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Experte zu Militärhilfe: "Einzelne Waffensysteme sind keine Gamechanger"


Experte zu deutscher Militärhilfe
"Deutschland ist in einer Zwangslage"

InterviewVon Lisa Becke

Aktualisiert am 29.07.2022Lesedauer: 3 Min.
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"Modernstes Artilleriegeschütz der Welt": Das kann die deutsche Panzerhaubitze 2000. (Quelle: t-online)

Der Bund erlaubt dem Hersteller KMW, 100 Panzerhaubitzen für die Ukraine zu produzieren. Warum das Jahre dauern könnte, erklärt ein Militärexperte.

Die Nachricht sorgte am Mittwoch für Aufsehen: Die Bundesregierung hat dem Waffenhersteller Krauss-Maffei Wegmann (KMW) die Genehmigung erteilt, 100 Panzerhaubitzen 2000 für die Ukraine zu produzieren. Außerdem kamen in dieser Woche einige schwere Waffensysteme aus Deutschland in der Ukraine an. Was das bedeutet und ob es nun vorbei ist mit der deutschen Zögerlichkeit bei Waffen für die Ukraine, hat t-online den Experten Wolfgang Richter von der Stiftung Wissenschaft und Politik gefragt.

t-online: Das Rüstungsunternehmen KMW darf 100 Stück der Panzerhaubitze 2000 für die Ukraine produzieren. Ist der Knoten jetzt geplatzt und die viel kritisierte deutsche Zögerlichkeit bei den Waffenlieferungen Geschichte?

Wolfgang Richter: Das Narrativ von Deutschlands Zögerlichkeit ist mir zu einfach. Wir haben hierzulande das Problem, dass unsere Bundeswehr nicht voll ausgestattet ist. Dadurch ist es schwer, aus unserem aktiven Bestand etwas an die Ukraine abzugeben. Zwei Ziele stehen hier in Konkurrenz: an die Ukraine zu liefern und die Bundeswehr auf Stand zu bringen, damit sie ihre Bündnispflichten erfüllen kann. Das ist nicht einfach zu lösen, zumal die Industriekapazitäten begrenzt sind.

Wann werden die Panzerhaubitzen an die Ukraine geliefert werden können?

Es gibt bei den Panzerhaubitzen zwei Möglichkeiten: neue herzustellen oder ältere Systeme instand zu setzen und ihren Kampfwert zu steigern. Insgesamt muss man von Monaten oder eher von Jahren ausgehen, bis diese die Ukraine erreichen.

Wolfgang Richter ist Wissenschaftler für Sicherheitspolitik bei der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP). In seiner Forschung beschäftigt er sich unter anderem mit dem Verhältnis der Nato zu Russland sowie ungelösten Territorialkonflikten in Europa. Außerdem forscht er zu den Auswirkungen neuer Militärtechnologien auf Strategie, Kriegsvölkerrecht und humanitäre Rüstungskontrolle.

Wird das der Ukraine in diesem Krieg überhaupt noch etwas bringen? Wenn nicht, was ist die Strategie hinter dieser Genehmigung?

Es kommt darauf an, welches Szenario man im Kopf hat. Wenn man denkt, dass es keinen raschen Verhandlungsfrieden geben wird, hat diese Genehmigung natürlich ihre Berechtigung. Auch in einer Situation, in der es zu einem Frieden kommt, kann man beispielsweise daran denken, dass die Ukraine dann ihre Streitkräfte erneuern muss. Sie kann die Panzerhaubitzen also in jedem Fall gebrauchen.

Also ist es eine langfristige Entscheidung?

Ja. Inwiefern sie tatsächlich Einfluss auf den Kriegsverlauf haben wird, muss man dann bei gegebener Zeit beurteilen.

Bedeutet die Genehmigung für die Produktion, dass die Panzerhaubitzen am Ende auch tatsächlich ausgeliefert werden? Laut dem Rüstungsunternehmen KMW geht damit auch eine Exportgenehmigung einher.

Da kenne ich im Moment noch nicht genügend Details.

Zudem genehmigte die Bundesregierung laut KMW den Export von 30 Gepard-Panzern. Drei solcher Flugabwehrpanzer kamen in dieser Woche bereits in der Ukraine an, ebenso drei Mehrfachraketenwerfer vom Typ Mars II. Wie viel Einfluss werden diese jetzt auf den Kriegsverlauf haben?

Es gilt immer: Einzelne Waffensysteme sind keine Gamechanger. Das heißt, dass das Gefecht nicht durch das Duell einzelner Waffensysteme entschieden wird, sondern durch das Zusammenspiel aller wesentlichen Waffensysteme in einem taktischen Gefecht. Da muss man dann nicht nur berücksichtigen, wie modern diese sind, sondern auch, wie sie aufeinander abgestimmt zum Einsatz kommen, wie das Gelände beschaffen und wie der Gegner aufgestellt ist.

Gleichzeitig ist es aber schon so: Die Systeme, die nun von Deutschland geliefert wurden, werden lokal – dort, wo sie zum Einsatz kommen – auf jeden Fall einen Einfluss haben. Das sind beides sehr wirkmächtige Systeme.

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Wo steht Deutschland inzwischen bei den Waffenlieferungen im internationalen Vergleich?

Deutschland liegt da, wo viele andere Verbündete auch liegen – nicht schlechter als beispielsweise Frankreich. Dass die USA auf mehr Ressourcen zurückgreifen können, liegt in der Natur der Sache, denn die Vereinigten Staaten geben deutlich mehr für Rüstung aus. Das ist eine andere Hausnummer. Wir müssen hier außerdem die deutsche Zwangslage berücksichtigen, dass nämlich neben Lieferungen an die Ukraine die Bundeswehr ausgestattet werden muss, um die Bündnisverteidigung zu ermöglichen.

Und warum ist die Lieferung des Kampfpanzers Leopard noch immer ein rotes Tuch? Den will Deutschland partout nicht liefern.

Ich glaube nicht, dass der Kampfpanzer auch langfristig für den Westen eine politische rote Linie darstellt – was geliefert wird, wird vom Verlauf des Krieges abhängen. Aber es steht fest: Deutschland wird keinen Alleingang machen. Der Leopard hat eine typisch deutsche Signatur – das wäre ein Signal auch an Putin. Wenn es zur Lieferung von Panzern westlicher Bauart kommt, wird man das nur gemeinsam mit Frankreich, Großbritannien und den USA tun.

Vielen Dank für das Gespräch.

Verwendete Quellen
  • Telefongespräch mit Wolfgang Richter am 28.7.2022
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