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Stefan Effenberg: Es gibt einen großen Verlierer beim Nagelsmann-Deal


Neuer Bayern-Trainer
Es gibt einen großen Verlierer beim Nagelsmann-Deal

MeinungEine Kolumne von Stefan Effenberg

Aktualisiert am 28.04.2021Lesedauer: 6 Min.
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"Bin froh, dass der Wechsel zustande kommt": Julian Nagelsmann äußert sich zu seiner Zukunft als Bayern-Trainer. (Quelle: Reuters)

Wird die Bundesliga durch den Wechsel von Nagelsmann zum FC Bayern noch langweiliger? Im Gegenteil. Es gibt vier Gründe, weshalb die Konkurrenz genau jetzt angreifen muss.

Was für eine turbulente Woche, was für eine Entwicklung: Hansi Flick verlässt den FC Bayern zum Saisonende und ist frei für die Nationalmannschaft, dafür kommt Julian Nagelsmann von RB Leipzig für eine Weltrekordsumme jenseits der 15 Millionen Euro samt vereinbarter Erfolgsprämien.

Das gilt es erst mal zu verdauen – und dann in Ruhe nach vorne zu schauen.

Die spannende Frage: Was bedeutet das alles – für den FC Bayern, RB Leipzig, die Bundesliga und den gesamten Fußball?

Vier Gründe, warum Zweifel durchaus angebracht sind

Die ersten Unkenrufe ertönen bereits, dass Bayern mit Nagelsmann noch stärker werden könnte, Leipzig ohne ihn noch schwächer und die Bundesliga somit noch langweiliger.

Ich stimme da allerdings nicht mit ein. Im Gegenteil. Ich freue mich total auf Julian Nagelsmann beim FC Bayern und bin wahnsinnig gespannt. Passt das? Wird das erfolgreich sein? Natürlich ist dieser Wechsel für beide Seiten vollkommen logisch. Der FC Bayern war unter Druck, nachdem Flick seinen Wunsch nach einer Vertragsauflösung öffentlich gemacht hatte. Er musste schnell einen neuen Trainer finden – für dieses Amt gibt es nun mal nicht so viele Kandidaten. Für Nagelsmann ist es die Chance seines Lebens und diese nutzt er. Und trotzdem behaupte ich: Es sind durchaus Zweifel angebracht, dass sie zusammen erfolgreich sein werden. Und zwar aus folgenden Gründen:

Druck: Nagelsmann will Titel gewinnen, daraus hat er nie einen Hehl gemacht. Aber es gibt einen Unterschied, ob ich Titel gewinnen will oder ob ich sie gewinnen muss. Letzteres ist beim FC Bayern der Fall. Hier bekomme ich für einen zweiten Platz keinen Applaus so wie bei Hoffenheim oder Leipzig.

Nagelsmann ist zum Erfolg verdammt. Er will sicher nicht der Erste sein, der nach neun Meisterschaften in Folge den Titel verpasst. Dabei wird eine Meisterschaft nicht mal reichen. Hansi Flick hat die Messlatte mit seinen Erfolgen noch mal höher gelegt. Nagelsmann wird an Titeln gemessen – und zwar insbesondere auf internationaler Bühne. Erst recht, weil er seinen neuen Verein eine Weltrekordablöse gekostet hat. Diesen Druck hat Nagelsmann noch nie erlebt.

Kader: Mit David Alaba und Jérôme Boateng verliert Bayern zwei internationale Topverteidiger. Aus Leipzig kommt dafür Dayot Upamecano, der dort bereits zwei Jahre unter Nagelsmann trainiert hat. Das ist allerdings nur der Beginn eines kolossalen Umbruchs, der Bayern ins Haus steht. Die Verträge von Niklas Süle, Leon Goretzka, Joshua Kimmich, Serge Gnabry, Thomas Müller, Robert Lewandowski und Manuel Neuer laufen in den nächsten zwei Jahren aus. Die allergrößte Herausforderung wird es also nicht sein, ein, zwei Stars zu Bayern zu holen. Es geht darum, diesen Umbruch zu gestalten. Zu entscheiden, welche Leistungsträger bleiben sollen – und welche nicht.

Der Haken: Diese sieben sind die derzeit wichtigsten Spieler des FC Bayern – und sie werden sich nun sicherlich erst mal in Ruhe die Entwicklung anschauen, bevor sie irgendwas unterschreiben. Was hat Nagelsmann vor? Wie gedenkt er die Mannschaft zu führen? Auf welche Spieler setzt er – und auf welche nicht? Und dann braucht es natürlich trotzdem noch zwei, drei Spieler, die den Titelhunger des neuen Trainers teilen.

Historie: Nagelsmann ist der teuerste Trainer der Welt – und der Geschichte des Fußballs. Leider ist das keine Garantie für Erfolg. Der FC Chelsea zahlte 2011 für André Villas-Boas vom FC Porto 15 Millionen Euro und musste ihn nur acht Monate später wieder entlassen. Real Madrid zahlte 2010 acht Millionen Euro für José Mourinho an Inter Mailand – kam in der Amtszeit allerdings nicht über eine Meisterschaft und einen Pokalsieg hinaus. Weder eine Ablöse ist eine Garantie – noch ein Name. Bei Bayern kamen mit Otto Rehhagel, Giovanni Trapattoni, Jürgen Klinsmann oder Carlo Ancelotti absolute Toptrainer mit Vorschusslorbeeren und scheiterten dennoch. Es passte einfach nicht.

Stars: In Hoffenheim hat Nagelsmann gute Spieler trainiert, in Leipzig sehr gute. In München hat er es allerdings mit Superstars zu tun. Mit Serienmeistern, Champions-League-Siegern, Weltmeistern, Triple-Gewinnern. Das bedeutet: Er arbeitet künftig mit nahezu fertigen Spielern, die er ganz anders führen und trainieren muss. Ganz klar: Er darf sich wenig bis keine Fehler erlauben.

Ein Beispiel: Wenn sich Nagelsmann mal im Ton vergreift, hat ihm das die Mannschaft in Hoffenheim oder Leipzig womöglich schnell verziehen – in dem Wissen, dass Nagelsmann das vielleicht größte Trainertalent Europas und erst Anfang 30 ist. Bei Bayern verzeihen die Stars solche Fehler nicht so schnell. Hier gibt es keinen Welpenschutz. Und dann kann eine unglückliche Ansprache oder Aussage schnell eine Dynamik zur Folge haben, die zum Problem wird. Bei Bayern gab es oft genug Spieler, die sich bei den Bossen über den Führungsstil und den Umgang der Trainer beschwert und damit deren Rauswurf eingeleitet haben. Ich erinnere an Ancelotti oder Niko Kovac.

Ist Nagelsmann schon so weit?

Die Menschenführung ist natürlich ein Faktor, bei dem Erfahrung hilft. Die fehlte, um ein Beispiel zu nennen, Thomas Tuchel bei seinem Engagement bei Borussia Dortmund. Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke sagte später über ihn und die Probleme in der Zusammenarbeit: "Thomas ist schon ein schwieriger Mensch." Über die Station bei Paris und nun Chelsea hat Tuchel offenbar dazugelernt. Wenn er immer noch "schwierig" im Umgang wäre, hätte er sicher nicht solchen Erfolg. Auf Nagelsmann bezogen darf man deshalb durchaus die Frage stellen, ob er mit seinen 33 Jahren schon so weit ist.

Entwicklung bei Trainern ist vergleichbar mit der bei Spielern

Bayern und Nagelsmann – das ist auf jeden Fall eine extrem spannende Kombination. Und der nächste Trainerwechsel, der vor einigen Wochen noch nicht abzusehen war. Genau wie der von Frankfurts Trainer Adi Hütter zu Borussia Mönchengladbach. Hütter war gerade mit der Ablösesumme von 7,5 Millionen Euro zum teuersten Trainer der Bundesliga-Geschichte avanciert. Der Rekord hatte keinen Monat Bestand.

Diese Entwicklung ist schon bemerkenswert. Und sie ist vergleichbar mit der bei den Spielern. Hier sind die Ablösesummen zuerst explodiert. Nun ist das auch bei den Trainern der Fall – und das ausgerechnet in Pandemiezeiten. Wenn es so weiter geht – und das erwarte ich – wird man bei Toptrainern künftig auch ein Jahr vor Vertragsende über einen Verkauf nachdenken, um ihn nicht ablösefrei ziehen lassen zu müssen. Wie bei Spielern eben.

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Es gibt einen großen Verlierer

Ich hatte gehofft, dass sich in der Corona-Krise das Rad etwas zurückdreht und die Summen im Fußball sinken. Beim Transfer von Leroy Sané für 45 Millionen schien das der Fall zu sein – sein Marktwert lag eigentlich deutlich höher. Aber: Die Entwicklung im Trainergeschäft geht nun in die andere Richtung.

Dabei gibt es einen großen Verlierer: den Fan, der mit einem Trainer wie Nagelsmann gerade große Hoffnungen verbunden hat – und dann plötzlich seinen Abschied verdauen muss. Der Transfer hat bewiesen: Fußballromantik ist eine Illusion. Es geht nur ums Geld. Das war schon immer so – und das wird auch immer so bleiben.

Bei Bayern wird sich etwas ändern müssen

Natürlich hoffe ich weiterhin, dass der Fußball die Bodenhaftung wiedererlangt. Ich muss aber auch sagen: Im Vergleich zu den Transfersummen bei Spielern sind die bei Trainern sehr wohl gerechtfertigt. Lieber eine hohe Ablösesumme für einen Toptrainer als für einen Durchschnittsspieler. Der Trainer ist die mit Abstand wichtigste Person im Verein. Sie entscheidet mit ihrer Arbeit ganz maßgeblich über Erfolg oder Misserfolg. Deshalb wird sie in England auch mit weitreichenden Kompetenzen als Teammanager ausgestattet und verantwortet zu Recht die Personalplanung.

Ich gehe davon aus, dass Nagelsmann und Bayern besprochen haben, welches Mitspracherecht er bei Personalien hat – gerade, wenn so viele Entscheidungen bei den Leistungsträgern anstehen. Ein Trainer kann nicht abhängig sein von einem Kader, den er nicht mitgestalten darf. Das offensichtlich fehlende Vetorecht für Noch-Trainer Hansi Flick bei Personalentscheidungen hat die vergangenen Monate bestimmt. Zuletzt entschied sich der Verein unter anderem gegen eine Weiterverpflichtung von Alaba und Boateng, die Flick gerne gehalten hätte. Das wird sich bei Bayern nun definitiv ändern müssen.

Und noch etwas könnte sich ändern: Die Vormachtstellung der Bayern. Zumindest bleibe ich dabei: Der Nagelsmann-Wechsel zu Bayern ist für die Bundesliga-Konkurrenz Chance und Mutmacher. Sie darf sich nicht hängen lassen. Im Gegenteil. Jetzt ist es Zeit für den Angriff auf Bayern.

Transparenzhinweis
  • Stefan Effenberg ist Botschafter des FC Bayern München und sagt dazu: „Ich repräsentiere den FC Bayern, insbesondere im Ausland. Mein Engagement hat keinen Einfluss auf meine Kolumnen bei t-online. Hier setze ich mich weiterhin kritisch und unabhängig mit dem Fußball auseinander — auch und insbesondere mit dem FC Bayern.“
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