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FC Bayern und Ruanda: Warum Geld von einem der ärmsten Länder der Erde?


Deal mit Aufreger-Potenzial
So nehmen die Bayern Geld von einem bitterarmen Land


30.08.2023Lesedauer: 4 Min.
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Bayern-Präsident Hainer (li.) und Vorstandschef Dreesen: Neuer Deal mit umstrittenem Partner.Vergrößern des Bildes
Bayern-Präsident Hainer (li.) und Vorstandschef Dreesen: Neuer Deal mit umstrittenem Partner. (Quelle: IMAGO/Ulrich Wagner)

Der FC Bayern macht ab jetzt Werbung für Tourismus in Ruanda. Aber was bedeutet Tourismus in einem der ärmsten Länder der Erde überhaupt? Und was verspricht sich der Klub davon?

"Wer gedacht hatte, dass der FC Bayern den Sponsor aus Menschenrechtsgründen wechselt, der wurde jetzt hart enttäuscht", lautet die Einschätzung von Wenzel Michalski, Deutschland-Direktor der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch.

Er sieht die neue Partnerschaft mit dem zentralafrikanischen Land, das in den 1990er-Jahren durch einen brutalen Völkermord mit Hunderttausenden Toten weltweit in die Schlagzeilen geriet, als "ganz, ganz schlechte Wahl." Michalskis Begründung: "Das ist ein Staat, in dem Menschenrechte mit Füßen getreten werden."

Damit spielt er auf die umfassende Machtfülle der regierenden Rwandan Patriotic Front (RPF) und des autoritären Präsidenten Paul Kagame an. Regierungskritiker werden regelmäßig bedroht; Meinungs- und Versammlungsfreiheit sind stark eingeschränkt. Hinzu kommt, dass von den etwa 13 Millionen Einwohnern etwa 60 Prozent unter der Armutsgrenze leben.

Daraus ergeben sich zwangsläufig die Fragen:

1. Was bedeutet eigentlich Tourismus in einem der ärmsten Länder der Erde?
2. Und warum geht der FC Bayern eine derartige Partnerschaft überhaupt ein?

Die ruandische Regierung sieht ihre Investitionen in ausländische Sportvereine als eine Investition in die Zukunft des Landes. Schon vor fünf Jahren schloss das Land einen ähnlichen Deal mit dem FC Arsenal aus London ab. Damals hieß es von der ruandischen Entwicklungsgesellschaft: "Je mehr Ruanda am Tourismus verdient, desto mehr können wir in unsere Menschen (zu Hause) investieren."

Laut dem Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) kommt pro Jahr rund eine Million Touristen in das afrikanische Land. Besonders die beeindruckenden Berg- und Seenlandschaften sowie die einzigartige Tierwelt ziehen die Menschen an.

Berggorillas ziehen Touristen aus aller Welt an

Bekanntestes Beispiel sind die Berggorillas, eine Spezies, die es nur in zwei kleinen Gebieten im östlichen Afrika gibt. In Ruanda leben sie im Virunga-Park an der Grenze zu Uganda und der Demokratischen Republik Kongo. Viele Menschen reisen eigens wegen der Gorillas ins Land. Unter diesem Eindruck fördert die ruandische Regierung die Vorkommen anderer Tiere, etwa Löwen.

Diese waren in den Jahren nach dem Völkermord 1994 ausgerottet worden. Flüchtlinge besetzten damals einen Teil des Akagera-Nationalparks im Nordosten des Landes und nutzten ihn als Weideland. Um ihr Vieh zu schützen, jagten und vergifteten sie die verbliebenen Löwen. 2015 flog das Land sieben Raubkatzen aus Südafrika ein, siedelte sie wieder im Akagera-Nationalpark an.

Dieser zählt mittlerweile eine Population von mehr als 40 Tieren, die dort nun mit Nashörnern, Büffeln, Elefanten, Zebras, Giraffen, Leoparden, Hyänen, Flusspferden und Antilopen leben. Das schlägt sich auch in den Besucherzahlen des Landes nieder. Die Einnahmen haben sich seit 2010 verzehnfacht.

Tourismus als wichtiger Wirtschaftsfaktor

Der Tourismus boomt nicht nur in dem Nationalpark, sondern ist für das Land auch insgesamt ein wichtiger Wirtschaftsfaktor. Vor der Corona-Pandemie machte er rund 13 Prozent des ruandischen Bruttoinlandsprodukts aus und sorgte für elf Prozent der Arbeitsplätze.

Wie in anderen Ländern setzte die Pandemie dem Tourismussektor zu. Dennoch unterstreichen die obigen Zahlen dessen Wichtigkeit für ein Land, das 2022 laut Statistischem Bundesamt auf ein Bruttoinlandsprodukt von kaum mehr als 950 US-Dollar pro Kopf kam. Ein Jahr zuvor lag man in dieser Statistik auf dem 176. Platz unter 192 Ländern.

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Entsprechend wichtig ist Tourismus für die Regierung. Sie will diesen konsequent weiterentwickeln und initiierte bereits 2009 einen "Masterplan" für eine nachhaltige Entwicklung in diesem Bereich.

Für dessen Bekanntmachung greifen Präsident Kagame – übrigens ein erklärter Fußballfan – und seine Regierung für ruandische Verhältnisse durchaus tief in die Tasche. Der Deal mit Arsenal soll fast zwölf Millionen Euro pro Saison kosten; zudem gibt es eine Kooperation mit Paris Saint-Germain, die mit kolportierten acht bis zehn Millionen Euro jährlich vergütet werden soll.

Deutsche Steuergelder für den FC Bayern?

Wie viel der FC Bayern von "Visit Rwanda" erhält, ist nicht bekannt. Deutlich weniger dürfte es aber nicht sein. Ruanda erhält Entwicklungshilfe aus Deutschland – auch speziell für den Tourismus. Entsprechend stellt sich die Frage, ob das Bayern-Sponsoring nun indirekt durch deutsche Steuergelder finanziert wird?

"Das Entwicklungsministerium hat im vergangenen Jahr die bilaterale Förderung des Tourismus in Ruanda beendet. Eine Verwendung von Geldern aus der Entwicklungszusammenarbeit für die genannte Zusammenarbeit ist deshalb auszuschließen", erklärte ein Sprecher dazu auf t-online-Anfrage.

Verstummen dürfte die Kritik an der Kooperation vorerst dennoch nicht. Zumal der ruandischen Regierung vorgeworfen wird, die Rebellengruppe March 23 Movement im Kongo zu unterstützen. Diese greift dort Regierungs- und UN-Truppen an. Auch Menschenrechtsverletzungen sollen auf das Konto der Rebellen gehen.

Auswärtiges Amt warnt vor Überfällen im Grenzgebiet

Auch, wenn das BMZ von einer "guten Sicherheitslage" in Ruanda selbst schreibt, gibt es auch immer wieder Überfälle. So warnt das Auswärtige Amt auf seiner Seite beispielsweise davor, dass es "in der Vergangenheit" im Grenzgebiet zur Demokratischen Republik Kongo, Uganda und Burundi "immer wieder zu bewaffneten Überfällen kam".

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Entsprechend wird deutschen Touristen dazu geraten, sich vorab beim Reiseveranstalter über die aktuelle Situation zu informieren und "angesichts möglicher Aktivitäten terroristischer Gruppen in Ruanda besonders wachsam" zu sein.

"Ruanda ist kein Deut besser, was die Menschenrechtslage betrifft als Katar, vielleicht sogar noch schlimmer, denn die ruandische Armee, die ruandische Regierung unterstützt die bewaffnete Gruppe M23, die im Kongo ihr Unwesen betreibt, Kinder ermordet, Frauen vergewaltigt, Dörfer in Brand setzt", erklärte der eingangs zitierte Menschenrechtsexperte Wenzel Michalski bei "Welt TV".

Auch wenn die ruandische Regierung vehement bestreitet, im Kongo militärisch aktiv zu sein, dürfte das Thema den FC Bayern in den nächsten Wochen und Monaten weiter begleiten.

Verwendete Quellen
  • Anfrage beim Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung
  • sportschau.de: FC Bayern wirbt für Ruanda statt Katar - der schlechte Ruf bleibt
  • bmz.de: Ruanda: Wirtschafts- und Beschäftigungsförderung durch Tourismus
  • auswaertiges-amt.de: Ruanda: Reise- und Sicherheitshinweise
  • bmz.de: Vorreiter bei der Umsetzung der Agenda 2030 und des Pariser Klimaabkommens
  • kicker.de: "Ganz schlechte Wahl": Human Rights Watch kritisiert neues Bayern-Sponsoring
  • spox.com: Katar diesmal im Hintergrund: Warum der Ruanda-Deal des FC Bayern München problematisch ist
  • fr.de: Der FC Bayern und Ruanda - muss das sein?
  • deutschlandfunk.de: Human Rights Watch übt Kritik an Bayern-Deal
  • imf.org: World Economic Outlook Database
  • destatis.de: Ruanda (pdf des Statistischen Bundesamts, erschienen am 28. Juli 2023)
  • statista.com: Ruanda: Bruttoinlandsprodukt (BIP) pro Kopf in jeweiligen Preisen von 1981 bis 2022 und Prognosen bis 2028
  • horizont.net: Warum der Sponsoring-Deal von Ruanda mit dem FC Arsenal die Meinungen spaltet
  • fcbayern.com: FC Bayern und "Visit Rwanda" werden Partner bis 2028
  • Mit Material der Nachrichtenagentur dpa
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