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Dortmunds Meistertrümpfe: Der BVB hat dem FC Bayern etwas voraus


BVB vor Meisterkrönung
Bayerns Frustrationsgrenze ist erreicht

Von Julian Buhl

Aktualisiert am 22.05.2023Lesedauer: 6 Min.
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Thomas Tuchel: Der Bayern-Trainer konnte sein Pech kaum fassen. (Quelle: IMAGO/Bernd Feil/M.i.S.)

Mit dem 3:0-Sieg in Augsburg hat sich Borussia Dortmund den Meister-Matchball gesichert. Das ist aber nicht das Einzige, was der BVB dem FC Bayern momentan voraushat.

Aus Augsburg berichtet Julian Buhl

Hat Borussia Dortmund mit dem 3:0-Auswärtssieg beim FC Augsburg bereits sein Meisterstück gemacht? Die mitgereisten Fans hatten daran am Sonntagabend jedenfalls keine Zweifel mehr. "Deutscher Meister wird nur der BVB", schallte es von der "Gelben Wand" im Gästeblock der Augsburger Arena. Die Dortmund-Stars hatten sich Arm in Arm davor aufgereiht und hüpften im Rhythmus der euphorischen Fangesänge.

Die Borussia hatte dem Druck schließlich standgehalten und den Patzer des FC Bayern, der sein Endspiel gegen RB Leipzig am Tag zuvor mit 1:3 verloren hatte, eiskalt ausgenutzt.

Erstmals seit der Saison 2006/07 führten sie damit an den letzten beiden Spieltagen noch einen Wechsel der Tabellenführung herbei und gehen nun mit zwei Punkten Vorsprung auf die Münchner ins Saisonfinale. Dortmund hat sich damit den Meister-Matchball gesichert. Mit einem Heimsieg am Samstag (15.30 Uhr im Liveticker bei t-online) gegen Mainz wäre der Titel in jedem Fall perfekt und die Dauerdominanz des Champions der vergangenen zehn Jahre gebrochen.

Schlotterbeck mit Meisteransage: "Männer, wir werden es"

Nach all den Unwägbarkeiten dieser Saison ist die Meisterschale für den BVB jetzt greifbar nah, der Glaube daran endgültig da. Die Freude und Erleichterung darüber war den Spielern und Funktionären nach der Partie anzumerken. Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke umarmte einige Profis innig, darunter Julian Brandt, der das Tor zum 3:0-Endstand erzielt hatte (90.). Dessen Nationalelf-Kollege Nico Schlotterbeck sprach auf dem Weg in die Kabine das aus, was alle dachten: "Männer, wir werden es."

Und auch Sportdirektor Sebastian Kehl sah man jubelnd mit geballter Faust in den Katakomben der Arena. Mit einem "Yes" schrie er seine Erleichterung förmlich heraus und rief: "Ein verdammter Sieg noch, ein scheiß Sieg noch." Kehl wurde in diesem Moment, wie er verriet, unweigerlich von seiner eigenen Spieler-Vergangenheit eingeholt und den Gedanken an die drei Meistertitel, die er 2002, 2011 sowie 2012 mit den Schwarz-Gelben gewann.

"Das ist ein großer Moment, den wir uns hart erarbeitet haben", sagte der 43-Jährige, "und jetzt kommt das Aber: Wir müssen noch ein Spiel gewinnen. Wir brauchen noch einmal 90 Minuten in unserem Stadion. Die Euphorie wird riesig sein. Jetzt dürfen wir uns das nicht mehr nehmen lassen." Dortmund hat es in der eigenen Hand.

Und das ist längst nicht das Einzige, was sie ihrem taumelnden Münchner Rivalen momentan voraushaben. Was das alles ist? t-online erklärt die Dortmunder Meistertrümpfe.

Haller als echter Mittelstürmer

Das Offensichtlichste führte Matchwinner Sébastien Haller allen Beobachtern mit seinem Doppelpack (58., 84.) vor Augen. Einen solchen Mittelstürmer, der in der entscheidenden Phase der Saison die wichtigen Tore erzielt, vermissen die Bayern nach dem Abschied von Robert Lewandowski schmerzlich. Eric Maxim Choupo-Moting, der seit dem Viertelfinalrückspiel gegen Manchester City am 19. April mal wieder verletzt ausfällt, ist dort der einzige echte Neuner im Kader.

Haller erfüllt seine Rolle beim BVB als Nachfolger von Erling Haaland dagegen immer besser. Nachdem er aufgrund seiner Hodenkrebserkrankung die komplette erste Saisonhälfte verpasst hatte, schreibt er momentan an seiner ganz persönlichen Heldengeschichte im Dortmunder Meistermärchen. Alleine in den vergangenen drei Spielen gelangen ihm fünf Treffer und drei Vorlagen.

"Egal, was nächste Woche passiert, das größte Wunder ist, dass Seb wieder bei uns ist", sagte Edin Terzic. "Der Mensch Sébastien Haller, mit diesem Willen und dieser positiven Energie hat uns so gefehlt. Wir haben gelitten mit ihm und ohne ihn." Auch und vor allem dank seiner Tore ist der BVB jetzt auf Meisterkurs. "Wir hoffen, dass er der Held der Saison wird", sagte Terzic.

Die neue Dortmunder Meister-Mentalität

Weil die Mannschaft in den entscheidenden Momenten regelmäßig versagte, musste sich der BVB in den vergangenen zehn Jahren immer wieder die Mentalitätsfrage stellen lassen. Auch in dieser Saison kam diese zum Beispiel nach den Rückschlägen in Stuttgart (3:3), Bochum (1:1) oder Schalke (2:2) wieder auf. "Es ist nicht die Saison der ungenutzten Chancen, sondern die der Rückschläge", sagte Terzic. "Da geht es darum, wie häufig du bereit bist, wieder aufzustehen." Das ist dem BVB immer wieder gelungen – während Bayern in den wichtigen Phasen dieser Saison ungewohnte Schwächen zeigte und die Mannschaft sich bei Rückschlägen regelmäßig komplett aufgab.

"Ich bin mir sicher, dass sich die Jungs alles kaufen können, was sie wollen. Das nächste Auto. Den nächsten teuren Urlaub. Das nächste Haus", sagte Terzic. All das könnten seine Spieler gerne tun – aber bitteschön erst nach dem Meisterfinale. Denn, so der BVB-Coach: "Was sie sich nicht kaufen können, ist dieser Moment, am Samstag ins Stadion zu kommen." Und Meister zu werden.

BVB-Boss Watzke richtete noch in der Kabine in Augsburg einen Appell an die Mannschaft und sagte ihr, wie er verriet, "dass wir jetzt noch eine Woche durchziehen müssen – und zwar ohne Rücksicht auf Verluste". Damit lag er ganz auf der von Terzic vorgegebenen Linie, der seinem Team vor dem großen Finale keinen freien Tag mehr zugestehen wird und stattdessen voll fokussiert weiter im Meistermodus bleiben will.

"Wir haben seit Januar unfassbar viel gearbeitet und die Dinge durch verschiedenste Änderungen deutlich besser gemacht", sagte Kehl zu t-online auf die Frage nach dem neuen Dortmunder Erfolgsgeheimnis. "Wir sind im richtigen Moment wieder in die Spur gekommen, haben einen Flow entwickelt, richtig gute Stimmung, eine klare Überzeugung – auch in schwierigen Momenten", so Kehl weiter.

"Alleine, dass wir jetzt die letzten Male immer nachziehen mussten, diese Drucksituation auch zu bewältigen, hat die Mannschaft herausragend gut gemacht." Die Statistik gibt Kehl recht. Der BVB musste insgesamt zwölfmal nach den Bayern antreten und gewann dabei zehn Spiele, verlor nur eins und spielte einmal Unentschieden.

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Ein ruhiges Umfeld

Gelungen ist das auch dank eines ruhigen Umfeldes. Die Positionen von Terzic und Kehl standen beim BVB nie zur Debatte. Der fließende Übergang von Michael Zorc zu Kehl ist längst vollzogen – und zwar ohne jegliche Nebengeräusche. Mit Terzic ist der Trainer gefunden, der die Borussia in eine neue Ära führen soll.

Bayern beendete sein vermeintliches "Langzeitprojekt" mit Julian Nagelsmann dagegen vorzeitig und verspielte unter dessen Nachfolger Thomas Tuchel dann sämtliche Titelchancen. Über die ungewisse Zukunft von Vorstandsboss Oliver Kahn sowie Sportvorstand Hasan Salihamidzic wird in München am 30. Mai nun der Aufsichtsrat befinden. Mit ständigen Eskapaden wie Verspätungen, Paris-Trips, Abrechnungsinterviews oder Kabinenprügeleien sorgten außerdem auch zahlreiche Spieler in dieser Saison für eine Renaissance des FC Hollywood.

Eine funktionierende Achse und Stammelf

Im Gegensatz zu Nagelsmann und Tuchel fand Terzic in der Rückrunde auch seine klare Stammelf, auf die er jetzt auch im Saisonfinale konsequent setzt. Unter anderem mit Torhüter Gregor Kobel, den beiden Innenverteidigern Niklas Süle und Mats Hummels, Jude Bellingham, der in Augsburg angeschlagen fehlte, Emre Can, Karim Adeyemi sowie Haller kann er auf eine funktionierende Achse vertrauen. Mit Süle, Can sowie Hummels und Adeyemi, die beide sogar in München aufgewachsen sind, gehören ausgerechnet auch noch vier ehemalige Bayern-Spieler dazu.

Hummels, der sich mittlerweile wieder den Stammplatz von Schlotterbeck zurückerobert hat, saß zwischenzeitlich genau wie Kapitän Marco Reus auf der Bank. Für Unruhe sorgte die Ersatzrolle der beiden Routiniers beim BVB trotzdem nicht. Dass der momentan verletzte Thomas Meunier, der zwischenzeitlich sogar bei der U23 trainierte und eingesetzt wurde, überhaupt keine Rolle mehr spielt, ist ebenfalls überhaupt kein Thema in der Öffentlichkeit. Bei Bayern wurde dagegen schon jede Nicht-Nominierung von Vizekapitän Thomas Müller für die Startelf direkt zum viel diskutierten Politikum – extern und intern.

"Wir haben noch ein Spiel (beim 1. FC Köln, Anm. d. Red.). Wenn wir dieses Spiel gewinnen, dann hat Dortmund ganz großen Druck", sagte Müller nach dem Patzer seiner Bayern gegen Leipzig über die Restchancen im Kampf um die Meisterschaft mit dem BVB. "Sie müssen beide Spiele gewinnen, und das will ich erst einmal sehen. Wenn sie das machen, dann gratuliere ich recht freundlich."

Nach dem Dortmunder Sieg in Augsburg kann sich Müller langsam schon mal überlegen, wie und mit welchen Worten er das genau tun wird.

Verwendete Quellen
  • Eigene Beobachtungen vor Ort in Augsburg
  • Interviews in der Mixed Zone in Augsburg mit Sebastian Kehl und Hans-Joachim Watzke
  • Pressekonferenz mit Edin Terzic in Augsburg
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