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Machtkampf beim FC Bayern: Stefan Effenberg über Flick und Salihamidzic


Machtkampf beim FC Bayern
Für mich ist vollkommen klar, wer im Zweifel gehen muss

MeinungEine Kolumne von Stefan Effenberg

Aktualisiert am 10.04.2021Lesedauer: 6 Min.
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Es brodelt seit Monaten zwischen Hansi Flick (l.) und Hasan Salihamidzic. Stefan Effenberg verliert den Glauben, dass sich die beiden noch mal zusammen raufen.Vergrößern des Bildes
Es brodelt seit Monaten zwischen Hansi Flick (l.) und Hasan Salihamidzic. Stefan Effenberg verliert den Glauben, dass sich die beiden noch mal zusammenraufen. (Quelle: Poolfoto/imago-images-bilder)

Der FC Bayern vergrault Hansi Flick. Dabei würde ein Abschied des Trainers im Sommer die Probleme im Verein nicht lösen. Im Gegenteil.

Gerade drei Wochen ist es her, dass Trainer Hansi Flick und Sport-Vorstand Hasan Salihamidzic den ersten Brand beim FC Bayern München gelöscht haben. Oder besser: den Eindruck vermitteln wollten, der Brand sei gelöscht. Es ging um Uneinigkeiten in Bezug auf Transfers – und um einen Streit, bei dem Flick die Worte "Jetzt halt endlich mal das Maul" gewählt hat.

Es brennt schon wieder

Man habe das Thema im Sinne des Vereins aus der Welt geschafft, verkündete Flick. Und Joshua Kimmich warb dafür, dass "etwas Ruhe einkehrt und wir nicht intern Zündstoff nach außen geben." Motto: Seht zu, dass ihr das hinbekommt – sonst wirkt sich das negativ auf die Mannschaft aus.

Ich betone noch mal, dass diese Entwicklung erst drei Wochen her ist. Denn es brennt schon wieder – und diesmal richtig.

Um die Größe des Feuers einschätzen zu können, braucht man nicht jeden Tag an der Säbener Straße oder Mitarbeiter des Vereins zu sein. Allein die Körpersprache der Beteiligten verrät das Ausmaß, wenn sie rund um die Spiele in der Bundesliga oder Champions League zum Interview gebeten werden und über die Zukunft von Flick sprechen sollen.

Jeder Fan sieht: Hier liegt etwas im Argen

Es wäre so einfach zu sagen: Natürlich bleibt Flick bis 2023 bei Bayern – mindestens. Und damit alle Gerüchte zu ersticken. Doch dieser Satz fällt nicht – und wird wahrscheinlich auch rund um das Spiel gegen Union Berlin am heutigen Samstag nicht fallen. Stattdessen sagen die Beteiligten: Wir konzentrieren uns auf dieses Spiel und auf diese Saison. Damit sagen sie nichts – und doch alles. Und sie lassen Spekulationen zu, die auf Dauer am schlimmsten sind. Der Machtkampf spitzt sich zu.

Dazu die Blicke. Die zeigen ganz deutlich: Hier liegt etwas im Argen. Ich bin nicht der einzige, der das erkennt. Jeder Fan sieht das. Fans sind überaus sensibel in solchen Angelegenheiten.

Das jüngste Kapitel: Die gestrige Pressekonferenz, bei der Hansi Flick zu einem Monolog zur Situation ansetzte. Er versuche wenigstens, "das Ganze so zu lösen und zusammenzuarbeiten, dass es im Sinne des Vereins ist. Alles andere kommt nicht von mir." Also von Salihamidzic?

Der Fall Boateng wirft eine Frage auf

Das Beispiel Jérôme Boateng zeigt ziemlich deutlich, wo das Problem liegt. Salihamidzic hat vor dem Hinspiel gegen Paris dessen Abschied zum Saisonende verkündet – und damit offensichtlich Flick überrumpelt. Eine Kommunikation zu diesem wichtigen Thema hat zwischen den beiden also offenbar nicht stattgefunden. Noch schlimmer: Beide sind auch inhaltlich unterschiedlicher Meinung. Salihamidzic wollte den Vertrag nicht verlängern, Flick schon. Salihamidzic hat sich durchgesetzt. Neben David Alaba geht mit Boateng also der zweite herausragende Innenverteidiger ablösefrei. Ich sehe es wie Flick: Der FC Bayern begeht einen Fehler, indem er Boateng gehen lässt.

Der Fall Boateng führt grundsätzlich zu der Frage: Warum hat Flick ganz offensichtlich kein Mitbestimmungsrecht bei Transfers? In meinen Augen ist das absurd und fatal. Und ich muss ehrlich sagen: Ich kenne das so auch nicht aus meiner Zeit beim FC Bayern.

Warum genießt Flick nicht das Vertrauen?

Ich bin in meiner aktiven Karriere zweimal nach München gewechselt. 1990 wollte Jupp Heynckes mich haben. Der Trainer also. Und 1998 wollte mich Ottmar Hitzfeld unbedingt. Also wieder der Trainer. Selbst der bayrische Ministerpräsident Edmund Stoiber hatte sich damals kritisch zu meiner Verpflichtung geäußert. Doch das Vertrauen in Hitzfeld war im Verein riesig – und ist letztlich belohnt worden. Gemeinsam haben wir 2001 die Champions League gewonnen, mit mir als Kapitän. Auch Pep Guardiola hat gleich zu Beginn seiner Zeit bei Bayern 2013 seinen Wunschspieler Thiago bekommen.

Warum genießt Hansi Flick nicht dieses Vertrauen, das Hitzfeld, Heynckes oder auch Guardiola entgegengebracht worden ist? Mir ist das ein Rätsel. Er hat Bayern nicht nur in einer schwierigen Situation geholfen, indem er als Cheftrainer eingesprungen ist. Er hat sie zu dem gemacht, was sie heute sind: der beste Verein der Welt, der in der abgelaufenen Saison jeden möglichen Titel gewonnen hat.

Es geht um die wichtigsten Spieler bei Bayern

Wie also soll das in Zukunft funktionieren? Wie will der FC Bayern den Kader für die kommenden Jahre planen? Wie will er darüber entscheiden, ob Verträge mit Manuel Neuer, Thomas Müller oder Robert Lewandowski über 2023 hinaus verlängert werden? Ob Leon Goretzka und Joshua Kimmich als Teil der Achse im Mittelfeld bleiben? Es geht hier um die wichtigsten Spieler bei Bayern.

Ich sage ganz klar: Ich hoffe nach wie vor, dass Hansi Flick nicht nur seinen Vertrag bis 2023 bei Bayern erfüllt, sondern sogar noch verlängert und eine Ära über sieben, acht Jahre prägt. Hansi Flick ist der beste Trainer für den FC Bayern. Es gibt niemanden, der auch nur im Ansatz so gut passt und Erfolge verspricht. Und ich bin mir sicher, dass viele Fans das ähnlich sehen.

Die Grabenkämpfe gehen an die Substanz

Ich könnte Hansi Flick allerdings verstehen, wenn er irgendwann die Lust verliert. Wenn er das nicht mehr mit sich machen lassen will. Er wird schließlich am Erfolg gemessen. Wie soll er den gewährleisten, wenn er nicht die Spieler bekommt, die er dafür braucht? Wenn Spieler aufgrund ihres Alters gehen müssen, obwohl er sie behalten will? So wie es derzeit läuft, vergrault Bayern Flick. Der kann sich auf nichts mehr verlassen. Zumal diese internen Grabenkämpfe an die Substanz gehen, weil du fast jede Woche damit konfrontiert wirst.

Ich möchte Ihnen dazu noch ein Beispiel geben: die Ansage des ehemaligen Präsidenten Uli Hoeneß nach den Länderspielen der deutschen Nationalmannschaft. Hoeneß sagte, er würde Boateng nicht mit zur EM nehmen, wäre er Bundestrainer Löw. Flick sagte, er kenne es von seinem Verein, "dass man seine Spieler immer unterstützt."

Es läuft etwas falsch

Er war irritiert. Und das zu Recht. Denn auch ich kenne es vom FC Bayern nur so, dass eigene Spieler immer und bedingungslos geschützt und unterstützt werden. Deshalb hat sich Uli Hoeneß doch oft genug mit seinen Attacken gegen Angriffe von außen gewehrt, gegen andere Klubs oder sogar den DFB. Wenn seine Attacken nach innen gerichtet sind, läuft etwas falsch.

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Versetzen Sie sich doch mal in die Lage von Boateng, der zehn Jahre lang alles für den Verein gegeben und zweimal das Triple gewonnen hat. Wenn ich dann so einen Satz vom ehemaligen Präsidenten höre, mit dem ich diese Erfolge gefeiert habe, dann frage ich mich doch: Habe ich das richtig gehört? Ich hätte Boateng verstanden, wenn er von sich aus gesagt hätte: Moment mal. Wenn ihr so mit mir umgeht, dann suche mir einen anderen Verein, bei dem ich von allen unterstützt werde. Vielleicht ist es am Ende sogar so gewesen.

Und auch anstelle von Hansi Flick würde ich mir Gedanken machen, warum meine Spieler und somit auch ich auf einmal von allen Seiten Stöcke zwischen die Beine geworfen bekommen.

Einer von beiden muss gehen

Derzeit gibt es eigentlich nur einen, der sich bedingungslos hinter Flick stellt – und das ist Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge, der allerdings zum Ende des Jahres seinen Posten auf- und an Oliver Kahn weitergibt. Auffällig ist, dass er sich schon zweimal bemüßigt sah, alle Beteiligten zur Raison zu rufen und klipp und klar zu sagen, dass Flick seinen Vertrag bis 2023 erfüllen wird. Genauso auffällig ist allerdings, dass Flick, Kahn und Salihamidzic das entweder nicht verstanden haben – oder es sie nicht interessiert. Beides wäre natürlich fatal.

Flick und Salihamidzic – wie geht es nun weiter? Ich bin lange davon ausgegangen, dass eine Zusammenarbeit im Sinne eines Vereins und des Erfolges unter diesen erwachsenen Menschen möglich sein muss. Heute sage ich: Eine Zusammenarbeit über den Sommer hinaus wird immer unwahrscheinlicher, weil es wohl nicht nur um den Erfolg geht. Das bedeutet, dass einer gehen muss.

Soll ein Trainer den Kader mitgestalten dürfen?

Für mich ist dabei klar: Wenn Flick geht, löst das die Probleme nicht. Zum einen wird Bayern keinen Trainer finden, der besser ist und erfolgreicher sein wird. Zum anderen wird auch ein Trainer wie Julian Nagelsmann oder ein anderer Top-Trainer kaum die Rahmenbedingungen akzeptieren, die besagen: Der Trainer muss mit dem Kader leben, den er von der Vereinsspitze vorgesetzt bekommt – und hat dabei kein echtes Mitspracherecht.

Deshalb müssen sich Rummenigge, Kahn und Präsident Herbert Hainer die Situation genau anschauen. Wollen sie, dass ein Trainer beim FC Bayern den Kader mitgestalten darf? Aus meiner Sicht kann die Antwort nur "Ja" lauten. Und dann müssen sie letztlich eine Entscheidung treffen. Im Zweifel gegen Salihamidzic.

Transparenzhinweis
  • Stefan Effenberg ist Botschafter des FC Bayern München und sagt dazu: „Ich repräsentiere den FC Bayern, insbesondere im Ausland. Mein Engagement hat keinen Einfluss auf meine Kolumnen bei t-online. Hier setze ich mich weiterhin kritisch und unabhängig mit dem Fußball auseinander — auch und insbesondere mit dem FC Bayern.“
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