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Norwegen: Steinadler greift Kleinkind an – Experten sind ratlos


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Adler greift Kind an
"Tauchte aus dem Nichts auf und krallte sich unsere Tochter"


Aktualisiert am 09.09.2024Lesedauer: 4 Min.
Steinadler können mit Windrädern zusammenstoßen und getötet werdenVergrößern des Bildes
Steinadler: Menschen stehen eigentlich nicht auf ihrer Beuteliste. (Quelle: Thinkstock by Getty-Images-bilder)

Horrorszenario in Norwegen: Ein Steinadler hat ein Kleinkind aus der Luft angegriffen. Es ist bereits der vierte Angriff binnen einer Woche.

In Norwegen löst eine Serie rätselhafter Angriffe von Steinadlern auf Menschen Unruhe aus. Innerhalb einer Woche soll es vier solcher Attacken gegeben, wie der öffentlich-rechtliche Sender NRK berichtet. Ein Experte betont, dass Angriffe des majestätischen Raubvogels auf Menschen äußerst ungewöhnlich sind.

Der jüngste Vorfall ereignete sich den norwegischen Medienberichten zufolge am Samstag in der Gemeinde Svorkmo in der Region Trøndelag. Ein Steinadler griff offenbar ein 20 Monate altes Kleinkind an und verletzte es am Kopf. Das Kind spielte demnach auf dem Familienbauernhof, als der Raubvogel sich plötzlich näherte.

"Der Adler ist aus dem Nichts aufgetaucht und hat sich unsere jüngste Tochter gekrallt", sagte der Vater des Mädchens später auf NRK. Er selbst war bei dem Vorfall nicht anwesend, die Mutter habe sich auf den Vogel gestürzt und ihn festgehalten, "aber sie musste kämpfen, damit er losließ". Ein Nachbar sei ebenfalls eingeschritten und habe Verletzungen erlitten.

Das kleine Mädchen musste am Hinterkopf genäht werden, wie auch auf Bildern in den Medien zu sehen ist. Außerdem erinnern Kratzer in seinem Gesicht an die Attacke des Steinadlers. Der Raubvogel wurde abgeschossen. Der Jagdaufseher Per Kare Vinterdal erklärte, dass der Adler das Mädchen wie "ein Beutetier" behandelt habe. Der Mutter und einem Nachbarn sei es zuvor gelungen, den Steinadler mit einem Holzbrett auf Abstand zu halten, doch der Greifvogel sei immer wieder zurückgekehrt.

Vier Angriffe – was steckt dahinter?

Drei ähnliche Angriffe auf Menschen, angeblich von einem Greifvogel, die auch Verletzungen erlitten, ereigneten sich am Dienstag in der Gemeinde Tyin, am Donnerstag in Glittertind und am Freitag in Holtålen. Die Orte liegen mehrere hundert Kilometer auseinander. Norwegischen Experten sind sich nicht einig, ob es sich bei den Angriffen um denselben Vogel handeln könnte.

Alv Ottar Folkestad hat sich die Bilder aller vier Angriffe angesehen und das Verhalten der Steinadler beim Sender NRK als "abnormal" bezeichnet. Seinen Aussagen zufolge handelt es sich dabei um sehr junge Steinadler. Der Adler beim jüngsten Angriff auf das Kind sei erst ein Jahr alt gewesen und habe noch nicht mit der Jagd begonnen. Warum die Adler aggressiv gegenüber Menschen sein könnten, das kann der Experte bislang nur vermuten.

Die Angriffe der vergangenen Woche haben laut Experte Folkestad nichts mit dem Jagdinstinkt der Raubvögel zu tun. Auch aus Hunger griffen die Vögel nicht an, da sie Menschen nicht als Beute betrachten. Der Adler könne zwar Angst bekommen, wenn man ihm in der Natur zu nahe kommt, aber dass ein Kind inmitten mehrerer Menschen in einem Hof attackiert wird, sei sehr ungewöhnlich. Möglicherweise sei das Tier krank gewesen oder habe sich in der Defensive gesehen, so der Experte.

Kann ein solcher Angriff auch in Deutschland passieren?

Oliver Krone, Greifvogelexperte am Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung in Berlin, mahnt, solche Meldungen insgesamt mit Vorsicht zu genießen – "gerade jetzt im Sommerloch". Erst einmal müsse man hier klären, ob der Angriff tatsächlich von einem Greifvogel kam. Adler und deren angebliche Angriffe hätten in der Vergangenheit in Norwegen häufig als Stellvertreter für Verletzungen bei kleinen Kindern herhalten müssen, "weil man etwas anderes verdecken wollte. So ähnlich wie bei uns der Wolf, der in der Geschichte für alle möglichen Gräueltaten herhalten musste."

Laut Krone sind Angriffe von Adlern auf Menschen "kaum glaubwürdig". Steinadler seien zwar sehr kräftig und auf die Jagd von Säugetieren und Vögeln spezialisiert, "aber wenn wir davon ausgehen, dass hier tatsächlich ein Kleinkind verletzt wurde, müssen wir uns auch fragen, warum der Säugling allein unterwegs war. Und er muss allein gewesen sein, denn Steinadler würden niemals zwischen Menschen heruntergehen. Die Fluchtdistanz der Adler beträgt mehr als 500 Meter."

Den norwegischen Berichten zufolge soll zumindest die Mutter bei dem Angriff auf das Kleinkind im Hof dabei gewesen sein. Auch die Nachbarn und der Vater sollen den Greifvogel später noch gesehen haben. Der abgeschossene Adler wird nun vom norwegischen Institut für Naturforschung untersucht.

Steinadler sind im Norden Deutschlands ausgerottet

Ist ein solcher Angriff auch bei uns in Deutschland denkbar? Krone sagt klar nein. Die traurige Wahrheit: Steinadler sind im Norden Deutschlands noch immer ausgerottet. "Die 47 bis 49 Brutpaare, die es bei uns gibt, sind allein auf den Alpenraum konzentriert", erklärt der Experte.

Unsere Kulturlandschaft sei zu stark zerschnitten, es existieren Stromleitungen und Windkraftanlagen, die eine große Gefahr darstellen. Und da pro Brutsaison nur ein Jungvogel das Nest verlässt, sind die Überlebenschancen gering. "So hatten wir in den letzten Jahren zwei tote Steinadler in Norddeutschland registriert", so Krone. "Der eine ist von einer Windkraftanlage getötet worden, der andere in einer Stromleitung. Beide Adler waren Jungadler auf der Jugendwanderung. Sie kamen aus dem Baltikum."

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