor, Sie haben Zoff mit ihrer besseren Hälfte. Während Sie nach Feierabend auf dem Heimweg sind, geht Ihnen der Streit nicht aus dem Sinn. Kein Wunder, dass der Haussegen schiefhängt, schließlich haben Sie die Familienkutsche an einer Kurve in den Graben befördert. Der Versicherungsmensch hat bestimmt schon zu Hause angerufen und den Totalschaden gepetzt, das wird ein Donnerwetter geben, puh. Während Sie sich innerlich auf die Tirade vorbereiten, klingelt Ihr Handy. "Schatz, stell dir vor", hören Sie die aufgeregte, aber zornesfreie Stimme rufen, "bei uns ist eingebrochen worden!" Sie eilen nach Hause. Glück gehabt, denken Sie für einen heimlichen Moment, die Sache mit dem Auto ist schon vergessen. Gibt ja nun Gravierenderes.

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Diese erfundene Episode sollten wir im Gedächtnis behalten, wenn wir versuchen, dem Endspurt des US-Wahlkampfs ein wenig innere Logik abzuverlangen. Denn eigentlich ist die Situation bizarr. Die offizielle Zahl der Corona-Toten hat diese Woche die enorme Marke von 200.000 Opfern überschritten. Zwei-hundert-tausend! Zugleich hat sich an der Westküste die Klimakrise mit infernalischen Szenen aus Feuer und Rauch in Erinnerung gebracht. Landauf, landab werden Städte zudem von schweren Unruhen erschüttert, brutale Polizeiaktionen haben schwarze Amerikaner auf die Barrikaden getrieben. Rechte Milizen marschieren schwerbewaffnet gegen linke Aktivisten und die Pflicht zum Maskentragen auf. Man sollte meinen, in so schwerem Fahrwasser hätten die US-Bürger sich längst ihre Meinung zu Schiff und Steuermann gebildet. Aber der Tod von Ruth Bader Ginsburg, der hochbetagten Richterin am Obersten Gerichtshof, mischt alles wieder auf. "Trump wittert nun seine große Chance", schreibt unser Washington-Korrespondent Fabian Reinbold.

Nach einigen Tagen der ziellosen Aufregung wird nun klarer, welche politischen Folgen ihr Ableben haben wird. Präsident Trump hat im US-Senat die erforderliche Mehrheit zusammenbekommen, um den Posten am Obersten Gericht noch vor dem Wahltag am 3. November neu zu besetzen. Also rechtzeitig, bevor die Wähler in die Sache hineinpfuschen und den Präsidentenposten neu besetzen können. Eine von Herrn Trump vorgeschlagene Kandidatin soll die Konservativen unter den Richtern stärken. Als Favoritinnen gelten Amy Coney Barrett und Barbara Lagoa. Wer es am Ende auch wird: Die Neue im Team wird die Balance nach rechts verschieben, wenn über Entscheidungen abzustimmen ist. So verwandelt sich die oberste Instanz der Rechtsprechung in eine unangreifbare Bastion der republikanischen Weltsicht.

Für den Noch-Präsidenten eilt die Angelegenheit, auch persönlich. Denn es ist dieses Gericht, vor dem der Streit landet, falls das Ergebnis der Präsidentenwahl in knapp sechs Wochen auf der Kippe stehen sollte. Vor allem entscheiden die erlauchten Geister jedoch über die großen Richtungsfragen der Gesellschaft, ob es nun um Abtreibung geht oder darum, Waffenfanatiker wenigstens einer milden Form der Kontrolle zu unterwerfen. Ein Kurswechsel in diesem Gremium hat Folgen für Jahrzehnte. Die Berufung zum höchsten Richteramt – nun schon die dritte aus dem Hause Trump – gilt auf Lebenszeit.

Das Drama um das oberste Gericht hat also ohnehin Gewicht – aber jetzt wird es auch zur entscheidenden Schlacht im Wahlkampf. Die Pandemie, die Klimakrise und das gesellschaftliche Erdbeben der "Black Lives Matter"-Bewegung sind erst einmal zur Nebensache degradiert. Sind das angemessene Prioritäten?, fragen wir vorsichtig, aber aus dem Weißen Haus strahlt uns ein breites, erleichtertes Grinsen entgegen. Erfolglos hatte Herr Trump bisher versucht, sein Versagen in der Corona-Krise durch andere Themen zu vertuschen. Aber jetzt auf einmal: große Emotionen, wüste Drohungen, ein erbittertes Ringen um den Sitz im Supreme Court! Eine Seifenoper! Für Trump werden Träume wahr.

Als wäre das Geschenk nicht schon groß genug, leisten die Demokraten den Republikanern auch noch kräftig Wahlkampfhilfe. Böse Zungen sagen ihnen sowieso nach, sie seien die Meister des Eigentors. Schalten wir also live ins Stadion – und tatsächlich: Unfähig, Trumps Wunschkandidatin auf dem Weg zur Richterbank zu stoppen, breitet Joe Bidens Partei öffentlich ihre Rachepläne aus. Wenn wir erst einmal die Wahlen gewonnen haben, zetern einige aus ihren Reihen, dann werden wir das oberste Gericht aufblähen! Wir schaffen dort nämlich zusätzliche Richterposten und besetzen sie mit unseren eigenen Kandidaten, bis wir dort wieder die Mehrheit haben! "Court packing", "Gericht vollstopfen", nennt sich diese Prozedur, und sie ist so grobschlächtig wie der Begriff. Ein solches Vorgehen wäre zwar rechtens, bricht jedoch mit ungeschriebenen Gesetzen. Das bloße Gedankenspiel genügt, um auch noch den letzten wertkonservativen Republikaner auf die Barrikaden zu treiben.

Manch langjähriger Wähler der konservativen Partei ist angewidert von Herrn Trump und hat bisher mit einer Stimme für den freundlichen Versöhner Joe Biden geliebäugelt. Doch nun ändert sich die Lage. Das Schreckgespenst eines taktisch aufgeblähten Gerichts gibt den Republikanern Rückenwind. Seit Monaten hat Profi-Propagandist Trump die Mär verbreitet, sein Gegner, der depperte, senile, unfähige Opa Biden, werde allenfalls als Frühstückspräsident ins Weiße Haus einziehen. Unter dessen trübem Blick würde sich eine Horde Linksradikaler des Staates bemächtigen. Nichts spielt dieser kruden Propagandastrategie mehr in die Hände als öffentliche Planspiele der Demokraten, das Oberste Gericht so lange umzubauen, bis das Ergebnis passt. Danke, grinst der Donald, und freut sich sogar über die Fäuste, die sich ihm entgegenrecken.

Ach ja, die Pandemie wütet noch immer, täglich fallen ihr 800 Amerikaner zum Opfer. Man hat es fast schon vergessen.


WAS STEHT AN?

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Die Corona-Seuche hat die Klimakrise aus den Schlagzeilen verdrängt, dabei sind deren Folgen gravierender als je zuvor. An den Polen schmilzt das Eis im Rekordtempo, der Meeresspiegel steigt. In Sibirien brechen Gasblasen aus dem tauenden Permafrostboden. An der amerikanischen Westküste lodern die größten Brände seit Menschengedenken. In Deutschland sterben die Wälder. Nicht nur in der Karibik, auch in Europa wappnen sich Katastrophenschützer für brutale Herbststürme.

Das menschengemachte Drama in der Natur geht nicht spurlos an uns vorbei. Schon 18 Millionen Deutsche setzen sich für den Umweltschutz ein, fast ein Drittel der 16- bis 18-Jährigen hat schon mindestens einmal an einer Aktion von Fridays for Future teilgenommen. Erstmals seit Beginn der Pandemie wollen die Klimaschützer heute wieder weltweit auf die Straßen gehen, in Deutschland haben sie mehr als 400 Protestaktionen angekündigt. Sie fordern von den Regierenden, dass die ihre Versprechen und die Ziele des Pariser Klimaabkommens einhalten, um die globale Erhitzung auf unter 1,5 Grad im Vergleich zur vorindustriellen Zeit zu begrenzen. Wie fast alle Länder ist auch die Bundesregierung unfähig, ihre Zusagen zu erfüllen. Es bleibt bei Trippelschrittchen und großspurigen Ankündigungen. Den Mut zu entschlossenem Klimaschutz bringen Frau Merkel und ihre Minister nicht mehr auf. In 30 Jahren werden unsere Kinder und Enkel auf das Jahr 2020 zurückschauen und sagen: Das waren die, die es endgültig vermasselt haben.


Vor den Tarifverhandlungen im öffentlichen Dienst ruft die Gewerkschaft Verdi zu weiteren Warnstreiks auf. Betroffen sind Stadtreinigungen, Verkehrs- und Hafenbetriebe.


Heute vor 50 Jahren ist der große Erich Maria Remarque gestorben. Sein Antikriegsroman "Im Westen nichts Neues" hat meinen Blick auf die Welt verändert. Sollte jeder gelesen haben, finde ich.


Der heutige 25. September gilt als Tag des One Hit Wonder. Musiker, die nur einen richtigen Knaller gelandet haben: Da fällt mir zum Beispiel dieser Herr hier ein (und die Damen mögen mir das bitte verzeihen).


WAS LESEN UND HÖREN?

In Berlin wird trotz Corona so viel gefeiert wie nirgendwo sonst hierzulande. Noch ist das meist legal, doch immer mehr junge Menschen treiben die Zahlen der Neuinfektionen in die Höhe. Wie laufen die Partys mit Hygienekonzept ab? Unsere Reporterin Sophie Loelke hat sich umgesehen. Und der Berliner Amtsarzt Patrick Larscheid hat meiner Kollegin Sandra Simonsen erklärt, wie man jungen Leuten die Gefahren der Pandemie besser bewusst machen könnte.


Mehr als 500.000 Infektionen, viele Krankenhäuser sind bereits voll: Kein Land in Europa wird so heftig von Corona getroffen wie Spanien. Das Land ist in vielerlei Hinsicht ein mahnendes Beispiel für Deutschland: Mein Kollege Patrick Diekmann beschreibt die Fehler, die wir nicht wiederholen sollten.


Tesla braust voran, Deutschlands Autokonzerne bummeln hinterher: Bleibt das so? Nein, sagt der Auto-Insider Stefan Randak im Gespräch mit meinem Kollegen Markus Abrahamczyk, das Fundament für die E-Mobilität sei nun auch hierzulande gelegt.


Apropos: Wenn Sie mehr über die E-Mobilität wissen wollen, sollten Sie sich die zweite Folge unseres Podcasts "Ladezeit" anhören. Don Dahlmann und Richard Gutjahr sprechen über das Problem der geringen Reichweite von E-Autos und wie es sich lösen lässt.


WAS AMÜSIERT MICH?

Nicht jede Idee verdient ein Lob.

Sie haben bestimmt bessere Ideen. Das wünsche ich Ihnen (und uns allen). Morgen erscheint wieder unser Wochenend-Podcast, diesmal mit meinen Kollegen Sven Böll und Fabian Reinbold. Am Montag schreibt mein Kollege Florian Wichert für Sie, ich dann ab Dienstag wieder.

Herzliche Grüße,

Ihr

Florian Harms
Chefredakteur t-online
E-Mail: t-online-newsletter@stroeer.de

Mit Material von dpa.

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