t-online - Nachrichten fΓΌr Deutschland
Such IconE-Mail IconMenΓΌ Icon

MenΓΌ Icont-online - Nachrichten fΓΌr Deutschland
Such Icon
HomePanoramaWissenGeschichte

Katastrophe in der Steinzeit | Der Tod, der aus der Steppe kam


Der Tod, der aus der Steppe kam

t-online, Angelika Franz

Aktualisiert am 19.01.2018Lesedauer: 4 Min.
TotenschÀdel: Die Pest brachte im Mittelalter unzÀhligen Menschen den Tod.Vergrâßern des BildesTotenschÀdel: Die Pest brachte im Mittelalter unzÀhligen Menschen den Tod. (Quelle: Benoit Tessier/Symbolbild/Reuters-bilder)
Facebook LogoTwitter LogoPinterest LogoWhatsApp Logo

Im Mittelalter tΓΆtete die Pest Millionen. Neue Forschungen legen nahe, dass der Erreger Yersinia pestis Europa bereits einmal in der Steinzeit entvΓΆlkert hat. Wahrscheinlich hatten Einwanderer die Erreger aus der Ferne mitgebracht.

Fieber, Schmerzen, dazu entstellende Beulen: Im 6. Jahrhundert wütete die Pest im Râmischen Reich. Dieser Ausbruch der Seuche gilt als die erste große Pestepidemie in Europa: Im rheinischen Germanien starben die Menschen ebenso wie in Gallien und Hispanien; aber auch Kleinasien entvâlkerte die Seuche so gründlich wie Syrien, Mesopotamien und Persien. 20 bis 30 Prozent der râmischen Bevâlkerung raffte die Pest dahin. Vermutlich trugen diese Verluste zum weiteren Zerfall des Imperiums bei.

Es war das Ende der Antike und die Geburtsstunde des Mittelalters. Es war aber nicht das erste Mal, dass der Pesterreger, Yersinia pestis, Europa heimsuchte. Ein Forschungsteam unter Leitung des Max-Planck-Instituts fΓΌr Menschheitsgeschichte in Jena konnte nachweisen, dass Yersinia pestis in der Tat bereits ein alter Bekannter auf dem Kontinent war. Und mΓΆglicherweise Europa schon einmal so verheerend entvΓΆlkert hatte – nur ohne, dass Geschichtsschreiber davon erzΓ€hlt hΓ€tten.

NeuankΓΆmmlinge ΓΌberrollten den Kontinent

Wie die Wissenschaftler in der Fachzeitschrift "Current Biology" berichten, untersuchten sie fΓΌr ihre Studie mehr als 500 Proben von ZΓ€hnen und Knochen aus Russland, Ungarn, Kroatien, Litauen, Estland und Lettland auf DNA des Pesterregers. Auch Proben aus Deutschland waren darunter, sie stammen aus spΓ€tneolithischen und frΓΌhbronzezeitlichen GrΓ€bern im bayrischen Augsburg. Bei sechs dieser Proben wurden die Forscher fΓΌndig und konnten vollstΓ€ndige Yersinia pestis-Genome rekonstruieren. So weit die Fundorte auch auseinanderlagen, waren doch alle Genome eng miteinander verwandt. Sie mΓΌssen folglich einen gemeinsamen Ursprung haben.

Und der lag, so die Wissenschaftler in ihrer Studie, in der Steppe Eurasiens, zwischen dem Schwarzen und dem Kaspischen Meer. Aus dieser kargen Landschaft strâmten vor rund 4.800 Jahren die Menschen in Massen nach Europa. Die Neuankâmmlinge der sogenannten Jamnaja-Kultur überrollten quasi den Kontinent. Im GepÀck hatten sie spektakulÀre neue Erfindungen, von denen die alten Einwohner Europas noch nie gehârt hatten: Sie brachten Wagen, Pferde und auch große Viehherden mit.

Kein friedlicher Marsch

Ein friedlicher Marsch von Ackerbauern dΓΌrfte diese Einwanderung allerdings kaum gewesen sein. In Europa ersetzten die Gene der NeuankΓΆmmlinge bis zu 90 Prozent des Erbguts der alten BevΓΆlkerung. Übertragen auf die heutige Situation hieße das: Nicht ein paar Millionen Menschen wandern ein, sondern zehn Milliarden. Wahrscheinlich, folgerten nun die Forscher des Max-Planck-Instituts, brachten die Jamnaja nicht nur den technischen Fortschritt nach Europa – sondern auch den Pesterreger.

Die Untersuchungen des Yersinia pestis-Erbguts haben jedoch auch gezeigt, dass die Seuche damals noch nicht so verlaufen sein muss wie bei den verheerenden Epidemien des Mittelalters. Die modernen PeststΓ€mme werden durch FlΓΆhe ΓΌbertragen, die auf Nagetieren leben. Dass aber zusammen mit den Jamnaja auch die Ratten und MΓ€use der eurasischen Steppe sich auf die Wanderung nach Westen machten, ist eher unwahrscheinlich.

Grund fΓΌr Auswanderung ist unbekannt

MΓΆglicherweise nutzte der Pesterreger damals noch andere Wirte fΓΌr seinen Siegeszug durch Europa. Seine Verbreitung spiegelt jedenfalls ΓΌberraschend genau die Wanderungsbewegungen der Jamnaja – sowohl rΓ€umlich als auch zeitlich. Es wΓ€re durchaus denkbar, schreiben die Forscher, dass Yersinia pestis gar nicht auf Nagetieren auf den Kontinent gelangte, sondern auf Menschen oder auf deren Nutzvieh.

Warum die Jamnaja ihre Heimat in der Steppe verließen, ist unbekannt. Studienleiter Johannes Krause, Direktor der Abteilung für ArchÀogenetik am Max-Planck-Institut für Menschheitsgeschichte, hat allerdings eine Idee: "Die Bedrohung durch Yersinia pestis-Infektionen in der Heimat kânnte eine der Ursachen für die erhâhte MobilitÀt wÀhrend des spÀten Neolithikums und der frühen Bronzezeit gewesen sein."

Flucht vor der Pest?

Mit anderen Worten: Die Wanderung aus der Eurasischen Steppe nach Europa war vielleicht gar kein Zug von GlΓΌcksrittern, die sich im Westen ein besseres Leben erhofften – sondern eine verzweifelte Flucht vor dem allgegenwΓ€rtigen Tod in der alten Heimat. Dazu passt auch, dass die Jamnaja die Steppe nicht nur in eine Richtung verließen, sondern ebenso auch nach Osten zogen – Hauptsache weg von dem Massensterben.

Diese Muster kΓΆnnten auch erklΓ€ren, warum am Ende der Einwanderungswelle so wenig genetische Spuren der alten BevΓΆlkerung Europas ΓΌbrig blieben. So wie im 16. Jahrhundert die europΓ€ischen Krankheitserreger den Eroberungszug fΓΌr die Spanier in SΓΌdamerika fΓΌhrten, schickten mΓΆglicherweise auch die Jamnaja den Yersinia pestis-Erreger voraus und fΓΌllten am Ende nur das Vakuum, das durch sein Werk entstanden war.

AufklΓ€rung mΓΆglicherweise in der Zukunft

Die Spanier hatten gegen die europΓ€ischen Krankheiten wie die Pocken eine hohe ImmunitΓ€t entwickelt, das Immunsystem der einheimischen BevΓΆlkerung konnte den unbekannten Erregern jedoch nichts entgegensetzen.

Auf Γ€hnlich fruchtbaren Boden kΓΆnnte auch Yersinia pestis gefallen sein: "Es ist mΓΆglich, dass bestimmte europΓ€ische Populationen und die Menschen aus der Steppe ein unterschiedliches Resistenzniveau hatten", meint Krause. Um diese Fragen genauer beantworten zu kΓΆnnen, mΓΌssten allerdings sowohl weitere Yersinia pestis-, als auch noch mehr menschliche Genome analysiert werden.

Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...

ShoppingAnzeigen

Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...

t-online - Nachrichten fΓΌr Deutschland


TelekomCo2 Neutrale Website