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Dirk Bauermann zur Basketball-WM: "Deutschland hat Chancen aufs Halbfinale"


Basketball-WM 2019
Ex-Bundestrainer Bauermann: Deutschland hat Chancen aufs Halbfinale

  • David Digili
InterviewVon David Digili

28.08.2019Lesedauer: 8 Min.
Interview
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Trainer-Ikone: Dirk Bauermann hat sowohl die BBL als auch die Nationalmannschaft mitgeprägt.Vergrößern des Bildes
Trainer-Ikone: Dirk Bauermann hat sowohl die BBL als auch die Nationalmannschaft mitgeprägt. (Quelle: imago-images-bilder)

Der frühere Bundestrainer erklärt, worauf es für die Mannschaft von Bundestrainer Henrik Rödl beim Turnier in China ankommen könnte – und verrät die besondere Stärke von Dennis Schröder.

Kein Trainer hat den deutschen Basketball über die letzten drei Jahrzehnte so geprägt wie Dirk Bauermann: Neun deutsche Meisterschaften (sieben mit Bayer Leverkusen, zwei mit Bamberg), Aufstieg in die Bundesliga mit dem FC Bayern München 2011 – und von 2003 bis 2011 zeitgleich Bundestrainer. Im kongenialen Duo mit Weltstar Dirk Nowitzki führte der Erfolgscoach das DBB-Team zu EM-Silber 2005, qualifizierte sich dazu für Olympia 2008.

Wenn die deutsche Mannschaft am Sonntag im Kracher gegen Top-Team Frankreich in die Basketball-WM in China startet (ab 14:30 Uhr im Live-Ticker bei t-online.de), schaut Bauermann noch immer genau hin. Im Interview spricht der viermalige Trainer des Jahres über die Chancen der Mannschaft von Bundestrainer Henrik Rödl, erklärt, worauf es ankommen könnte – und verrät, was er an Dennis Schröder besonders schätzt.

t-online.de: Vier NBA-Spieler sind im deutschen Kader, dazu einige weitere Akteure mit viel Erfahrung, Robin Benzing oder Niels Giffey beispielsweise. Was trauen Sie der Mannschaft in China zu?

Dirk Bauermann (61): Ich habe mir natürlich nicht alle 12, 16 Mannschaften, die fürs Viertelfinale in Frage kommen, ansehen können. Aber ich habe darauf geachtet: Wer spielt da? Wer ist dabei? Wie waren die letzten Ergebnisse? Ich glaube, dass wir eine von sechs, sieben Mannschaften sind, die eine realistische Chance aufs Halbfinale haben. Das heißt aber natürlich nicht, dass es ein Selbstläufer wird.

Griechenland, Frankreich, Spanien, Australien kommen mit ihren NBA-Stars, auch Serbien, Litauen oder Brasilien und Argentinien sind nie zu unterschätzen.

Die Konkurrenz ist gewaltig, dazu kommt dann meist auch noch ein Überraschungsteam, wie wir 2005...

... als Deutschland mit Ihnen und Star-Spieler Dirk Nowitzki sensationell Vize-Europameister wurde...

Genau. Da hatte niemand mit gerechnet, und am Ende haben wir Silber gewonnen. Insofern: Es wird jetzt bei der WM ein steiniger Weg, aber ich denke, dass die Mannschaft eine durchaus realistische Chance hat, unter die letzten Vier zu kommen. Dazu gehört aber auch Glück, was dann die Paarungen in den nächsten Runden angeht. Und natürlich müssen alle gesund bleiben, das ist ganz wichtig.

Viele Faktoren spielen eine Rolle.

Oh ja. Es ist ein wenig eine Wundertüte bei so einem Turnier: Viele Spiele in kurzer Zeit – da entsteht eine ganz andere Dynamik als in einer Vereinssaison, ob in der NBA oder in Europa.

Die Tagesform ist entscheidend.

Absolut. In einer langen Saison kann man sich den einen oder anderen Ausrutscher leisten, erst in den Playoffs wird der Schalter dann richtig umgelegt. Das sieht man ja in der NBA: Dort wird immer weniger Wert auf gute Platzierungen in der Hauptrunde gelegt, wichtig ist nur, dass man es in die Playoffs schafft, und dass dann alle Spieler fit sind und die nötige Energie haben. Bei einer WM ist das ganz anders. Da reicht ein schlechter Tag oder ein unkonzentrierter Moment, um nach Hause fahren zu müssen.

Worauf kommt es da besonders an?

Auf die Fähigkeit, schnell zu regenerieren, schnell neue Informationen aufzunehmen und umzusetzen. Und das erfordert wiederum auch eine hohe taktische Intelligenz.

Was muss das deutsche Team noch mitbringen?

Bei einem solchen Turnier ist es natürlich auch wichtig, dass man eine tiefe Bank hat, um die Intensität Spieltag für Spieltag aufrechtzuerhalten. So, wie ich Henrik Rödl kenne, wird das auch einer seiner Schwerpunkte gewesen sein. Aktuell hat die deutsche Nationalmannschaft eine Tiefe, wie sie sie aus meiner Erinnerung noch nie hatte, und das wird ihr enorm helfen.

Zum Auftakt geht es direkt gegen Frankreich, dann noch gegen die Dominikanische Republik und Jordanien – bis auf den ersten Gegner scheint die Gruppe tatsächlich mehr als machbar. In der Zwischenrunde könnte es dann schon zu Duellen mit Litauen und Australien kommen. Ist es da nicht vielleicht sogar besser, gleich zu Beginn gegen den Favoriten zu spielen?

Man muss unterscheiden: Es gibt Mannschaften, die sich erst in so ein Turnier reinspielen müssen, und solche, die von Anfang an zu absoluten Höchstleistungen fähig sind. Da können auch vermeintliche Favoriten ganz schnell auf dem falschen Fuß erwischt werden. Ein Beispiel...

Ja?

2005 haben wir im ersten Spiel gegen Italien gespielt. Unisono war die Meinung: Das wird das absolute Schlüsselspiel – wenn wir das nicht gewinnen, wird es ganz schwer mit einer guten EM. Wir haben dann dieses Spiel verloren (82:84, Anm. d. Red.) und haben es aber trotzdem geschafft. Also: Resilienz ist ganz wichtig – die Fähigkeit, mit Widerständen und Rückschlägen zurechtzukommen und den Blick auf das große Ziel nicht zu verlieren. Aber natürlich sind die Franzosen der Favorit.


Formt sich in solchen Spielen nicht auch der Charakter einer Mannschaft?

Dafür ist während eines Turniers eigentlich keine Zeit. Da bist du, was du bist, und das zeigt sich dann. Noch mal ein Beispiel von der EM 2005: Die Serben waren zwar die Gastgeber, aber eine in sich zutiefst zerstrittene Mannschaft. Das hat sich dann auch gleich gezeigt, und sie sind schnell ausgeschieden (71:74 in der Zwischenrunde gegen Frankreich, Anm. d. Red.). In so einem Turnier wird der Charakter also nicht entwickelt, er wird exponiert. Da darf man gespannt sein. Ich habe aber keine Zweifel, dass unsere Jungs sich da voll reinhängen werden. Nach allem, was ich gesehen und mitbekommen habe, ist das eine kompakte, gefestigte Einheit.

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Natürlich wird Dennis Schröder als aktuell bester deutscher Basketballer im Fokus stehen. Er wird die Mannschaft anführen. Wie sehen Sie seine Entwicklung?

Dennis ist mittlerweile ja auch Vater geworden und dadurch persönlich gereift. Es ist eindeutig zu sehen, dass er seine Mitspieler auf dem Platz führt, dass er die anderen auffordert, Verantwortung zu übernehmen. Auch, weil er natürlich weiß, dass sich die Gegner in der Defensive auf ihn konzentrieren werden. Da wird es dann darauf ankommen, dass andere in die Bresche springen und ihn entlasten. Er spielt natürlich auf einer Position, mit der er das Spiel gestalten kann und den Ball viel in den Händen hat. Auch, weil er ein fähiger und williger Passer ist, werden sich andere aber schwer tun, ihn aus dem Spiel zu nehmen.

Worauf muss er sich einstellen?

Die einen werden es über die Physis versuchen. Andere werden ihn durch taktische Kniffe aus dem Spiel nehmen wollen. Er muss auf alles gefasst sein. Wieder andere werden versuchen, in seinen Kopf zu kommen, was bei ihm meiner Meinung nach keine gute Idee ist.

Was meinen Sie genau?

Er hat eine so starke Mentalität und ein so großes Selbstvertrauen und eine so gute Präsenz – er wird abliefern. Wichtig wird sein, dass auch um ihn herum auf höchstem Niveau gespielt wird.

Kleine Parallelen zu 2005, als der große Nowitzki der Fixpunkt der Mannschaft war?

Natürlich ist Dirk noch mal eine ganz andere Nummer, ohne Dennis etwas absprechen zu wollen. Dennis ist ein absoluter Glücksfall für den deutschen Basketball. Aber Sie haben Recht, auch damals kam es darauf an, dass dann auch mal andere die Verantwortung übernahmen. Da war es immer ein anderer. Gegen Slowenien war es Robert Maras, gegen Spanien war es Patrick Femerling, dann war es mal Pascal Roller oder Mithat Demirel. Und auch heute hat die Nationalmannschaft eindeutig genügend Qualität – da wäre es eigentlich eine große Überraschung, wenn es nicht in jedem Spiel ein, zwei, drei Jungs gibt, die richtig Gas geben und hohe Qualität bringen.

Sie haben in einem Interview mal gesagt, Sie hätten Dirk Nowitzki zu gemeinsamen Nationalmannschaftszeiten nicht besser gemacht, aber ihm die Freiheiten gegeben, die er brauchte. Wie würde der Coach Dirk Bauermann heute mit Dennis Schröder zusammenarbeiten?

Ich würde vor allem viel mit ihm reden.

Das müssen Sie erklären.

Wenn man nur so wenig Zeit miteinander hat, kommt es darauf an, jeden so zu nehmen, wie er ist, und nicht zu etwas machen zu wollen, das er eben nicht ist. Man muss sicherstellen, dass die Spieler ihr Spiel spielen können. Und das ist ist mit Dennis ganz genauso. Auf diesem hohen Niveau managen sich die Spieler oft schon selbst, da ist weniger eingreifen manchmal mehr. Wenn Dennis das absolute Vertrauen seiner Teamkollegen und des Trainer spürt, dann wird er eine riesen WM spielen.

Was gefällt Ihnen an seinem Spiel besonders?

Das Tolle an ihm ist, dass er das Spiel an beiden Enden dominieren kann. Denn auch in der Defensive besticht er aufgrund seiner Athletik, seiner langen Arme, seiner Bissigkeit und seiner Entschlossenheit. Für mich unterscheidet ihn seine Bereitschaft, auch in der Verteidigung mitzuhelfen, von vielen, die seine Position spielen. Das ist ganz selten.

Es ist ja auch eindeutig, dass Schröder diese Verantwortung übernehmen will.

Auf der anderen Seite ist es gerade bei so einem Turnier auch besonders wichtig, dass Spieler, die in ihren Vereinen starten, bereit sind, von der Bank zu kommen und eine bestimmte Rolle zu übernehmen. Der große Oscar Schmidt (brasilianische Basketball-Legende, Anm. d. Red.) hat mal gesagt: Bei Konzerten gibt es die, die das Klavier spielen, und die, die es tragen.

Da kommen wir wieder zurück zum deutschen WM-Kader. Bundestrainer Rödl hatte bei der Nominierung die Qual der Wahl. Ohnehin hat Deutschland so viele NBA-Spieler wie noch nie, dazu auch junge Talente in der BBL – stimmt Sie das zuversichtlich?

Ja, absolut. In den letzten zehn Jahren sind so viele Talente entwickelt worden, die mittlerweile in der NBA oder in Europa gute Rollen spielen. Das ist schön zu sehen. Da tragen die Veränderungen Früchte, die in den letzten Jahren auf allen Ebenen stattgefunden haben.


Auch die USA werden mit vielen Talenten ins Turnier gehen – die ganz großen NBA-Stars sind nicht dabei, mit Cheftrainer Gregg Popovich (fünf Meistertitel mit den San Antonio Spurs, Anm. d. Red.) und Co Steve Kerr (drei Titel als Trainer der Golden State Warriors) aber zwei echte Coaching-Ikonen an der Seitenlinie. Ist das Team USA der hohe Titelfavorit?

Ja, das glaube ich schon. Denn Stars sind immer noch dabei, Donovan Mitchell oder Kemba Walker zum Beispiel. Natürlich ist durch die Abwesenheit der ganz großen Namen die Aura der Unbesiegbarkeit nicht mehr so da wie früher, und das hilft den Gegnern. Aber trotzdem ist die Qualität nach wie vor sehr, sehr hoch, daher steht es für mich außer Frage, dass sie der Top-Anwärter auf den Titel sind. Trotzdem sind sie verwundbarer als sonst. Gerade im Vorbereitungsspiel gegen Australien…

… da hat man doch gesehen, dass es eine relativ junge und international unerfahrene junge Mannschaft ist. Der internationale Basketball ist anders als der, der in der NBA gespielt wird, und das kann sich bei ihnen bemerkbar machen. Es wird sehr spannend, wie sie mit der Umstellung umgehen.

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