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Kohler zum Meisterkampf zwischen Bayern und BVB: "Trend für Dortmund"


Weltmeister über Bundesliga-Topspiel
"Das wird er versuchen auszunutzen"

InterviewVon Julian Buhl

Aktualisiert am 01.04.2023Lesedauer: 6 Min.
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Thomas Tuchel: Sein Debüt an der Bayern-Seitenlinie könnte nicht schwieriger sein.Vergrößern des Bildes
Thomas Tuchel: Sein Debüt an der Bayern-Seitenlinie könnte nicht schwieriger sein. (Quelle: IMAGO/Mladen Lackovic)

Der Weltmeister von 1990 tippte schon vor der Saison auf Borussia Dortmund als kommenden Meister. Im Interview erklärt Jürgen Kohler, warum der Trend vorm Duell mit Bayern weiter für den BVB spricht.

Im deutschen Fußball bahnt sich eine Zeitenwende an. Nach zehn Jahren Dauerdominanz und zehn deutschen Meistertiteln des FC Bayern in Folge reist Borussia Dortmund am Samstag (18.30 Uhr) wieder als Tabellenführer zum Topspiel nach München.

Einer, der sich mit beiden Teams auskennt, ist Jürgen Kohler. Der Weltmeister von 1990 hat sowohl für den BVB (1995-2002) als auch für den Rekordmeister (1989-1991) gespielt. Er stand bei vielen entscheidenden direkten Duellen seiner beiden Ex-Klubs mit auf dem Feld, hat dabei alles erlebt.

Vor der mit Spannung erwarteten Neuauflage dieses deutschen Fußball-Klassikers nahm sich der 57-Jährige Zeit, um mit t-online ausführlich über das möglicherweise vorentscheidende Aufeinandertreffen der beiden Meisterrivalen zu sprechen.

t-online: Herr Kohler, wie haben Sie diese turbulente Woche mit dem Trainerbeben beim FC Bayern und die Entlassung von Julian Nagelsmann mitverfolgt?

Jürgen Kohler: Die Niederlage gegen Leverkusen war da letztlich das ausschlaggebende Kriterium. An den Reaktionen der Verantwortlichen nach dem Spiel konnte man schon irgendwo spüren, dass da vielleicht etwas passieren könnte.

Nagelsmanns Entlassung kam für Sie also nicht überraschend?

Da gibt es nie den richtigen Zeitpunkt. Es werden Entscheidungen von den Verantwortlichen getroffen und man muss versuchen, so professionell wie möglich damit umzugehen. Genau das wird jetzt die Aufgabe der Spieler sein, die damit keine Ausrede mehr haben und jetzt in der Pflicht stehen. Sie sind ja nicht ganz schuldlos an der Trainerentlassung.

Wo sehen Sie die Hauptursachen dafür?

Bayern hat in der Liga zehn Punkte auf den BVB verloren. Dass sie ein derart großes Polster verspielen, ist sehr ungewöhnlich. Das hat es in dieser Form, glaube ich, auch noch nicht gegeben. Und das führt dann eben auch zu einer außergewöhnlichen Situation, einem Ausnahmezustand in diesem Klub.

Dass Thomas Tuchel bei seinem Debüt als neuer Bayern-Coach am Samstag (18.30 Uhr) im Topspiel nun gleich auf seinen Ex-Verein Borussia Dortmund trifft, ist ebenfalls sehr außergewöhnlich.

Ich weiß nicht, ob das noch so speziell für ihn ist. Es ist ja jetzt auch schon ein paar Jahre her, dass er in Dortmund war, und er hat dann den Weg ins Ausland gewählt. Ähnlich wie bei Spielern ist das auch für jeden Trainer noch mal eine andere Entwicklungsstufe. Das ist jetzt schon ein gewisses Alleinstellungsmerkmal für ihn als Coach. Das macht dann den Unterschied zwischen guten und sehr guten Trainern.

Tuchel war also auch für Sie die logische Wahl als Nagelsmann-Nachfolger?

Er war auf dem Markt und in den vergangenen Jahren auch international sehr erfolgreich, mit Paris Saint-Germain und Chelsea, mit denen er den Titel gewann, im Finale der Champions League. Das macht ihn natürlich begehrt.

Bei PSG trainierte er Topstars wie Neymar und Kylian Mbappé. Das könnte ihm jetzt bei Bayern helfen, oder?

Mit Stars umgehen zu können, ist genau die Kunst bei großen Klubs wie Bayern, genau zu wissen, wie man jeden einzelnen Spieler richtig anspricht. Das scheint Tuchel in der Vergangenheit sehr, sehr gut gemacht zu haben. Er ist ein Spieler-Entwickler, der jeden einzelnen wirklich besser macht – auch die, die schon gut sind. Er gibt jedem das Gefühl, dass er gebraucht wird, und damit Selbstvertrauen. So kann man große Erfolge feiern. Tuchel weiß, wie man große Titel gewinnt.

Wie groß kann sein Einfluss auf die Mannschaft im ersten Spiel überhaupt schon sein?

Er wird wahrscheinlich schon die eine oder andere personelle Umstellung vornehmen. Das wird davon abhängen, wann und in welcher Verfassung die Spieler von ihren Nationalteams zurückkehren und wie sie sich dann eben auch im Training präsentieren. Aber Tuchel ist ein Trainer, der sehr genau weiß, wie er an so ein Spiel herangehen muss, kennt die Stärken und Schwächen von Dortmund ganz genau. Das wird er versuchen auszunutzen.

Welche Erwartungen haben Sie an das Spiel Erster gegen Zweiter?

Die Vorfreude ist groß. Ich bin gespannt, wie beide mit der Situation umgehen. Dortmund kommt als Tabellenführer nach München, was schon viele, viele Jahre nicht mehr so war. Und jetzt gilt es zu beweisen, dass man da auch bestehen kann. Auf der anderen Seite kann es bei Bayern mit dem Trainerwechsel hier und da taktische Raffinessen und personelle Wechsel geben. Das wird sehr spannend. Es wird darum gehen, wer sein Spiel durchsetzen kann.

Wird dieses Duell auch die Meisterschaft entscheiden?

Nicht unbedingt. Entscheidender ist, wie die Performance in den acht Spielen danach sein wird. Es wird darum gehen, wer am Ende des Tages den längeren Atem hat, willensstärker ist, wirklich alles zu investieren, um am Ende Deutscher Meister zu werden.

Dass Sie Dortmund zutrauen, den Titel zu holen, sagten Sie schon vor Saisonbeginn.

(lacht) Als ich damals gesagt habe, dass Dortmund für mich der Titelfavorit ist, wurde ich noch belächelt. Viele sagten: "Was erzählt der Kohler da wieder?" Dann wurde Sébastien Haller allerdings krank und verpasste die erste Saisonhälfte komplett. Mit ihm als Mittelstürmer hat Dortmund jetzt eine ganz wichtige Option zurück, die ihr Spiel noch mal variabler macht. Er kann jetzt im Kampf um die Meisterschaft das Zünglein an der Waage werden.

Das könnte für Dortmund auch ein Sieg in München sein, wo es in den vergangenen Jahren immer wieder deutliche Niederlagen setzte, oder?

Dortmund hat neun der zehn Ligaspiele in diesem Jahr gewonnen. Der Trend spricht für den BVB. Bayern könnte die Tabellenführung mit einem Sieg wieder übernehmen. Das hieße trotzdem nicht, dass sie auch Meister werden. Ich glaube nicht, dass sie in dieser Saison diese Konstanz und Stabilität haben, die verbleibenden Spiele dann alle zu gewinnen. Dortmund hat schon insgesamt acht Bundesligapartien mit 1:0 oder 2:1 gewonnen, insgesamt neun ohne Gegentor. Das zeigt, dass sie eine sehr gute defensive Stabilität haben. Wenn sie die beibehalten, könnten sie Bayern richtig gefährlich werden.

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Könnte Platz eins dem BVB psychologisch helfen, den Fluch der vergangenen Jahre zu brechen?

Die Tabellenführung kann da helfen, genauso wie einfache Mathematik. Irgendwann gewinnst du auch mal wieder so ein Spiel, das wird mit jeder Niederlage wahrscheinlicher (lacht). Die Bundesliga war selten so spannend wie momentan.

Es heißt: Die Offensive gewinnt die Spiele, die Abwehr die Meisterschaften. Hat Dortmund also auch die bessere Defensive?

Die Mannschaft hat nach wie vor auch ihre Probleme. Die konnten sie bisher aber sehr gut kompensieren. Sie machen die Räume eng, stehen trotzdem hoch, weil sie mit Niklas Süle und Nico Schlotterbeck zwei relativ schnelle Verteidiger haben. Das war zuletzt ihr Erfolgsbringer. Wenn sie weiterhin so wenige Tore kassieren, dann haben sie auch eine gute Chance, Meister zu werden. Denn Dortmund ist auch immer dazu in der Lage, ein Tor zu schießen und das Spiel dann über die Zeit zu bringen.

Wie sehen Sie die Entwicklung von Dayot Upamecano und Matthijs de Ligt als Abwehrduo des FC Bayern?

Relativ ähnlich wie bei Süle und Schlotterbeck. Alle vier spielen keine makellose Saison mit immer wiederkehrenden Fehlern, die bei allen immer mal wieder auftreten. Die gilt es jetzt in der entscheidenden Phase abzustellen. Für mich haben alle vier noch Luft nach oben, sind noch nicht fertig in ihrer Entwicklung und müssen noch lernen, wie Verteidigen richtig geht.

Upamecano und de Ligt haben Sie gegen PSG mit Kylian Mbappé, Lionel Messi und Neymar also noch nicht komplett überzeugt?

Messi war nach der WM nicht in Topform, Neymar sowieso nicht. Mbappé ist ja im ersten Spiel nur eingewechselt worden und hat Bayern da trotzdem schon ganz schön in Schwierigkeiten gebracht, im Rückspiel weniger – auch weil sie da als Mannschaft gut verteidigt haben. Das muss man schon anerkennen.

Als ehemaliger Weltklasse-Abwehrspieler haben Sie sicher bei de Ligts spektakulärer Rettungsaktion per Grätsche auf der Linie besonders gerne hingeschaut, oder?

Das war schon toll gemacht, er war ja eigentlich schon raus aus der Szene und hat sich trotzdem entschlossen, den langen Weg bis auf die Torlinie zu machen – dafür wurde er belohnt. Das war der Dosenöffner für Bayern. Wenn PSG da 1:0 in Führung geht, sieht es ganz anders aus. Eine Riesen-Rettungstat. Das sind die Mosaiksteinchen, die auf diesem Niveau den Unterschied ausmachen.

Das wird bei Bayern gegen Dortmund jetzt wieder so sein, oder?

Selbstverständlich. Wenn sich zwei Mannschaften auf Augenhöhe treffen, ist das immer so. Da kann jede einzelne Aktion entscheiden.

Inwieweit wäre es ein Signal für die Bundesliga, wenn Dortmund es tatsächlich schaffen würde, Bayern nach zuletzt zehn Meisterschaften in Folge wieder zu entthronen?

Es wäre doch schön, wenn Dortmund Meister wird, Bayern die Champions League gewinnt und Freiburg den Pokal.

Im Viertelfinale spielen die Freiburger am Dienstag als Nächstes in München. Das würde also keinen guten Start für Tuchel bedeuten.

Der Champions-League-Titel wäre dann ja trotzdem ein ganz gutes Trostpflaster für ihn.

Verwendete Quellen
  • Telefoninterview mit Jürgen Kohler
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