Mehr als 150 Journalistinnen und Journalisten berichten rund um die Uhr für Sie über das Geschehen in Deutschland und der Welt.
Zum journalistischen Leitbild von t-online.Pufferzone – aber wo? Putin löst mit Ankündigung Empörung aus

Putin kündigt die Einrichtung einer Pufferzone an, lässt zunächst aber offen, wo diese verlaufen soll. Experten wittern einen inszenierten Schritt.
Der russische Machthaber Wladimir Putin hat nach seinem Besuch in der monatelang teils von ukrainischen Truppen kontrollierten Region Kursk die Schaffung einer Pufferzone "entlang der Grenze" angekündigt. Das sagte der Kremlherrscher nach einer Regierungssitzung per Videoschalte. Die Entscheidung über die Sicherheitszone sei demnach bereits getroffen worden, die Streitkräfte seien mit deren Umsetzung beauftragt worden.
Wo genau die Zone verläuft, wie lang sie sein und wie tief in die Ukraine sie reichen soll, sagte er zunächst nicht. "Unsere Streitkräfte sind dabei, diese Aufgabe zu lösen, feindliche Feuerpunkte werden aktiv unterdrückt, die Arbeit ist im Gange", sagte er. Aufseiten der Ukraine löste die Ankündigung scharfe Reaktionen aus.
Eine Pufferzone ist ein geografisches Gebiet, das zwischen zwei feindlichen Parteien liegt und dazu dient, eine direkte Konfrontation zu verhindern. Sie soll Spannungen abbauen, unbeabsichtigte Zusammenstöße vermeiden und oft einen Waffenstillstand oder Friedensprozess unterstützen. Deren Einrichtung und Überwachung in Konflikten zwischen Staaten ist eigentlich multinationalen Organisationen wie den UN vorbehalten.
700 Kilometer Frontlinie
Wie der Kreml später verkündete, soll sich die Pufferzone auf die Regionen Kursk, Belgorod und Brjansk erstrecken. In diesen Abschnitten der Front war es ukrainischen Truppen gelungen, zum Teil tief in russisches Gebiet einzudringen. Allerdings konnte die russische Armee die besetzten Gebiete zurückerobern, auch mithilfe Tausender nordkoreanischer Soldaten.
Der Bereich würde damit rund 700 Kilometer Frontlinie zwischen der Ukraine und Russland umfassen. Nur wenige Abschnitte dieser Front sind derzeit noch umkämpft, vor allem einige Bereiche im Gebiet um Charkiw sowie in der ukrainischen Region Sumy und im russischen Kursk. Allerdings müsste das russische Militär auf breiter Front Vorstöße an der 700 Kilometer langen Frontlinie unternehmen, um die von Putin geforderte entmilitarisierte Zone einzurichten. Dass dies gelingt, gilt jedoch als äußerst unwahrscheinlich, da Kiews Truppen die Gebiete auf ukrainischer Seite gesichert haben.
Kiew: "Pufferzone gern auf russischem Territorium"
Die Ukraine wies Putins Pläne zur Schaffung einer Pufferzone umgehend zurück. Die Regierung in Kiew kritisierte, dass solche Äußerungen ein neuer Beweis dafür seien, dass Russland kein Interesse an einem Frieden habe. "Diese neuen aggressiven Forderungen sind eine klare Absage an Friedensbemühungen und zeigen, dass Putin der einzige Grund für das anhaltende Töten ist und bleibt", schreibt Außenminister Andrij Sybiha auf der Plattform X. "Er muss mehr Druck bekommen, um diesen Krieg zu beenden."
Ministeriumssprecher Heorhij Tychyj nannte die Ankündigung Putins einen neuerlichen "Akt der Aggression" und meinte, dass Putin die neutrale Zone ja auf eigenem Gebiet errichten könne. "Es kann gerne eine 'Pufferzone' auf dem Territorium Russlands geben, das ist ja der Grund, weshalb die Ukraine dort seit letztem Jahr eine Operation durchführt", sagte Tychyj.
Putin hatte die Region Kursk nach dem Einmarsch ukrainischer Truppen im August vorigen Jahres für befreit erklärt und in dieser Woche auch selbst besucht. Dagegen warf die Ukraine Putin Lügen vor; Präsident Wolodymyr Selenskyj sagte mehrfach, dass seine Truppen noch Stellungen im Gebiet Kursk und in der benachbarten Region Belgorod hielten.
Während seines Besuchs in der Region Kursk räumte Putin ein, dass die ukrainischen Streitkräfte versuchten, sich auf die russische Grenze zuzubewegen, so die staatliche russische Nachrichtenagentur RIA Novosti.
Kremlchef ordnet Wiederaufbau von Regionen an
Putin ordnete auch an, alsbald ein umfassendes Programm auszuarbeiten, um den Wiederaufbau der durch Kämpfe betroffenen Grenzregionen einzuleiten. Neben den Gebieten Kursk und Belgorod geht es dabei auch um die Region Brjansk. Die grenznahen Regionen stehen fast täglich unter Beschuss der ukrainischen Seite, die vor allem Drohnen einsetzt.
Zwölf Zivilisten – darunter zwei Kinder – wurden bei einem ukrainischen Angriff auf die Stadt Lgow in der Region Kursk verletzt, sagte der amtierende Gouverneur der Region am Donnerstag. Bei dem "massiven" Angriff wurden demnach auch vier Fahrzeuge, zwei Häuser und ein Wohnhaus beschädigt.
Selenskyj hatte die Angriffe auf russisches Staatsgebiet damit begründet, dass Kiew sich dadurch in eine bessere Position bringen könne bei künftigen Verhandlungen über eine Beilegung des Konflikts. Russland hatte unlängst erklärt, Kiew sei gescheitert mit dem Vorhaben, Moskau auf diese Weise unter Druck zu setzen.
ISW: Putin als gewieften Kriegsherren dastehen lassen
Experten zufolge könnte Putins Ankündigung auf eine neue russische Offensive hindeuten. Bei einem Treffen in der Rajon Gluschkowo, eines grenznahen Distrikts in der Oblast Kursk, fragte Putin den Verwaltungsvorsitzenden des Distrikts, Pawel Zolotarew, wie weit der Sicherheitskorridor denn idealerweise in ukrainisches Gebiet reichen sollte. Darauf soll Zolotarew entgegnet haben: "mindestens bis zur Stadt Sumy". So berichtete es die US-Denkfabrik ISW unter Berufung auf russische Quellen.
Sumy ist eine Stadt mit rund 270.000 Einwohnern, sie liegt 25 Kilometer von der ukrainisch-russischen Grenze entfernt. Wie das ISW berichtet, soll der Dialog zwischen dem Kremlherrscher und dem Gebietsvorsteher inszeniert gewesen sein. Ziel könnte es demnach gewesen sein, Putin als gewieften Kriegsherren dastehen zu lassen. Die Einrichtung einer 25 Kilometer breiten Pufferzone könnte es der Ukraine erheblich erschweren, Artillerieangriffe und taktische Drohnenattacken auf russisches Territorium durchzuführen.
- kyivindependent.com: Putin claims Russia preparing 'security buffer zone' along Ukrainian border
- edition.cnn.com: Russian forces are creating ‘buffer zone’ along Russia-Ukraine border, Putin says
- youtube.com: Macronomist. Putin ordnet Schaffung einer 700 km-langen "Pufferzone" an, 20. Division bricht in Jabluniwka ein
- understandingwar.org: Russian Offensive Campaign Assessment, May 21, 2025
- Mit Material der Nachrichtenagentur dpa