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Rassismus in Deutschland: Das Coronavirus macht die Unauffälligen auffällig


Angst vor Coronavirus
Dieses Verhalten ist Rassismus

MeinungEin Gastkommentar von Trang Dang

Aktualisiert am 19.02.2020Lesedauer: 3 Min.
Meinung
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Eine junge Asiatin will sich mit einer Atemschutzmaske vor einer Coronavirus-Infektion schützen: Sie ist keine Chinesin!Vergrößern des Bildes
Eine junge Asiatin will sich mit einer Atemschutzmaske vor einer Coronavirus-Infektion schützen: Sie ist keine Chinesin! (Quelle: imago-images-bilder)

Das Coronavirus hat seinen Ursprung in China. Die gefährliche Epidemie schürt Ängste und Vorurteile. Warum das in Deutschland zum Problem wird, beschreibt Fernsehjournalistin Trang Dang für t-online.de.

"Sie haben mich doch hier gesehen! Ich habe gearbeitet. Ich war seit Wochen nicht im Urlaub!" Dieser Satz ist in den vergangenen drei Wochen sehr oft bei meiner Nachbarin mit vietnamesischen Wurzeln gefallen. Sie führt eine kleine Schneiderei und einen Paketshop in einer westdeutschen Stadt. Zu ihr kommen für gewöhnlich Stammkunden aller Altersklassen. Doch häufiger kam es in letzter Zeit dazu, dass Kunden und Kundinnen Termine absagen – gerade die Älteren, weil sie Angst vor einer Ansteckung mit dem Virus "Covid-19" haben.

Die Sorge um das Geschäft ist nicht das einzige, das meine Bekannten aus der vietnamesischen Community umtreibt. Auch das gesellschaftliche Klima scheint durch die Gefahr einer Pandemie zu kippen. Was passiert, wenn dieser Virus nicht bald eingedämmt wird?

Nicht nur in meinem Bekanntenkreis machen Menschen mit asiatischem Aussehen die Erfahrung, dass andere Menschen ihnen aus dem Weg gehen – aus der pauschalen Angst vor einer Ansteckung mit einer Krankheit, die ihren Ursprung in China hatte. Meine Familie stammt aus Vietnam, auch uns trifft diese Generalisierung: "Weil wir eben Asiaten sind", sagte meine Mutter, die Gastronomin ist schlicht.

Nicht jeder Asiate ist Chinese – und nicht jeder Chinese ist erkrankt

In Deutschland erhält die Antidiskriminierungsstelle des Bundes zunehmend mehr Anfragen von Menschen asiatischer Herkunft. Für die Beratungsstelle sei das "außergewöhnlich". Allein in der vergangenen Woche meldeten sich 19 Betroffene. Auch in der nationalen und internationalen Berichterstattung kommen immer mehr Menschen mit asiatischen Wurzeln zu Wort. Viele sagen Dinge wie "ich komme nicht aus China" oder "ich war seit Wochen nicht in China" oder gar "ich war noch nie in Asien, geschweige denn in China".

Asiatische Züge machen aus einer Person noch keinen geborenen Asiaten. Schon gar nicht ist man automatisch ein Chinese. Uns selbst wenn: Auch Chinesen sind nicht automatisch mit dem Coronavirus infiziert. Es geht nicht darum, die Ansteckungsgefahr klein zu reden – dieser neuartige Virus ist ernst zu nehmen. Keine Frage!

Dennoch wird dieser Tage ein neues Phänomen sichtbar: Menschen asiatischer Herkunft sprechen "offen" über ihre Gefühle und ihre Betroffenheit. Und das obwohl sie in diesem Land eigentlich als die Einwanderergruppe der Fleißigen, Unauffälligen, Gefühlskalten und oft auch Unsichtbaren gelten. Das mediale Bild ist seit Jahren geprägt von Eigenschaften, die die Menschen – zu denen ich mich auch zähle – nicht als Individuen zeigen, sondern als homogene Gruppe.

Selbst jene, die glücklicherweise bisher noch keine Diskriminierung erfahren haben, sagen, der Umgang mit der asiatischen Community in Zeiten des Coronavirus belaste sie. Die Betroffenen – nicht von der Krankheit, sondern von Ressentiments – verschaffen sich Gehör. Die Erfahrung der Ausgrenzung macht etwas mit einem – deshalb ist es wichtig, ihre Stimmen anzuhören. Sie machen aufmerksam auf Unrecht.

Mit den Hashtags #ichbinkeinvirus, #iamnotavirus oder #jenesuispasunvirus haben sie ihre Stimmen über die sozialen Netzwerke hinaus erhoben. Und dennoch: In den Medien – auf Titelblättern im In- und Ausland – wird das Bild einer "gelben Gefahr" gezeichnet. Und ganz schnell gilt: Asiate ist gleich Asiate.

Es geht hier um Rassismus

Dabei ist es nicht schwer, Menschen auseinanderzuhalten: Generell hilft es, einander zu fragen und zuzuhören. Wichtig ist aber auch das gezielte Hinterfragen. Gerade sehen wir wozu es führt, wenn wir uns von Angst leiten lassen. In diesem Fall vor einer Ansteckung. Nämlich zu sozialer Ausgrenzung und Diskriminierung: In Bahnen. An Hochschulen. In Arztpraxen. In Flugzeugen. Zu "Coronavirus! Verschwinde!"-Schmierereien an einem Schaufenster eines japanisches Restaurants. So wie es etwa in Frankreich geschehen ist. Oder dazu, dass Kunden fernbleiben. Wie in meiner Nachbarschaft – hier in Deutschland.

Wir sprechen hier von Rassismus – auch wenn es einigen nicht passt, dass dieser Begriff an genau dieser Stelle diskutiert wird. Aber es geht nun einmal nicht nur um das Coronavirus, sondern um die Summe der Mikroaggressionen, die sich aus vorangegangenen, diskriminierenden Erfahrungen zusammensetzt. Denn für viele Menschen, die sich selbst als Teil der deutschen Gesellschaft verstehen, bleibt das Gefühl nicht dazuzugehören. Trotz immenser Anstrengungen sich zu integrieren, fürchten sie in dieser Situation, dass sie doch nur Bürger zweiter Klasse sind.

Viele, mit denen ich mich aus meinem Bekanntenkreis austausche, wünschen sich ihren normalen Alltag zurück Sie wollen wieder unbedacht öffentlich husten ohne Angst zu haben vor den Blicken oder gar Kommentaren der Umstehenden. Ebenso wünschen sie sich eine Rückkehr zur sachlichen Diskussion und fundierte Informationen über das Coronavirus. Denn es geht um eine Krankheit, nicht um eine ethnische Gruppe.

Trang Dang ist als Fernsehjournalistin tätig und setzt sich vor allem in den sozialen Medien viel mit dem Thema Rassismus auseinander.

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