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Terror-Quintett: Diese Gruppe wollte Karl Lauterbach entführen und putschen


Bizarre Reichsbürger-Pläne
Ein Scholz-Double sollte die Revolution verkünden

  • Lars Wienand
Von Lars Wienand

Aktualisiert am 24.01.2023Lesedauer: 4 Min.
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Alleinunterhalter: Michael H. sollte laut Anklage einen Imitator organisieren, der den Bundeskanzler oder den Bundespräsidenten das Ende der Bundesrepublik verkünden lässt.Vergrößern des Bildes
Alleinunterhalter: Michael H. sollte laut Anklage einen Imitator organisieren, der den Bundeskanzler oder den Bundespräsidenten das Ende der Bundesrepublik verkünden lässt. (Quelle: Screenshot Facebook)

Vier Männer und eine Frau sind als Mitglieder einer terroristischen Vereinigung angeklagt. Wer ist die Truppe, die einen Blackout und einen Staatsstreich wollte?

Der Generalbundesanwalt hat am Montag Anklage gegen fünf Reichsbürger erhoben. Sie sollen die Entführung von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach sowie einen deutschlandweiten Blackout geplant haben. Nun müssen sie sich vor Gericht wegen "Bildung einer terroristischen Vereinigung" verantworten.

Im April 2022 waren die vier Männer festgenommen worden, im Oktober auch die 75-jährige mutmaßliche Rädelsführerin. Für die Bundesanwaltschaft steht fest: Spätestens seit Januar 2022 hatten sie sich zusammengeschlossen, um bürgerkriegsähnliche Zustände auszulösen und damit ein Ende der Regierung sowie der parlamentarischen Demokratie zu erreichen.

Das sind die fünf Angeklagten:

Die Theologin für den neuen Staat: Elisabeth R. lebte zuletzt in Flöha in Mittelsachsen und war früher Pfarrerin. Aufgefallen war sie bereits vor Jahren: Wegen des Vorwurfs, sich "aktiv gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes betätigt" zu haben, strich ein Gericht ihr das Ruhegehalt als Beamtin. R. gehörte seit Langem zu einer Szene von "Reichsbürgern" und Antisemiten. In Büchern hatte sie von gesteuerten "Asylanten-Tsunamis" mit dem Ziel der "Vergewaltigung und Abschlachtung" geschrieben und von "verschwiegenem Umbau der Hirnstrukturen" durch "Genderismus, Digitalisierung und 5G".

Video | "Reichsbürgerin" wegen Terrorismusverdachts festgenommen
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Quelle: Reuters

Bis zu dessen Tod im Frühjahr 2022 war sie eine enge Vertraute von Rigolf Hennig, einem führenden Kopf des europaweiten Zusammenschlusses von Holocaustleugnern "Europäische Aktion". Hennig und sie hatten auch "Reichsbürger"-Schreiben des "Bundesstaat Preußen – Präsidialstaat Deutsches Reich 1871" an "alle Regierungen der Welt" verfasst: Versailler Vertrag und Weimarer Verfassung seien nichtig. Nach dem Putsch sollte die Verfassung von 1871 wieder Deutschland bestimmen.

Der Alleinunterhalter: Michael H. aus Bad Zwischenahn sollte ein absurdes Schauspiel liefern. Aufgabe des Alleinunterhalters, der sich mit Gelegenheitsjobs über Wasser hielt, war es den Terrorplänen zufolge, entweder für Bundeskanzler Olaf Scholz oder Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier einen Schauspieler als Double zu organisieren. In einer Livebotschaft an das deutsche Volk sollte dann verkündet werden, dass die Gesetze der Bundesrepublik nicht mehr gelten. Daraufhin sollte eine "konstituierende Versammlung" Grundlage für einen neuen Staat liefern.

Die Ermittler rechnen ihn und Elisabeth R. zum "administrativen Zweig" der Terrorgruppe. In der Corona-Zeit hatte H. sich radikalisiert, er hatte als Youtuber auch Gesprächsformate mit Ärzten aus der "Querdenker"-Szene organisiert – etwa mit Bodo Schiffmann oder Carola Javid-Kistel. Aus seiner früheren Berufstätigkeit in der Finanzbranche hatte er Fotos von Firmenfesten von sich mit den Stargästen Boris Becker oder Sarah Connor auf Facebook geteilt. In einem "Veteranen"-Kanal hatte er ein Bild gepostet: "Entspannt in den Blackout", versehen mit dem Hinweis: "Kleiner Tipp. Bereitet Euch lieber vor!"

Der Buchhalter für die Lauterbach-Entführung: Sven B. räumte nach der Festnahme früh die Vorwürfe ein. Er sollte die Entführung von Karl Lauterbach leiten. Dafür soll die Gruppe auch in Kauf genommen haben, dass Personenschützer sterben könnten. B. sollte zudem die "konstituierende Versammlung" absichern. Sven B. war sehr präsent in den Kanälen von "Tag X" und "Vereinte Patrioten" auf Telegram. Dort sollte er ausloten, wer noch mitziehen könnte. Der zuletzt als Buchhalter tätige B. hatte in der NVA gedient und schwärmte auf Telegram von der alten Zeit. Er schrieb auch, er habe jetzt ein Ziel, für das es sich zu sterben lohne.

Festgenommen wurde der damals 54-Jährige in seinem Haus in Falkensee in Brandenburg. Er ist verheiratet und hat zwei erwachsene Kinder. Im selben Ort ist auch Brandenburgs Gesundheitsministerin Ursula Nonnemacher (Grüne) zu Hause. Einmal postete B. ein Foto ihres Briefkastens, auf den er das Bild eines Kindes mit der Aufschrift, dieses sei wegen der Corona-Auflagen "depressive Selbstmordkandidatin" geklebt hatte. An seinem eigenen Briefkasten klebt der Hinweis: "Ich lass mich nicht impfen." Auf dem Weg zu einer nicht genehmigten Demo "Pfingsten in Berlin" mit anderen Veteranen war er von Polizisten gestoppt und verletzt worden.

B. wollte laut Bundesanwaltschaft mit einem weiteren Mitglied der Gruppe, Thomas O., mehrere Tonnen Waffen und Sprengstoff aus dem ehemaligen Jugoslawien einführen, hatte dafür eigenes Geld aufgebracht und weitere Gelder aufgetrieben. Er ist deshalb auch wegen Terrorfinanzierung angeklagt.

Der Matrose für den Blackout: Thomas O. diente bis zur Wende auf dem Küstenschutzschiff "Berlin" der 4. NVA-Flottille, schied als Stabsmatrose aus und schwärmte in Veteranen-Kanälen immer wieder von der NVA und den Kameraden. Der aus Thüringen stammende und in Zweibrücken in der Pfalz lebende Mann sollte für die Sabotageakte verantwortlich sein, heißt es laut Anklage: Um einen Blackout auszulösen, kundschaftete er demnach Knotenpunkte für Anschläge aus und beschaffte sich Kartenmaterial zur Strominfrastruktur. Er wurde festgenommen, als er einem verdeckten Ermittler Silber und Gold im Wert von 12.000 Euro übergeben hatte. Mit dem Geld wollte er zwei Kalaschnikow-Sturmgewehre sowie vier Glock-Pistolen und Munition kaufen.

Der Mitläufer mit den Waffen: Thomas K. soll im Gegensatz zu den anderen vier Angeklagten keine zentrale Rolle gehabt haben. Anders als sie war er auch nicht für einen Posten in der neuen Regierung nach dem Umsturz vorgesehen. Der Mann aus dem niederbayerischen Kreis Landshut brachte aber Waffen ein. Bei ihm fand die Polizei überall in der Wohnung verteilt Schusswaffen sowie Teile von Schusswaffen. Er sollte auch bei den Sabotageakten für den Blackout eine wichtige Rolle spielen, heißt es.

Der Fallschirmjäger mit Beziehungen: Auch bei Peter Wörner hatte es im April eine Durchsuchung gegeben: einem früheren Fallschirmjäger der Bundeswehr, der Überlebenstrainings anbot und auch in der Holocaustleugner-Szene vernetzt ist. Er galt zunächst nur als Zeuge. Seine Festnahme erfolgte erst später. Er soll Mitglied einer zweiten Gruppe sein, die im Dezember aufflog und in deren Zentrum Heinrich XIII. Prinz Reuß, der frühere Oberst Maximilian Eder und die frühere AfD-Bundestagsabgeordnete Birgit Malsack-Winkemann stehen. Auch gegen diese Gruppe wird wegen des Verdachts auf Bildung einer terroristischen Vereinigung ermittelt. Sie soll einen Sturm auf den Reichstag geplant haben. Anklage wurde bislang noch nicht erhoben.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherchen
  • generalbundesanwalt.de: "Anklage gegen fünf mutmaßliche Mitglieder einer terroristischen Vereinigung erhoben"
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