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Rechtsextreme bei Veranstaltung von CSU-Abtreibungsgegnern: Perfide Taktik?


Treffen von Abtreibungsgegnern
Wirbel um Neonazis bei Unions-Veranstaltung


Aktualisiert am 26.04.2023Lesedauer: 4 Min.
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Mitglied der rechtsextremen Identitären Bewegung bei einer Demonstration in München (Symbolbild): Die Strategien der Neuen Rechten sind vielfältig.Vergrößern des Bildes
Mitglied der rechtsextremen "Identitären Bewegung" bei einer Demonstration in München (Symbolbild): Die Strategien der Neuen Rechten sind vielfältig. (Quelle: ZUMA Wire/imago-images-bilder)

Bei einer Veranstaltung von Abtreibungsgegnern aus der Union sind Neonazis aufgetaucht. Die Organisatoren geben sich zerknirscht. Was wollten die Rechten dort?

Umstritten war die Veranstaltung ohnehin: CSU-nahe Abtreibungsgegner hatten in München Ende März zu einem Frühschoppen eingeladen, im Anschluss fand in der Nähe eine Demonstration zum gleichen Thema statt, der sogenannte "Marsch fürs Leben". Und doch wäre das Thema an vielen sicher vorbeigegangen – wenn nicht eine Gruppe Rechtsradikaler bei dem Frühschoppen ungestört hätte agieren können. Und ihr Auftritt gibt Rätsel auf.

Etwa dem Geschäftsführer des Verbandes "Katholiken in Wirtschaft und Verwaltung" in München, Stephan Menges. In dessen Räumen im Hansa-Haus am Königsplatz fand die Veranstaltung statt, die von der Initiative "Christdemokraten für das Leben" (CDL) organisiert worden war. Menges sagt im Gespräch mit t-online: "Wir sind ein katholischer Sozialverband, und jetzt werden wir mit Nazis in Verbindung gebracht." Natürlich wolle man damit nichts zu tun haben.

Rechtsextreme bei CSU-Abtreibungsgegnern in München

Er verweist auf eine Statue von NS-Widerständler Fritz Gerlich, die neben der Treppe zum Hansa-Haus steht. Die CDL habe man im Hansa-Haus geduldet, weil Menges und sein Verband den Frühschoppen als demokratische Veranstaltung eingeschätzt hatten – auch wenn der Protest gegen Abtreibungen häufig als frauenfeindlich kritisiert wird. Nun werde man Veranstaltungen der Initiative jedoch wohl nicht mehr gestatten, sagt Menges.

Dabei wollen auch die CDL, die vorwiegend aus Mitgliedern von CDU und CSU bestehen, mit den Neonazis auf ihrer Veranstaltung nichts zu tun haben. Ausgelöst hatte die Aufregung ein Foto des Journalisten Robert Andreasch, der fünf Personen auf dem Balkon des Hansa-Hauses abgelichtet hatte, während sie vor der Kamera mit rechtsextremen Gesten posierten.

Zwar gab CDL-Bundesgeschäftsführerin Susanne Wenzel auf Nachfrage von t-online zunächst an, dass das Foto "nicht in der Veranstaltung der CDL Bayern am 25. März 2023 aufgenommen worden" sei. Jedoch bestätigte auch die Polizei die Angaben Andreaschs. Und die bayerische Landesvorsitzende Christiane Lambrecht korrigierte Wenzels Angaben zudem wenig später.

Unstimmigkeiten zu Neonazis im Münchner Hansa-Haus

"Die auf dem Foto zu sehenden Personen waren bei der Veranstaltung anwesend", teilte sie mit. Die Veranstaltung sei offen zugänglich gewesen. Sie gehören "offensichtlich einem politischen Spektrum an, das nicht mit unserem übereinstimmt", distanziert Lambrecht sich von den Abgebildeten.

Die CDL werden Hausverbote erteilen, heißt es – sowohl für die Organisationen, denen diese Personen angehören, als auch den Personen individuell. Diese würden für alle CDL-Veranstaltungen in Bayern ohne zeitliche Begrenzung gelten und schriftlich zugestellt werden. Erwünscht waren die Rechtsextremen auf der Veranstaltung also offenbar nicht. Das könnte den Neuen Rechten sogar tatsächlich zupasskommen – wenn sie denn überhaupt einen Plan verfolgten.

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Carsten Koschmieder forscht an der Freien Universität Berlin zum Thema Rechtsextremismus. Seiner Einschätzung nach gibt es mehrere Strategien der Neuen Rechten, um öffentliche Veranstaltungen für ihre Interessen zu kapern und die dortige Bühne zu nutzen. Im Hansa-Haus müsse das nicht einmal der Fall gewesen sein.

Andreaschs Schilderungen zufolge waren die abgebildeten Neonazis stark betrunken, demnach könnte ihr Auftritt auch einfach aus einer Laune heraus entstanden sein. "Es sind ja nicht immer die klügsten Köpfe, mit denen wir es in der rechten Szene zu tun haben", sagt der Politologe Koschmieder. Dennoch passen einige Verhaltensweisen auch auf bekannte strategische Muster.

Welche Strategien Rechtsextreme verfolgen

So sei es häufiger zu beobachten, dass Rechtsextreme zu Veranstaltungen gehen, bei denen sie eine thematische Überschneidung sehen. Bei Abtreibungsgegnern sieht er tatsächliche starke Übereinstimmungen – sowohl die klerikalen CDL als auch Rechtsextreme lehnen Abtreibungen ab, wenn auch häufig aus unterschiedlichen Gründen.

Stehe für Demokraten etwa der Aspekt "Schutz des Lebens" im Vordergrund, gehe es Rechten eher um einen völkischen Ansatz und Ideen, wie etwa den Fortbestand des eigenen Volkes sichern zu wollen. Derartige Übereinstimmungen könnten Rechte nutzen, um eine Zusammenarbeit anzustreben. Die CDL immerhin dürften dem mit ihrer Distanzierung öffentlich eine klare Absage erteilt haben.

Doch auch ein anderes Vorgehen ist denkbar: die "Wortergreifungsstrategie", wie Koschmieder es nennt. Demnach besuchen Rechtsextreme Veranstaltungen, um dort mit Wortmeldungen rechtsextremes Gedankengut zu verbreiten – dies allerdings hinter scheinbar seriösem Auftreten und zurückhaltender Rhetorik versteckt. Das entpuppt sich meist als Falle: Veranstalter stecken in der Zwickmühle.

Unterbinden sie die Wortmeldungen und werfen die Rechtsextremen aus der Veranstaltung, ist das für einige Zuhörer womöglich nicht nachvollziehbar. Die Folge: Neonazis nutzen die Opferrolle aus. Lässt man sie jedoch sprechen, gibt man dem menschenfeindlichen Inhalt eine Bühne. Und jedes einzelne Argument oder womöglich erfundene Behauptungen ad hoc widerlegen zu können, sei kaum möglich.

In beiden Fällen bestehe die Gefahr, dass Rechtsextreme sich für ein bürgerliches Milieu als anschlussfähig zeigen könnten – und genau darauf zielten diese ab. Was Koschmieder deshalb empfiehlt: Bei Veranstaltungen, die für Rechtsextreme ein Ziel sein könnten, im Vorfeld Beratung einholen. Und klar kennzeichnen, dass die rechte Szene nicht erwünscht ist. So könne auch ein Rauswurf ohne offen ersichtlichen Grund für andere Zuhörer nachvollziehbar sein.

Auch Linksextreme im Fokus bei Veranstaltung in München

Dem Vermieter Menges war indes nicht bekannt, dass Rechtsextreme die Veranstaltung womöglich als ihre Bühne nutzen könnten. Klar war nur: Einige Linksextreme hatten im Internet zuvor dazu aufgerufen, den Frühschoppen und die folgende Demonstration zu stören. Tatsächlich berichteten CDL und Polizei anschließend übereinstimmend von einer Flasche Buttersäure, die vorab am Hansa-Haus platziert worden war und deren Gestank noch während der Veranstaltung zu riechen war.

Für die CDL war das offenbar Anlass, im Anschluss an die Veranstaltung in einer Pressemitteilung nicht nur den Auftritt von Rechten, sondern auch Linksextremen anzuprangern. Auch die Konfrontation mit Linksextremen, die auf der Veranstaltung selbst jedoch nicht vor Ort waren, könnte ein Ziel der Rechten gewesen sein. Allerdings spricht auch die Polizei davon, dass nicht mit einem Auftritt von Extremisten zu rechnen gewesen sei.

Menges hatte sich zwar gewundert, dass es wenige Tage vor der Veranstaltung eine Ortsbegehung mit der Polizei gegeben hatte, an der auch er teilnahm. Auch die Hinweise auf mögliche Hintereingänge und dass diese am besten verschlossen gehalten würden, hatten ihn irritiert. Die Polizei nennt das Vorgehen auf Anfrage von t-online jedoch einen "Routinevorgang". Konkrete Hinweise habe es keine gegeben.

Verwendete Quellen
  • Gespräch mit Carsten Koschmieder
  • Gespräch mit Robert Andreasch
  • Gespräch mit Stephan Menges
  • CDL: Pressemitteilung vom 31. März
  • Stellungnahmen von Susanne Wenzel und Christiane Lambrecht
  • indymedia.org: "Bitumen und Lack den AntifeministInnen!"
  • Anfrage an Polizei München
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