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Ukraine meldet Erfolge: Kann das das Ende von Putins Invasion sein?


Kann das das Ende von Putins Invasion sein?

Von dpa, t-online, sje, jro

05.10.2022Lesedauer: 5 Min.
Wladimir Putin: Angesichts der aktuellen Rückschläge seiner Armee steht auch der russische Präsident immer mehr unter Druck.Vergrößern des BildesWladimir Putin: Angesichts der aktuellen Rückschläge seiner Armee steht auch der russische Präsident immer mehr unter Druck. (Quelle: ITAR-TASS/Sergei Karpukhin/imago-images-bilder)
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Die Ukraine meldet bemerkenswerte Geländegewinne im Krieg gegen die russischen Invasoren. Doch ein Faktor drängt – und könnte die Hoffnungen zunichtemachen.

Plötzlich scheint alles ganz schnell zu gehen: Während der russische Präsident Wladimir Putin nach Scheinreferenden am Mittwoch die Annexion der ukrainischen Gebiete Cherson, Saporischschja, Luhansk und Donezk besiegelte, meldet die Ukraine bedeutende Geländegewinne – und das teils in ebendiesen Gebieten.

Bei den russischen Truppen dagegen stehen die Zeichen auf Rückzug. Anlass genug zur Hoffnung auf ein baldiges Kriegsende?

In den vergangenen Tagen konnte die Ukraine vor allem in den Regionen um Charkiw im Osten und Cherson im Süden strategisch wichtige Fortschritte machen. Präsident Wolodymyr Selenskyj spricht von Erfolgen auch in Luhansk und Donezk. "Die ukrainische Armee dringt ziemlich schnell und kraftvoll vor bei der gegenwärtigen Verteidigungsoperation im Süden unseres Landes", sagte er in einer Videobotschaft am Dienstagabend. "Die Rückeroberung der Region Luhansk hat (...) begonnen", schrieb auch Serhij Gajdaj, der ukrainische Verwaltungschef der Region Luhansk, am Mittwoch im Nachrichtendienst Telegram.

Russen auf dem Rückmarsch

Die größten Erfolge zeigt die ukrainische Gegenoffensive dabei aktuell in der Region um die besetzte Stadt Cherson und der gleichnamigen Oblast. Gleich auf zwei Achsen, entlang der Flüsse Dnipro und Inhulez, zwangen die Ukrainer die russische Armee zum Rückzug in Richtung der Gebietshauptstadt. Zuvor mussten die russischen Truppen bereits in der benachbarten Oblast Dnipropetrowsk riesiges Gebiet räumen, nachdem ukrainische Truppen entlang des Flusses Dnipro gut 30 Kilometer hinter die russischen Linien vorgedrungen waren.

Die russischen Einheiten bedrohten dort monatelang die Großstadt Krywyj Rih, den Geburtsort von Präsident Wolodymyr Selenskyj. Doch durch den schnellen Vorstoß der Ukrainer waren sie auf einmal selbst in Gefahr, eingekesselt zu werden.

Nach dem eiligen Rückzug verläuft die Front nun keine 50 Kilometer mehr von der strategisch wichtigen Stadt Nowa Kachowka am Südende des Dnipro-Stausees entfernt. Und die ukrainischen Truppen marschieren jetzt nicht mehr nur von Westen, sondern auch von Norden her auf den Schwarzmeerhafen Cherson zu – die Stadt, eine der wichtigsten Stellungen der russischen Armee, gerät immer weiter unter Druck. Versorgungs- und Kommunikationslinien der russischen Truppen dort könnten unterbrochen werden, urteilt das US-amerikanische "Institute for the Study of War" in seinem täglichen Lagebericht.

Selbst von russischer Seite werden die Verluste anerkannt: Die Truppen würden sich dazu derzeit neu aufstellen, "um ihre Kräfte zu sammeln und einen Vergeltungsschlag auszuführen", zitiert die Nachrichtenagentur RIA den von Russland eingesetzten Vertreter der Region Cherson, Kirill Stremusow.

Beobachter werten das jedoch als das Eingeständnis einer Niederlage. "Übersetzung: Sie sind auf dem Rückzug. Die letzte 'Umgruppierung' kostete Russland fast die gesamte Region Charkiw", schreibt so zum Beispiel der Moskau-Korrespondent der "Financial Times", Max Seddon, auf Twitter.

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Der Kreml versucht unterdessen, das Bild geradezurücken: Russland werde sich die zurückeroberten Gebiete in den für annektiert erklärten Regionen zurückholen. Die Gebiete würden "für immer" russisch sein und "nicht zurückgegeben", sagte Sprecher Dmitri Peskow.

Wie in Charkiw, so in Cherson?

Doch der Druck auf die russische Führung steigt: Russische Militärblogger sprechen von einer "tiefen operativen Krise" und ziehen Parallelen zur Niederlage der eigenen Armee im Gebiet Charkiw im Nordosten der Ukraine. Dort durchbrachen ukrainische Truppen Anfang September ebenfalls durch schnelle Manöver die Schwachstellen der Front. Sie drangen tief in den russischen Rückraum ein und zwangen somit Moskau zu einem schmählichen Rückzug.

Russlands Problem: Auch an diesem Frontabschnitt gelingt es nicht, die Lage zu stabilisieren. Das Vorhaben der russischen Armee, sich nach dem weitgehenden Abzug aus dem Gebiet Charkiw entlang der Flüsse Oskil und Siwerskyj Donez festzusetzen, gilt als komplett gescheitert.

Nach der Rückeroberung von Kupjansk und Lyman im Donezker Gebiet kontrollieren die ukrainischen Streitkräfte das östliche Ufer der Flüsse bald vollständig. Das ukrainische Verteidigungsministerium berichtet aktuell, dass die eigenen Truppen bis zu 20 Kilometer hinter den Fluss Oskil in die russische Verteidigungszone vorgedrungen seien.

Als neue Ziele des ukrainischen Vorgehens sind bereits die Städte Swatowe und Kreminna im Visier. Die liegen im von Moskau eigentlich bereits komplett als erobert gemeldeten Gebiet Luhansk. Swatowe gilt als bedeutender Verkehrsknoten, der für die Versorgung der russischen Truppen in der Region wichtig ist. Mit dem neuesten Vorrücken nähern sich die ukrainischen Einheiten der Stadt und könnten die wichtige Straße zwischen Swatowe und Kreminna angreifen. Auch hier wäre dann die Versorgung der russischen Truppen wohl gefährdet.

Warten auf den General Wetter

Damit werden die Probleme der russischen Armee immer größer: Ihr mangelt es nicht nur an Nachschub für die Soldaten an der Front, sondern auch an Personal und an Kommunikationsmöglichkeiten.

Über mehr als 1.000 Kilometer erstreckt sich die Front inzwischen. Für die bisher dort eingesetzte professionelle Armee bedeutet dies selbst mit den Separatistenmilizen und Söldnern etwa der Wagner-Gruppe eine Überdehnung. Die eingesetzten Soldaten reichen einfach nicht aus, um überall präsent zu sein – und ehe die neuen Rekruten nach der Teilmobilisierung an der Front eintreffen, dürfte es wohl noch dauern.

Nach Experteneinschätzung reicht die Zahl der Reservisten ohnehin nicht aus, um das Kräfteverhältnis völlig umzukehren. Allerdings kann Moskau damit die Lücken stopfen, die sich derzeit auftun. Und dann setzt die russische Führung auf einen bewährten Verbündeten – auf die Generäle Herbst und Winter.

Die herbstlichen Wetterverhältnisse mit zunehmendem Regen und damit der berüchtigten Schlammperiode könnten die ukrainische Offensive zumindest verlangsamen. Zwar wären die russischen Truppen davon ebenso betroffen, jedoch könnte Russland in der Zeit neue Kräfte und Reservisten sammeln. Auch die russische Rüstungswirtschaft, die inzwischen mobilisiert wurde, soll bis dahin ihren Ausstoß erhöhen.

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"Die Ukrainer haben eine überlegene Aufklärungsschlacht geführt"

Bis dahin jedoch nutzen die Ukrainer das Ungleichgewicht. Sie haben mit Luft- und Bodenaufklärung Lücken gefunden und attackieren sie nun geschickt. Statt mit großer Artillerievorbereitung und Frontalangriffen vorzustoßen, testen die mit Geländewagen ausgerüsteten hochmobilen ukrainischen Einheiten Schwachstellen der dünnen russischen Frontlinie aus. In kleinen Gruppen brechen sie dann durch, um plötzlich im Rücken der russischen Positionen aufzutauchen. Begünstigt wird dieses Vorgehen durch moderne Satellitenaufklärung.

"Die Ukrainer haben eine überlegene Aufklärungsschlacht geführt", schreibt Mick Ryan, Ex-Generalmajor der australischen Armee und Kriegsforscher, auf Twitter. Nach dem Erfolg der Gegenoffensive in Charkiw im Osten hätten die Kiewer Strategen wohl nach einem möglichen zweiten Angriffspunkt gesucht und diesen in der Region um Cherson im Süden gefunden.

Darauf habe die russische Armee keine Antwort: "Wir erleben kaskadenartige Fehlschläge, die wohl noch eine Weile anhalten werden", so Ryan. Die russische Armee habe seit dem Zweiten Weltkrieg keine solche Serie an Rückschlägen einstecken müssen.

Endet so der Krieg?

Mike Martin, Ex-Offizier der britischen Armee und Wissenschaftler am Londoner King's College, geht sogar noch weiter: "So endet der Krieg, denke ich", erklärt er auf Twitter.

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Seine Vermutung: Die Einkesselung der russischen Armee sowohl im Osten als auch im Süden könnte die Voraussetzungen für einen ukrainischen Vorstoß aus dem Norden schaffen. Das russisch kontrollierte Gebiet würde so zweigeteilt, die russischen Truppen voneinander getrennt. Dies könnte einen Kollaps der russischen Streitkräfte zur Folge haben, prognostiziert er.

Ebenso glaubt er in diesem Fall an einen Machtwechsel in Moskau – also das Ende von Wladimir Putin im Kreml – und eine Rückgabe oder Rückeroberung der noch weiter südlich gelegenen Krim. Der ukrainische Präsident Selenskyj hatte noch im August versprochen: "Dieser russische Krieg gegen die Ukraine hat mit der Krim begonnen und muss mit der Krim enden." Doch der Herbst kommt – und auf den Großteil der geforderten Waffenlieferungen internationaler Partner wartet die Ukraine noch immer.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherche
  • Mit Material der Nachrichtenagentur dpa
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