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Ukraine-Krieg | So will Kiew das Drohnen-Wettrüsten gegen Russland gewinnen


Ukrainische Anti-Terror-Tüftler
Drei Millionen gegen Russlands Kampfdrohnen

reuters, Von Tom Balmforth

05.07.2023Lesedauer: 4 Min.
Ein ukrainischer Soldat trainiert den Einsatz einer Aufklärungsdrohne: Die Einheit "Weißer Wolf" besitzt nach eigenen Angaben auch Kamaikaze-Drohnen.Vergrößern des BildesEin ukrainischer Soldat trainiert den Einsatz einer Aufklärungsdrohne: Ein Großteil der Drohnen, die das Militär der Ukraine nutzt, wird im Inland produziert. (Quelle: IMAGO/Maxym Marusenko)
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Kiew sucht dringend nach einem Gegenmittel für Russlands Kamikaze-Drohnen. Denn diese greifen längst auch Wohngebiete an. Das Wettrüsten lässt die Ukraine sich einiges kosten.

Sie sind billig. Sie sind effektiv. Sie verbreiten Terror – Kamikaze-Drohnen. Das russische Militär setzt die aus dem Iran stammenden "Schahed"-Drohnen seit langem im Krieg gegen die Ukraine ein. Aufhalten lassen sie sich nur schwer: Sie fliegen in Schwärmen zu ihren Zielen und explodieren beim Aufprall. Die Ukraine sucht nach Mitteln gegen diese Waffe, die verheerende Schäden anrichten kann.

Ende Juni trafen sich daher Hunderte Ingenieure und Erfinder in Kiew mit führenden Militärs. Verborgen vor der Öffentlichkeit berieten sie, wie die Drohnen besser neutralisiert werden können. Die Nachrichtenagentur Reuters war das einzige Medienunternehmen, das zu der Veranstaltung zugelassen war. Es bot sich ein seltener Einblick in das technologische Wettrüsten, das sich die Ukraine mit Russland liefert.

Drei Millionen Dollar Preisgeld

"Der heutige Krieg ist technologisch geprägt, und jeden Tag kommt es zu Veränderungen in der Technologie und auf dem Schlachtfeld", sagte Mychailo Fedorow, Minister für digitale Transformationen und Vize-Regierungschef am Rande der Versammlung. Die Organisatoren gaben ein Preisgeld von drei Millionen Dollar an drei Expertenteams aus, von denen angenommen wird, dass sie die besten Drohnen oder Technologien zur elektronischen Kriegsführung gegen die "Schahed" präsentiert haben.

Diese Drohnen sind ein großes Problem für die ukrainische Luftabwehr und den Schutz der Energieversorgung. Im Mai griff Russland nach offiziellen Daten mit mehr als 300 Drohnen an, so viele wie nie zuvor.

Im Winter versuchte Russland, durch Luftangriffe das Stromnetz der Ukraine lahmzulegen. "Wir wollen uns auf den nächsten Winter vorbereiten, um auf diese Herausforderungen zu reagieren", sagte Vize-Ministerpräsident Olexandr Kubrakow. Das ist schwierig. Denn die Drohnen fliegen so tief, dass sie oft von der Luftabwehr nicht entdeckt werden. Zugleich sind ihre Navigationssysteme so robust, dass ihre Funkfrequenzen nur schwer gestört werden können. Und sie sind billig.

Westliche Länder haben hoch entwickelte Verteidigungssysteme bereitgestellt, um Raketenangriffen entgegenzuwirken. Es sei aber nicht ideal, Schwärme von Drohnen, die 50.000 Dollar pro Stück kosten, mit Raketen abzuschießen, die eine Million Dollar kosten, heißt es in Regierungskreisen. "Das ist nicht rentabel", sagte Fedorow. "Wir müssen die Kosten für die Mittel, die wir zur Zerstörung von 'Schaheds' verwenden, ständig senken."

"Ein beispielloser Drohnenkrieg"

Olexandr, einer der Teilnehmer, deren Namen aus Sicherheitsgründen nicht genannt werden dürfen, sagte, sein Team präsentiere einen Quadrocopter. Diese Drohne habe neben einem Propellerantrieb auch Flügel. Sie könne viel länger und schneller fliegen als andere Drohnen. "Es wird eine Drohne sein, die ... vertikal abhebt, um Drohnen abzufangen oder einzuholen, sie abzuschießen oder zu blockieren." Der Ingenieur Jurij, ein anderer Teilnehmer, berichtete, sein Team habe Entwürfe für neue Systeme zur elektronischen Kriegsführung vorgelegt, die gegen "Schaheds" wirksamer seien als die bisherigen.

Drohnen sind auch weit verbreitet in den Kriegen im Jemen oder in Syrien. Aber nie wurden sie häufiger eingesetzt als in der Ukraine. "Das ist wirklich ein beispielloser Drohnen-Krieg", sagte Fedorow. Die militärische Innovation in der Ukraine habe seit der russischen Invasion einen Boom erlebt, fügte er hinzu.

Im vergangenen Jahr startete die Ukraine ein Crowdfunding-Projekt mit dem Ziel, eine "Armee der Drohnen" zu bilden. Die Initiative hat sich zu einem staatlichen Programm entwickelt, das alles umfasst - von der Produktion unbemannter Fluggeräte bis zur Ausbildung von Drohnen-Piloten. "Wenige Monate nach Beginn der großangelegten Invasion wurde allen klar, dass unbemannte Fluggeräte der effektivste Weg zur Aufklärung und zum Sieg über den Feind waren", sagte Brigadegeneral Jurij Schtschyhol, der die Beschaffung für das staatliche Programm überwacht.

Bislang seien 15.000 Drohnen gekauft worden. Weitere würden vom Verteidigungsministerium beschafft, wieder andere von Freiwilligen und ausländischen Unterstützern bereitgestellt. Wie viele Drohnen die Ukraine im Kampf gegen die russischen Truppen einsetzt, ist nicht bekannt. In jedem Fall will sie mehr.

Mehrheit der Drohnen im Inland produziert

"Unser Ziel in diesem Jahr ist es, mehr als 200.000 Angriffs- und große Aufklärungsdrohnen zu kaufen", sagte Brigadegeneral Schtschyhol. "Wir werden so viele Drohnen kaufen, wie auf dem Markt erhältlich sind." Minister Fedorow erklärte, die Produktion von Drohnen finde in der gesamten Ukraine statt – trotz der Gefahr russischer Luftangriffe. Die Hersteller seien angewiesen worden, die Arbeit auf mehrere Standorte zu verteilen und Luftschutzbunker zu nutzen. "Wir sehen, dass dieser Ansatz heute funktioniert." Mehr als 80 Prozent der Drohnen würden im Inland hergestellt und zusammengesetzt.

Anatolij Chraptschynskyj, der für ein Unternehmen arbeitet, das elektronische Kriegsführungstechnologie entwickelt, verglich die technologische Innovation in der Ukraine mit der in Russland: Während Russland einen Ansatz von oben nach unten verfolge und staatliche Organisationen dominierten, werde die Entwicklung in der Ukraine vom privaten Sektor vorangetrieben und beziehe viele kleinere Firmen ein. "Als wir vergangenes Jahr mit diesem Projekt begannen, gab es sieben Unternehmen, die Drohnen an den Staat verkaufen konnten", erläuterte Fedorow.

"Heute sind es 40, und bis Ende des Jahres werden es 50 sein." Staatliches Risikokapital trage zur Ausweitung der inländischen Produktion bei. Die Ukraine habe auch den Vorteil, dass sie Technologie mit ausländischen Partnern teilen könne und sich keine Sorgen wegen Sanktionen machen müsse. "Dank der Mittel beginnen Unternehmen, ihre Produktion zu lokalisieren. Heute kaufen wir Teile auf der ganzen Welt, auch in China."

Verwendete Quellen
  • Nachrichtenagentur Reuters
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