Die subjektive Sicht des Autors auf das Thema. Niemand muss diese Meinung übernehmen, aber sie kann zum Nachdenken anregen.
Was Meinungen von Nachrichten unterscheidet.Weltlage Endlich keimt wieder Hoffnung

Eine Zeit lang sah es wirklich so aus, als ginge der Westen seinem Ende entgegen. In den vergangenen Wochen sortiert er sich neu und gewinnt wieder an Stärke. Woran liegt das?
Als Donald Trump, das Schreckgespenst der westlichen Welt, noch nicht als US-Präsident wiedergewählt war, lautete die Standardfrage an alle Staatenlenker und solche, die es wie Friedrich Merz werden wollten: Wie geht man mit diesem Mann um? Wirklich befriedigende Antworten wusste niemand zu geben, auch Merz nicht. Heute, etwas mehr als hundert Tage nach dem Amtsantritt Trumps, zeichnen sich zwei Lehren im Umgang ab. Die erste: Es ist wichtig, Trumpisch zu lernen und zu lesen. Trumpisch, das ist eine eigene Sprache, die dechiffriert werden muss, was gar nicht so einfach ist, weil sie sich der Logik anderer Sprachen entzieht. Sie kommt zudem mit einem sehr kleinen Wortschatz aus. Das wichtigste Wort lautet: ich.
Ein Beispiel. Als Donald Trump danach gefragt wurde, was er von dem Treffen der Verhandler der Ukraine mit der russischen Seite hält und dem Umstand, dass Wladimir Putin im Unterschied zu Wolodymyr Selenskyj am Ende nicht gekommen war, und warum auch er selbst entgegen gemachter Andeutungen nicht gekommen war, da sagte er:
"Ich hatte nicht vor, zu kommen. Ich würde kommen, aber ich hatte es nicht geplant. Und ich sagte: Ich glaube nicht, dass er kommen wird, wenn ich nicht komme. Und das hat sich als richtig herausgestellt … aber ich hielt es für unmöglich, dass Putin kommt, wenn ich nicht da bin." Und dann noch: "Wenn etwas passiert, komme ich am Freitag."

Zur Person
Christoph Schwennicke ist Politikchef von t-online. Seit fast 30 Jahren begleitet, beobachtet und analysiert er das politische Geschehen in Berlin, zuvor in Bonn. Für die "Süddeutsche Zeitung", den "Spiegel" und das Politmagazin "Cicero", dessen Chefredakteur und Verleger er über viele Jahre war.
Ich würde kommen, aber ich hatte es nicht geplant? Alles klar, soweit? Leichte Schwindelgefühle beim Lesen? Normal. So ist das bei dieser Sprache. Trumpisch bedeutet, dass jemand versucht, seine Gedanken zu sortieren, dabei simultan redet und so alle in Echtzeit miterleben dürfen, wie der Sprecher dieser endemischen Sprache am Versuch der Ordnung seiner Gedanken scheitert. Und damit die Verwirrung seiner Zuhörer perfekt macht. Um noch einen drauf zu setzen: Das hier hatte Trump vor seinem Abflug in den Nahen Osten und vor dem Istanbuler Ereignis gesagt, nebenbei beim Golfen auf seinem Golfplatz in Mar-a-Lago:
"Ich habe so viele Termine, aber ich habe darüber nachgedacht, tatsächlich dorthin zu fliegen. Ich würde hinfliegen, wenn ich denke, dass es hilfreich wäre. Ich denke, dass dieses Treffen gute Dinge hervorbringen kann."
"Ich schmarre, ergo sum", hat der Sprachvirtuose Eckhard Henscheid einmal gesagt, und da gab es noch gar keinen Donald Trump. Aber, positiv: Die übrigen Staatslenker haben einen Crash-Kurs in dieser seltsamen Sprache absolviert und sich inzwischen auf diesen rätselhaften Sprech besser eingestellt. Sie wissen, dass Trump beim Abschlag auf seinem Golfplatz noch A sagt und beim Einputten ins Loch vielleicht schon B, das glatte Gegenteil von A. Deshalb ist die erste Lehre für die Lenker aller Nato-Staaten: Nicht alles eins zu eins nehmen, was Trump sagt. Lehre Zwei: Immer vom Verhaltensmuster eines Kleinkindes ausgehen. Konkret heißt das: kaum Impulskontrolle, keine Frustrationsresilienz. Und: Es hilft nichts, tausendmal zu sagen: Fasse nicht mit der flachen Hand auf die Herdplatte und stecke deine Finger nicht in die Türzarge. Der Lerneffekt stellt sich erst ein, wenn die Herdplatte mit der Hand drauf das erste Mal heiß war, und die Tür das erste Mal mit dem Finger in der Zarge ins Schloss fiel.
Trump musste sich erst die Finger verbrennen
Und da beginnt nun die Hoffnung zu keimen. Trump hat sich mit seinen Zöllen bei China die Finger verbrannt und bei Putin dieselben in der Tür eingeklemmt. Er hat sich dann in einer Art Trotz (Kleinkind!) flugs auf die Seite der Europäer geschlagen, jedenfalls vorläufig. Zeitgleich haben sich die entscheidenden Europäer, der Deutsche Friedrich Merz, der Franzose Emmanuel Macron, der Brite Keir Starmer und der Pole Donald Tusk, vorgenommen, den Mann mit den kindlichen Verhaltensmustern und den verbrannten Pfoten in enge Obhut zu nehmen. Sowohl bei ihrem Ausflug nach Kiew als auch jetzt am Rande der Amtseinführung des neuen Papstes in Rom haben sie Trump mit einer Schalte eingebunden. Im Beisein des ukrainischen Präsidenten. Dieses Mal hat er in Rom sogar die etwas renitente italienische Ministerpräsidentin Meloni in ihrer Quadriga informell assoziiert.
Zwei, die sich wieder was zu sagen haben
Zum ersten Mal seit langer Zeit formiert und sortiert sich der Westen wieder ansatzweise. Großbritannien unter Starmer agiert, als habe es die EU nie verlassen. Und in Rumänien reüssiert der europafreundliche Kandidat gegenüber dem rechtsextremen Nationalisten. Polens Präsidentschaftswahlen gehen in eine zweite Runde, aber auch da könnte das Patt zwischen einem pro-europäischen Ministerpräsidenten und einem nationalkonservativen Staatschef beendet sein. In Macron und Merz haben sich die beiden Staats- und Regierungschefs von Deutschland und Frankreich endlich wieder was zu sagen. Dass Merz das elaborierteste Englisch spricht, mit dem je ein deutscher Kanzler aufwarten konnte, hilft dabei bestimmt. Vielleicht auch, dass der ehemalige Investmentbanker Macron und der frühere Blackrock-Manager Merz einen Businesshintergrund haben, der zum gemeinsamen Verstehen beiträgt.
Das macht alles noch keinen Frieden in der Ukraine und die Welt nicht automatisch zu einem besseren Ort. Aber die Lage ist nicht mehr so finster wie die vergangenen Jahre. Wie haben seinerzeit Ton Steine Scherben gesungen: Wenn die Nacht am tiefsten ist, ist der Tag am nächsten. Das trifft die Lage aktuell ganz gut. Es wird heller.
- Eigene Überlegungen