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Prozess um Compact-Verbot in Leipzig: Für Jürgen Elsässer war vieles nur PR


Prozess zu "Compact"-Verbot
Elsässer: "Heute ist ein Feiertag"


Aktualisiert am 11.06.2025 - 20:59 UhrLesedauer: 6 Min.
Mit Security: Jürgen Elsässer vor dem Bundesverwaltungsgericht.Vergrößern des Bildes
Mit Security: Jürgen Elsässer vor dem Bundesverwaltungsgericht. (Quelle: Lars Wienand)
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In Leipzig geht es um die Frage, ob das Magazin "Compact" verboten wird. Um das zu verhindern, verteidigt sich Verleger Jürgen Elsässer damit, dass die heftigsten Formulierungen oft nur PR für Leser und Spender seien.

"Heute ist ein Feiertag", sagt Jürgen Elsässer. Der Verleger und Chefredakteur des rechtsextremen "Compact"-Magazins sitzt am Dienstag im prächtigen Großen Sitzungssaal des Bundesverwaltungsgerichts vor der Bank der Richter, die über das "Compact"-Verbot zu entscheiden haben. "Heute feiere ich den zweiten Hochzeitstag mit meiner Frau." Stephanie Elsässer bekommt ein Küsschen.

Die Szene in Leipzig kurz vor Beginn der Verhandlung könnte Teil einer Strategie sein: Der 68-Jährige will sich harmlos zeigen, um die "Todesstrafe" abzuwenden. Die "Todesstrafe" bedeutet ihm zufolge nämlich für "Compact" das, was das Bundesinnenministerium (BMI) nach "einseitigen Ermittlungen" beantragt hat: eine Verbotsverfügung. Die 243 Seiten als Ergebnis der "Ermittlungen" hatte Elsässer am 16. Juli 2024 morgens um 6 Uhr überreicht bekommen, da war er noch im Morgenmantel. Die damalige Bundesinnenministerin Nancy Faeser ging wenig später an die Öffentlichkeit: "Ich habe heute das rechtsextremistische 'Compact'-Magazin verboten."

Innenministerium führt am Mittwoch "Compact"-Zitate vor

Seit Dienstag geht es am Bundesverwaltungsgericht darum, ob das Verbot mit seinen Argumenten Bestand hat. "Compact" lehne die verfassungsmäßige Ordnung ab und weise eine verfassungsfeindliche Grundhaltung auf, hatte das BMI erklärt. Das Magazin verbreite antisemitische, rassistische, minderheitenfeindliche, geschichtsrevisionistische und verschwörungstheoretische Inhalte. Bescheinigt wird eine aggressiv-kämpferische Haltung gegenüber der verfassungsmäßigen Ordnung.

Es ging nach dem ausgesprochenen Verbot zunächst schnell weiter, weil das Bundesverwaltungsgericht den Vollzug im August 2024 vorläufig aussetzte. Auf die Eilentscheidung, die verhindern sollte, dass vorschnell Fakten geschaffen werden, folgt jetzt die gründliche Prüfung. Für den Mittwoch ist angekündigt, dass Walter Roth, Anwalt des Bundesinnenministeriums, beispielhafte Zitate zeigt. Roth sollte auswählen, was er für "Blattschüsse" hält, also besonders aussagekräftige Zitate. Die "Compact"-Seite erwidert darauf. Roth hat bereits am Dienstag einige Zitate vorgelesen: Von der Regierung werde das eigene Volk bis zur Unkenntlichkeit vermischt, heißt es da, vom "Volkstod" ist die Rede, von "ausländischen Kindern mit deutschem Pass". Derartige Formulierungen seien nicht auf eine harmlose Weise zu verstehen.

"Warum sollten wir Muslime nicht integrieren können"

Aber einseitig ausgewählt seien die Zitate, beklagen die Elsässers. Sie wollen die andere Seite zeigen: Ihr Anwalt spricht von einer 26-seitigen Belegliste zu Passagen, in denen sich "Compact" von verfassungsfeindlichen, islamfeindlichen oder antisemitischen Äußerungen distanziert habe. "Ich halte nichts von einem ethnischen Volksbegriff", erklärt Elsässer in der Verhandlung. Und: "Warum sollten wir Muslime nicht integrieren können?"

Und sie behaupten nun, vieles nicht so zu meinen: Sie hätten kein Problem mit Ausländern, viele Aussagen dienten nur dem Verkauf des Heftes. Es sei auch ein "Grundirrtum, 'Compact' und auch mich als rechts oder rechtsextrem einzustufen", sagt Elsässer. Im Saal grummeln jetzt unter den 200 Zuhörern einige, die den Elsässers beim Eintreffen applaudiert haben. Das Ehepaar sagt einiges, was den vielen ihrer Leser so nicht gefallen dürfte.

Viele Zitate seien "in der Hitze der Jahre 2014, 2015, 2016 gefallen, als das Thema offene Grenzen sehr präsent war", so Elsässer. Da seien sie nicht einmal beobachtet worden, "erst, als Hans-Georg Maaßen geschasst wurde". "Knallig" sei die Sprache, "einige Begriffe schmecken uns auch nicht", erklärt seine Frau.

Er wiederum versichert: "Was zitiert wurde, ist nicht 'Compact'. Das ist vielleicht irgendwo mal geschrieben worden." Doch tatsächlich stammen die Zitate aus "Compact" und aus Compact-TV. Der Vertreter des Bundesinnenministers korrigiert auch noch, der Großteil der Äußerungen sei jüngeren Datums.

Elsässer: Migration kein wichtiges Thema mehr für Compact

Einer der "Compact"-Anwälte liefert aber auch dafür eine Erklärung. Vertreten werden die Elsässers zum einen von Ulrich Vosgerau, der als Teilnehmer beim Geheimtreffen von Rechtsextremen in Potsdam im November 2023 bekannt wurde und von dem sich die Vereinigung Deutscher Staatsrechtslehrer distanziert hat. Zum anderen ist Laurens Nothdurft für sie tätig, AfD-Kommunalpolitiker, Bürgermeister von Rosslau und früher in der 2008 verbotenen "Heimattreuen Deutschen Jugend". Nothdurft spricht von der "Angewiesenheit auf polemische Äußerungen in aggressiver Sprache": Für wirtschaftlichen Erfolg müsse das Medium Aufsehen erregen und sich "scharfer Sprachbilder" bedienen.

"Compact"-Chef Elsässer überrascht damit, dass Migration inzwischen kein wichtiges Thema sei, weil mit Corona eine neue Epoche begonnen habe. Dreimal sei Migration nur noch auf der Titelseite gewesen. Der Verfassungsschutz habe die "thematische Neubesetzung gar nicht kapiert".

Stephanie Elsässer hat zur Verhandlung noch Unterlagen eingereicht, in denen sie so gar nicht fremdenfeindlich erscheint. Auf eine kritische Mail aus ihrem früheren Bekanntenkreis schrieb sie demnach, dass sie zeitweise zwei Afrikanerinnen bei sich aufgenommen habe, einen Somalier und einen Eritreer. Sie sagt auch, sie distanziere sich entschieden von Martin Sellner. Elsässer nennt ihn am Mittwoch "in der Praxis ein Held, das betrifft nicht seine Theorie". Sellners zentrales Konzept eines Ethnopluralismus, also Völkervielfalt bei ethnisch weitgehend homogenen Staaten betont, teile er nicht. Für die Frage des Verbots ist das ein zentraler Punkt.

Der Verleger, der ein Sonderheft mit Sellner produziert, gibt an, er habe sich die zentralen Videos von Sellner zu Remigration nicht angeschaut. Was ihm daraus zugetragen worden sei, habe ihn misstrauisch gemacht. "Ich verstehe unter Remigration etwas anderes, die Rückführung Krimineller."

Stephanie Elsässer will ihre Toleranz herausstellen: Ihr liebster Mitarbeiter, so sagt sie, lebe mit einem Mann zusammen. Ein anderer sympathisiere mit der FDP und wolle dort eintreten, ein weiterer sei bei der Basis. Ein Mitarbeiter mit NPD-Vergangenheit, dessen Identität durch einen "hochnotpeinlichen" Fehler des Anwaltsteams öffentlich wurde, sei durch ihren Mann beim Magazin "resozialisiert" worden.

Es soll zeigen, dass man nur ein normales Medienunternehmen sei, keine Bewegung, keine Vereinigung mit verfassungsfeindlichen Zielen. "Zwar deutlich außerhalb des Mainstreams", und "Journalismus mit Haltung", aber ein "lupenreines Presseunternehmen", so Anwalt Nothdurft.

Elsässer: "Ich habe unsere Rolle überhöht"

Das könnte im Widerspruch stehen zur Äußerung von Elsässer im Jahr 2018: "Alle zusammen in großer Einheit: Pegida, IB, AfD, Ein Prozent, 'Compact'! Fünf Finger, alle kann man einzeln brechen, aber alle zusammen sind eine Faust!" Der Vorsitzende Richter weist auf ein anderes Zitat hin: "Wir wollen das Regime stürzen", hieß es von "Compact". Ein Anhaltspunkt für eine Vereinigung, die kämpferisch-aggressiv agiert, wo folglich das Vereinsrecht zum Tragen kommen kann?

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Auch solche Äußerungen relativiert Elsässer jetzt. Das sei nur PR-Sprech gewesen. In seinen Jahren im Journalismus habe er gelernt, wie man sich als randständiges Medium ins Gespräch bringe. "Ich habe unsere Rolle überhöht, als ob wir Teil einer Bewegung wären." Bei einer Spendengala sei das hilfreich. Der Einfluss sei aber nur publizistisch. "Wir sind nur ein Medienhaus, wir organisieren nichts."

Eine Veranstaltungsreihe mit Bühnen im ostdeutschen Landtagswahlkampf soll auch nur Eigenwerbung gewesen sein. "Wir können nirgendwo Anzeigen schalten und hatten noch 100.000 Euro auf der hohen Kante." Die Angabe ist auch bemerkenswert, weil Elsässer damals um 91.000 Euro Spenden warb zur Finanzierung der Tour mit "'Compact' und AfD zum Anfassen". Die Tour hieß "Blaue Welle", während das "Compact"-Logo rot ist.

Wenn es nach den Vorstellungen von Elsässer und seinen Anwälten geht, müssen sie gar nicht hoffen, dass die Verharmlosung das Gericht überzeugt. Im Hinblick auf das Verbot stellt sich nämlich noch eine ganz andere Frage: Ist es überhaupt zulässig, dass die Regierung mit dem Instrument des Verbots einer Vereinigung nach dem Vereinsgesetz faktisch ein Pressemedium untersagt hat? Dabei geht es um die grundsätzlichere Frage: In welchem Verhältnis stehen Vereinsverbot und Pressefreiheit? Für Vereinsverbote ist der Bund zuständig, die Hoheit über Medien haben in Deutschland die Länder. Ein dauerhaftes Totalverbot, das mit dem Vereinsverbot verbunden ist, kennen die Mediengesetze nicht.

Es kann aber nicht gewollt sein, das auszuschließen, sagt BMI-Anwalt Roth, der zur Begründung an die Anfänge des Grundgesetzes zurückging. "Die verhängnisvolle Rolle extremistischer Verlage beim Kampf gegen die Weimarer Republik war den Vätern und Müttern des Grundgesetzes gut bekannt. Nichts hat denen ferner gelegen als eine ausnahmslose Unterschutzstellung von Medienunternehmen."

Vosgerau sieht darin eine Grundsatzfrage zur Presse- und Meinungsfreiheit. Er kündigte an, vor Bundesverfassungsgericht und Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte zu ziehen, wenn die Leipziger Richter das Verbot nicht kippen. Das Bundesinnenministerium hat diese Möglichkeiten nicht, wenn "Compact" gewinnt.

Entscheiden wird sich das am 24. Juni. Am Ende des zweiten Prozesstags verkündete der Vorsitzende Richter Ingo Kraft, dass der Senat in den nächsten Tagen beraten und an dem Tag verkünden wird. Für Elsässer wird es wieder ein Tag zum Feiern sein – oder zum Trauern.

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