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Wolfgang Vogel: Der Menschenhändler von Honecker mit dem goldenen Mercedes


Honeckers Menschenhändler
Der DDR-Anwalt mit dem goldenen Benz


Aktualisiert am 01.04.2024Lesedauer: 3 Min.
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Erich Honecker (l.) überreicht Wolfgang Vogel (r.) den Orden "Stern der Völkerfreundschaft". (Quelle: Getty Images / ullstein bild Dtl. / Kontributor/getty-images-bilder)

Der Austausch von Agenten zwischen Ost und West ist heutzutage vor allem Stoff für Hollywoodfilme. Doch Wolfgang Vogel machte daraus ein Geschäft – und verdiente Millionen.

Francis Gary Powers wurde am 1. Mai 1960 über sowjetischem Hoheitsgebiet abgeschossen und in Gefangenschaft genommen. In Moskau wurde er in einem Schauprozess als Spion verurteilt. Es war der Startschuss für neue Beziehungen zwischen Ost und West – von denen ein Mann im Hintergrund besonders profitierte.

Am 10. Februar 1962 war Powers Teil des ersten und wohl berühmtesten Agentenaustauschs im Kalten Krieg. Er marschierte über die Glienicker Brücke von Potsdam nach Berlin, von Ost nach West. Rudolf Iwanowitsch Abel, der in den USA Atomgeheimnisse ausspioniert hatte, ging in die entgegengesetzte Richtung. Der Film "Bridge of Spies" von Steven Spielberg erzählt die Geschichte des Austauschs. Auch Wolfgang Vogel wird in dem Film porträtiert. Doch die Geschichte des DDR-Anwalts mit dem goldenen Benz geht hier erst richtig los.

Verbindungen nach Ost und West

Der Handel verschaffte Vogel, der als Anwalt sowohl in Ost- als auch in West-Berlin praktizieren durfte, auf beiden Seiten Respekt. Fortan wurde er immer wieder für den Austausch von Agenten konsultiert. Bis zum Mauerfall war er an der Freilassung von 150 Agenten beteiligt.

Aber Vogel tauschte nicht nur Agenten aus. Aufgrund seiner Verbindungen zu beiden Seiten war er am Häftlingsfreikauf politischer Gefangener in der DDR maßgeblich beteiligt. Für 33.755 Menschen zahlte die Bundesrepublik zwischen 1964 und 1989 Geld, um ihre Freilassung zu erwirken. Vogel nahm dabei die Rolle des Vermittlers ein.

Bundesrepublik zahlte für DDR-Doping

Häftlinge zu verkaufen, wurde fester Bestandteil der Einnahmen der DDR und trug zur ökonomischen Stabilisierung bei. Neben Luxusgütern für die politische Führung soll mit dem Geld auch das Zwangsdopingsystem der DDR finanziert worden sein. Etwa 50 Millionen Mark aus dem Häftlingsfreikauf sollen dem Historiker Matthias Judt zufolge in Gerätschaften investiert worden sein, die dem Sportsektor zugutekamen.

Häftlingsfreikauf

Zwischen 1962 und 1989 kaufte die Bundesrepublik immer wieder politische Gefangene der DDR frei. Bis 1989 zahlte die Bundesregierung hierfür fast 3,5 Milliarden D-Mark an die DDR. Neben Vogel nahm bei den streng geheimen Abkommen auch die evangelische Kirche eine wichtige Rolle ein.

Und auch Wolfgang Vogel verdiente fleißig mit. Von beiden Seiten erhielt er ein festes Jahreseinkommen, das sich insgesamt auf knapp 500.000 Mark belief. Zusätzlich zu den Einnahmen durch seine Mandanten machten diese Geschäfte ihn zu einem reichen Mann und gefragten Anwalt.

Das trug Vogel auch nach außen. Auf den Straßen Ost-Berlins fuhr er mit einem goldenen Mercedes-Benz durch die Gegend. Gleich mehrere solcher Autos besaß er über die Jahre. Sein Mercedes 300E aus dem Jahr 1985 ist heute im Besitz eines Sammlers aus Leipzig.

Befreier oder Menschenhändler

Vielen Menschen verhalf seine Arbeit zur Freiheit, und dennoch ist Vogels Arbeit bis heute umstritten. Er sei ein Menschenhändler gewesen, so lautet der Vorwurf, zumal einer mit besten Verbindungen zur Stasi und zur Spitze des DDR-Apparates, bis hin zu Erich Honecker.

Aber auch in den Westen pflegte Vogel enge Kontakte. So traf er sich regelmäßig mit Herbert Wehner, als dieser Bundesminister für gesamtdeutsche Fragen war, ebenso mit Helmut Schmidt, auch über dessen Amtszeit hinaus. Der Draht zur Bundesregierung riss nie ab. Daher war es auch Wolfgang Vogel, der 1989 eine wichtige Rolle bei den Vorkommnissen in der Prager Botschaft einnahm. Damals an seiner Seite: Gregor Gysi. Die beiden halfen bei der Vermittlung, als ausreisewillige DDR-Bürger vor der bundesdeutschen Botschaft kampierten.

"Meine Wege waren nicht weiß und nicht schwarz"

Nach der Wiedervereinigung wurde Vogel in mehreren Punkten, unter anderem wegen Erpressung ausreisewilliger DDR-Bürger, angeklagt. Dabei räumte er ein, zeitweise inoffiziell für das Ministerium für Staatssicherheit (MfS) gearbeitet zu haben.

1996 wurde er wegen Meineids und Falschbeurkundung verurteilt. Von allen anderen Anklagepunkten, wie dem Vorwurf, er sei ein Stasi-Offizier im besonderen Einsatz (OibE) gewesen, wurde Vogel 1998 freigesprochen.

2008 starb er im Alter von 82 Jahren. Überliefert ist von ihm der Satz: "Meine Wege waren nicht weiß und nicht schwarz. Sie mussten grau sein."

Verwendete Quellen
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