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EM 2021: Die Europameisterschaft wird zur Virus-Drehscheibe – Kritik wächst


Tausende Corona-Fälle
Die EM wird zur Virus-Drehscheibe – und die Kritik wächst

Von Benjamin Zurmühl

Aktualisiert am 01.07.2021Lesedauer: 4 Min.
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Der "Parken" in Kopenhagen war die Spielstätte der dänischen Mannschaft.Vergrößern des Bildes
Der "Parken" in Kopenhagen war die Spielstätte der dänischen Mannschaft. (Quelle: ITAR-TASS/imago-images-bilder)

Mit der EM in elf Ländern und Fans in den Stadien wollte die Uefa ursprünglich in ganz Europa für Begeisterung sorgen. Doch aktuell werden die positiven Schlagzeilen immer weniger. Denn da gibt es ja noch eine Pandemie.

Durch die Gegend fliegende Bierbecher, sich um den Hals fallende Menschen und bebende Tribünen. Die EM liefert in diesen Wochen Bilder, die das Herz von Fußballfans nach über einem Jahr mit Geisterspielen erwärmen. Es wirkt alles wieder normal. So, wie es eben sein sollte in einem Stadion. Und bei der Uefa freut man sich darüber besonders. Schließlich ist es ihr Turnier, was da gerade stattfindet.

Doch all das fällt dem Verband nun auf die Füße. Und es war abzusehen. Denn während in einzelnen EM-Stadien die Menschen eng beieinandersitzen und -stehen, ist das Coronavirus unter ihnen. Und die besonders ansteckende Delta-Variante breitet sich weiter aus. Denn die Hygienekonzepte mit Impfungen und tagesaktuellen Corona-Tests haben auch Schwächen.

Dabei müssen die Spielorte getrennt voneinander betrachtet werden. In der Allianz Arena München waren beispielsweise nur 14.000 Zuschauer zugelassen. Plätze hätte es für 70.000 gegeben. Ähnlich ist die Lage in Rom oder Sevilla. Bisher ist auch keine Vielzahl an Corona-Fällen nach Partien in diesen Stadien bekannt. An anderen Spielorten ist die Lage jedoch anders.

Drei Städte bereits im Fokus

In Kopenhagen trug die dänische Nationalmannschaft ihre Gruppenspiele aus. Im "Parken" (rund 38.000 Plätze) durften 25.000 Zuschauer dabei sein, als das Team von Trainer Kasper Hjulmand um ein Achtelfinalticket kämpfte. In zwei Spielen kam es nachweislich zu Übertragungen im Stadion. Neun Fans waren es nach Dänemark gegen Belgien am zweiten Spieltag (17. Juni), fünf weitere nach der darauffolgenden Partie gegen Russland (21. Juni). Die dänischen Behörden starteten daher einen Aufruf, dass sich auch Tausende weitere Fans testen lassen sollten.

Das andere Stadion der Gruppe C stand in St. Petersburg. Dort empfing nicht nur die russische "Sbornaja" ihre Gegner, sondern es fand auch das Spiel zwischen Belgien und Finnland (21. Juni) statt. Es sind bis zu 30.000 Zuschauer zugelassen. Die finnischen Behörden berichteten anschließend von rund 300 Fans, die infiziert von der EM zurückgekehrt seien. Aus Schweden kamen ähnliche Klagen. Die "Tre Kronor" spielte zwei Partien, gegen Polen (3:2) und die Slowakei (1:0), in St. Petersburg. Kurze Zeit später meldete die russische Metropole einen Höchstwert an Corona-Toten binnen eines Tages. Trotzdem wird hier am Freitag ein Viertelfinale (Spanien - Schweiz) ausgetragen.

Der größte Fall von Corona-Infektionen durch ein Fußballspiel ist jedoch aus dem Wembley in London bekannt. Nach dem "Battle of the Britain" am zweiten Spieltag zwischen England und Schottland (18. Juni) gab es 1.294 Corona-Infektionen unter schottischen Fans, die ihre Nationalmannschaft in die englische Hauptstadt begleitet hatten. Das gab "Public Health Scotland" laut BBC bekannt. Darunter seien 397 Zuschauer, die das Spiel in Wembley besucht hätten.

Und zu diesem Zeitpunkt waren im Wembley noch 22.500 Zuschauer zugelassen. Seit dem Achtelfinale, darunter auch das Spiel Deutschland gegen England, sind 45.000 erlaubt. Für die Halbfinals und das Endspiel werden sogar 60.000 Tickets verkauft. Eine Kursänderung ist bisher nicht in Sicht. Weder die englische Regierung noch die Uefa machen momentan Anstalten, die Zahl wieder zu reduzieren. Ganz im Gegenteil: Die Uefa hatte mit ihrer Drohung, London das Endspiel zu entziehen, ein Umdenken zu mehr Lockerungen in Wembley provoziert.

Scharfe Kritik aus Deutschland – die Uefa reagiert

Die Kritik am Verband wird daher immer lauter. SPD-Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach twitterte einen Tag nach dem Deutschland-Spiel vor 45.000 Fans: "Das Spiel hat gestern noch mal gezeigt, wie eng die Fans stehen, wie oft sie sich umarmen und anschreien. Es haben sich sicherlich Hunderte infiziert und diese infizieren jetzt wiederum Tausende. Die Uefa ist für den Tod von vielen Menschen verantwortlich."

Am Donnerstag übte auch Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) scharfe Kritik. "Ich halte diese Position der Uefa für absolut verantwortungslos. (...) Bestimmte Hygienevorschriften sind unabdingbar, um die Infektionen eines Tages zu überwinden. Wenn die Menschen sehr dicht aufeinander sind und es Umarmungen gibt, ist vorgezeichnet, dass dies das Infektionsgeschehen befördert."

Die Uefa wies die Kritik von sich. Die Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie seien an jedem Spielort vollständig mit den Regularien der zuständigen lokalen Gesundheitsbehörden abgestimmt, teilte sie am Donnerstag mit. Die Entscheidung über die Anzahl der zugelassenen Zuschauer bei den Spielen und die Einreisebestimmungen liege im Verantwortungsbereich der lokalen Behörden – die Uefa folge diesen.

Seehofer sieht die Verantwortung aber auch beim Verband. Er "könne nur an die Uefa appellieren, es nicht auf die örtlichen Gesundheitsbehörden abzuschieben. Ein Sportverband sollte schon klar erklären: Wir wollen das nicht, wir reduzieren die Zuschauerzahl." Interesse daran gibt es aber wohl nicht.

Ein Blick in die Corona-Zahlen

Für den weiteren EM-Verlauf sieht es aber nicht sonderlich gut aus, was die Entwicklungen der Inzidenzen angeht. Im Vereinigten Königreich (England, Schottland, Wales, Nordirland) steigen die Corona-Zahlen momentan stark an. Die Sieben-Tage-Inzidenz liegt bei 157 und die totale Anzahl an Fällen ist in jenen sieben Tagen im Vergleich zur Vorwoche um knapp 70 Prozent gewachsen. Die Todesfälle und Krankenhauszahlen sind noch auf einem niedrigen Niveau, steigen aber auch leicht an. Und das, obwohl über 60 Prozent der Bevölkerung zweimal geimpft wurden. Ohne jene Impfungen wäre die Zahl vermutlich weitaus höher.

Und genau in dieser Region sollen drei weitere Spiele mit jeweils 60.000 Fans stattfinden. Auf den TV-Bildern wird das gut aussehen, für den Kampf gegen die Pandemie ist dies allerdings kontraproduktiv.

Wie ausgelassen und stellenweise unvorsichtig die Fußballfans an den EM-Austragungsorten feiern, sehen Sie im Video hier oder oben im Artikel.

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