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DFL-Investorendeal in der Bundesliga: Der Druck steigt


Es kracht in der Bundesliga
Die Lage spitzt sich zu

Von Benjamin Zurmühl

Aktualisiert am 09.02.2024Lesedauer: 6 Min.
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BVB-Spieler sammeln Schokotaler vom Rasen auf: Seit Wochen (Quelle: Gerhard Schultheiß/imago images)

Die Fans protestieren, Klubs und Liga sind genervt. Der DFL-Investorendeal ruft auch zwei Monate nach der Abstimmung noch Ärger hervor. Ende offen.

Am Mittwoch flogen sie wieder, die Tennisbälle. Anhänger von Union Berlin warfen sie Ende der ersten Hälfte beim Bundesliga-Nachholspiel gegen Mainz 05 zusammen mit anderen kleinen Gegenständen auf den Platz. Minutenlang waren die Ordner in der Mainzer Arena damit beschäftigt, den Rasen freizuräumen. Währenddessen riefen die Anhänger der Berliner "Scheiß DFL" und "Ihr macht unseren Sport kaputt" aus dem Gästeblock.

Ein Vorgang, der spätestens seit dem vergangenen Wochenende so ziemlich jedem Fußballfan in Deutschland bekannt vorkommen sollte. Auch in Freiburg und Hannover kam es zu Spielunterbrechungen. Beim Zweitliga-Topspiel zwischen Hertha BSC und dem Hamburger SV am Samstag schickte der Schiedsrichter die Spieler sogar in die Kabine, weil der Protest der Anhänger mit geworfenen Tennisbällen mehr als 20 Minuten lang andauerte.

Einen Tag später warfen Anhänger des 1. FC Kaiserslautern beim Spiel in Elversberg Zitronen auf den Rasen. "DFL-Investoren machen uns sauer", stand dazu auf einem Banner im Fanblock geschrieben.

Die umstrittene Entscheidung des Martin Kind

Seit zwei Monaten protestieren die Fanszenen der meisten Klubs der 1. und 2. Bundesliga nun gegen den Investorendeal der DFL. Am 11. Dezember hatten 24 der 36 Profiklubs für die Aufnahme von Gesprächen mit möglichen Investoren gestimmt. Damit erreichten sie die nötige Zweidrittelmehrheit äußerst knapp. Ein erster Anlauf im Mai war noch gescheitert.

Eine TV-Kamera bei einem Bundesliga-Spiel (Symbolbild).
Eine TV-Kamera bei einem Bundesliga-Spiel (Symbolbild). (Quelle: IMAGO/Eibner-Pressefoto/Florian Wiegan)

Darum geht es beim DFL-Investorendeal

Für eine prozentuale Beteiligung an den TV-Erlösen soll ein Finanzinvestor eine Milliarde Euro zahlen. Aktuell gibt es noch zwei Interessenten. Der Vertrag soll eine Maximallaufzeit von 20 Jahren haben und bis zum Beginn der Saison 2024/25 unterzeichnet sein. Die Liga will das Geld vornehmlich für den Ausbau ihrer Infrastruktur nutzen. Dazu zählen Digitalisierung und Internationalisierung sowie der Aufbau einer eigenen Streamingplattform. Kritiker fürchten, dass durch den Deal Spiele ins Ausland verlagert werden könnten, der Spieltag weiter aufgesplittet und der Fußball immer teurer werden könnte.

Die aktiven Fanszenen fast aller Klubs reagierten verärgert. Zum einen, weil sie gegen den Einstieg eines Investors waren. Zum anderen, weil ihnen der Prozess zu intransparent war. Die Abstimmung lief geheim und per Papier.

Laut der "Sportschau" hatten einige Teilnehmer die Sorge geäußert, dass ihre Stimme nachverfolgt werden könnte. Besonders umstritten war die Wahl von Martin Kind, des Vertreters von Hannover 96. Der Geschäftsführer der ausgegliederten Profiabteilung des Klubs war vom Mutterverein damit beauftragt worden, mit "Nein" zu stimmen. Da sich in den Folgetagen jedoch zehn Klubs, die mit "Nein" gestimmt hatten, meldeten, war klar, dass sich Kind wohl für einen Einstieg ausgesprochen hatte.

All das rief bundesweite Proteste hervor. Zunächst schwiegen die meisten Fankurven zwölf Minuten lang. Zwölf, weil sie als "zwölfter Mann", wie die Fans gerne genannt werden, übergangen wurden. In manchen Stadien blieb es sogar eine ganze Halbzeit stumm. Eine komische Stimmung, sowohl für Spieler als auch für Fans am Fernsehgerät.

"Man sollte es irgendwann aber mal beenden"

Wirklich aufgehört hat der Protest seitdem nie. An einzelnen Spieltagen war es ruhiger, doch zuletzt nahmen die Aktionen wieder Fahrt auf. Einige Vertreter von Vereinen reagierten genervt. Martin Kind sagte im Interview mit der "Hamburger Morgenpost": "Ich glaube, man kann Probleme nicht lösen, wenn man Tennisbälle wirft. Das übersteigt meine Vorstellungskraft bei Weitem. Wenn man etwas möchte, dann muss man kritisieren, aber auch alternative Lösungsvorschläge unterbreiten."

Der Mainzer Sportvorstand Christian Heidel äußerte sich nach dem Protest am vergangenen Mittwoch wie folgt: "Wir haben es verstanden, dass ein Teil der Fans eine andere Auffassung hat. Das haben wir zu akzeptieren. Man sollte es irgendwann aber mal beenden, sonst hat das mit Fußball nicht mehr viel zu tun."

Unter den Fans sind die Stimmen unterschiedlich. Die einen sind genervt von den andauernden Unterbrechungen, fordern ein Ende der Tennisbälle. Die anderen zeigen Verständnis, sehen die nervenden Proteste als einzige Chance, um das Thema prominent auf die Agenda zu setzen.

Auch ein Spielabbruch ist denkbar

Die Fanszenen selbst sind sich der Wirkung ihrer Aktionen bewusst. Die "Harlekins Berlin", die führende Ultra-Gruppierung von Hertha BSC, erklärte ihre erzwungene Unterbrechung einen Tag später ausführlich in einem Statement: "Genau aus diesen Gründen haben wir uns für die besonders lange, besonders bohrende und besonders anstrengende Protestform entschieden. An kurze Proteste und kurze Unterbrechungen hat man sich scheinbar schnell gewöhnt in Deutschland."

Dabei machten die Ultras klar: "Wir bestimmen selber, wie lange ein Protest dauern darf und wir werden uns hierbei auch künftig nicht an die Vorstellungen von Redakteuren, Vereinsoffiziellen oder DFL-Vertretern gebunden fühlen." In einer Ansprache an die Spieler erklärte der Vorsänger der Hertha-Fankurve namens "Kreisel" nach dem HSV-Spiel, dass man auch einen Spielabbruch in Kauf nehmen würde, um dem Thema die Aufmerksamkeit zu geben, die die Ultras für notwendig halten.

Genau das setzt die DFL und die Bundesligisten unter Druck. Denn auf der einen Seite ist der aktuelle Zustand mit minutenlangen Protesten und viel zu langen Nachspielzeiten schwer auszuhalten. Aber ein Ende der Aktionen ist nicht in Sicht.

Auf der anderen Seite geht es auch nicht ohne die Fanszenen. Denn sie sind das Aushängeschild des deutschen Fußballs im internationalen Vergleich. In keinem anderen europäischen Land kommen so viele Fans in die Stadien, selbst die 2. Bundesliga lockt mehr Zuschauer an als die französische Ligue 1. Bei den Investorengesprächen ist auch das ein Thema. Die Ultras wissen darum und um die sich daraus ergebende Machtposition. Denn selbst wenn sie die Akzeptanz der "normalen" Fans verlieren, die Stimmung im Stadion ist immer noch von ihnen abhängig. Diesen Hebel nutzen sie aktuell. Kollektivstrafen wollte der DFB laut eigener Aussage nicht mehr aussprechen.

Mehrere Klubs fordern Neuwahlen

Es ergibt sich eine schwierige Gemengelage, die zu ersten Reaktionen aufseiten der Vereine führte. Claus Vogt, der Präsident des VfB Stuttgart, forderte am Mittwoch auf der Plattform X die Diskussion über eine neue, transparente Abstimmung. "Unser Verständnis von Demokratie – auch im Fußball – sollte sein: Die Mehrheit entscheidet. Kann aber nicht sichergestellt werden, dass ein demokratisch zustande gekommenes Abstimmungsergebnis korrekt ist, sollte man im Sinne der Demokratie und im Sinne unseres Fußballs miteinander diskutieren, ob eine erneute, transparente Abstimmung aller 36 Vereine in der DFL notwendig ist. Ich meine: Ja, es ist notwendig!"

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Das Brisante: Der VfB Stuttgart zählt zu den Klubs, die für einen Investoreneinstieg stimmten. Das Gleiche gilt für den Karlsruher SC, der sich am Donnerstag zu Wort meldete. Der Zweitligist ging dabei auf den gleichen Punkt wie Claus Vogt ein: "Bei einer so wichtigen und langfristigen Entscheidung dürfen keine Zweifel aufkommen, ob die demokratische Meinungsbildung korrekt zustande gekommen ist. Ganz wichtig ist, dass es ausgeschlossen sein muss, dass kein (gemeint ist wohl "ein", Anm. d. Red.) möglicher Verstoß gegen die wichtigste Grundregel des deutschen Fußballs, nämlich 50+1, vorliegt. Aus diesem Grund präferieren wir auch eine offene Abstimmung."

Die beiden Hauptstadtklubs Hertha BSC und Union Berlin, die im Dezember beide einen Investorendeal ablehnten, sprachen sich ebenfalls für Neuwahlen aus. Unions Präsident Dirk Zingler sagte der "Welt": "Wir tun hier etwas, was es im deutschen Profifußball noch nie gegeben hat und was ihn verändern wird. Wenn wir damit Erfolg haben wollen, unabhängig von der Art und Weise möglicher Investitionen, darf es keinerlei Zweifel an der Rechtmäßigkeit der dafür notwendigen Abstimmungen geben."

Der VfL Osnabrück bereitet sogar einen Antrag vor, der für die Zukunft immer offene Abstimmungen gewährleistet. "Nur so können wir auch formal garantieren, dass die Klubvertreter bei DFL-Abstimmungen den Vereins- und Mitgliederwillen umsetzen und gemäß der Idee von 50+1 agieren", sagte Osnabrücks Geschäftsführer Michael Welling in einem Interview der "Neuen Osnabrücker Zeitung".

Wer gibt zuerst nach?

Dass sich nun schon fünf Vereine geäußert haben, erhöht den Druck auf die DFL und die anderen Klubs. In einem ersten Statement verteidigte die DFL den Investorendeal, sprach von "vielen Chancen für die Klubs" und "keinen Nachteilen für die Fans". Sie kritisierte aber die Proteste der Fankurven: "Nicht im Sinne des Fußballs und des Fairplay ist es jedoch, wenn Protest zulasten der Mannschaften und des sportlichen Wettbewerbs geht und Spiele nicht regulär ausgetragen werden können."

Die DFL will laut eigener Aussage mit Fans nun in einen Dialog treten und ihnen mögliche Sorgen und Ängste nehmen. Jedoch liegt das Problem vieler Fankurven nicht nur im Deal an sich, sondern eben auch in dem Ablauf des Prozesses. Das verdeutlichte auch Herthas Vorsänger "Kreisel" in einem Interview mit dem "Spiegel": "Es gab eine Wahl, in der die Mehrheit der Klubs gegen einen Investor abgestimmt hat. Dann gab es die undemokratische, geheime zweite Wahl. Diese müsste mindestens wiederholt werden, offen und transparent, damit man genau weiß, wie die Leute abstimmen. Und grundsätzlich wäre es wichtig, das Gefühl zu vermitteln, dass der Fußballfan mit seiner Meinung ernst genommen wird."

Die Ausgangslage der Investorendeal-Befürworter wird zunehmend komplizierter. Auch am kommenden Spieltags-Wochenende in der 1. und 2. Bundesliga wird es Proteste geben und wahrscheinlich auch in den Wochen danach. Es wird aller Voraussicht nach Unterbrechungen geben, mal fünf Minuten, mal zehn, mal länger. Es wird Pfiffe von genervten Fans und unruhige Spieler geben. Die Frage, die sich stellt, ist, wer zuerst nachgibt.

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