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Manchester United: Das schwere Erbe des Sir Alex Ferguson


"Ende eines Imperiums"
Das schwere Erbe des Sir Alex Ferguson

Von t-online
20.01.2014Lesedauer: 5 Min.
David Moyes agiert bei Manchester United bisher glücklos.Vergrößern des BildesDavid Moyes agiert bei Manchester United bisher glücklos. (Quelle: imago)
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Aus England berichtet Marc L. Merten

Es war beschlossene Sache: Sollte Manchester United sein Match im FA-Cup gegen Nottingham Forest verlieren, würde man Alex Ferguson feuern. Die Klub-Bosse zweifelten an ihm. Die Medien trompeteten "Fergie, der Flop!". Nur neun Siege in zuvor 35 Spielen waren eine verheerende Bilanz. Ferguson hatte Star-Spieler verkauft und aus den Neuen noch keine Einheit geformt. Ein Fan-Banner "Drei Jahre voller Ausreden – noch immer alles schlecht" zierte Old Trafford. Vor ziemlich genau 24 Jahren stand Ferguson bei United vor einem Scherbenhaufen.

Später beschrieb Sir Alex die Zeit des Dezembers 1989 und Januars 1990 als "die dunkelste Zeit" seiner Karriere. Ein 1:0 über Forest rettete ihm den Job. Wenige Monate später gewann er den FA-Cup, ein Jahr später den Pokal der Pokalsieger. Wiederum ein Jahr später wurde die Premier League gegründet, es folgten 13 Meisterschaften bis zu seinem Rücktritt im vergangenen Sommer.

Allgegenwärtiger Ferguson als Last für seinen Nachfolger

Noch immer ist Ferguson in Old Trafford allgegenwärtig. Bilder seiner Erfolge zieren die Wände der Geschäftsstelle. Seine Bronzestatue thront vor dem Stadion. Doch das schlimmste für seinen Nachfolger David Moyes ist: Ferguson selbst sitzt bei den Spielen der Red Devils im Stadion. Schließlich ist der erfolgreichste Teammanager der Welt nicht in Rente gegangen, sondern sitzt als Berater der Bosse weiter mit im Boot.

Moyes würde sich nie erlauben zu sagen, dass Fergusons Anwesenheit in Old Trafford eine Last für ihn ist. Aber es ist ihm anzusehen, wie sehr er sich nach Luft zum Atmen sehnt, ohne den kritischen Blick seines Vorgängers von der Haupttribüne, des Mannes, der Moyes höchstpersönlich zu seinem Nachfolger auserkoren hatte.

Das Ende eines Imperiums

Vielleicht hat sich der 50-Jährige am Sonntagnachmittag an die dunkelsten Stunden Fergusons vor 24 Jahren erinnert. Moyes’ Team verlor bereits zum siebten Mal diese Saison, dem FC Chelsea schenkte man ein 1:3 und dem Trainer der Blues, José Mourinho, dessen 100. Sieg in der Premier League.

Von solchen Zahlen ist Moyes genauso weit entfernt wie sein Team von konstant guten Auftritten. Der größte Klub Englands steckt in einer schweren Krise: Trotz fünf Siegen aus den letzten sieben Premier-League-Spielen, trotz einer Champions-League-Gruppenphase ohne Niederlage und trotz der Chance, ins Finale des League Cups einzuziehen.

Manchester United hat sich bereits im Januar aus dem Rennen um die Meisterschaft verabschiedet. Platz sieben, nur 36 erzielte Tore (zum Vergleich: Manchester City 63), schon sechs Punkte hinter Rang vier, dem letzten Champions-League-Platz, 14 Punkte hinter Tabellenführer Arsenal. Der "Telegraph" nannte die Pleite an der Stamford Bridge das "Ende eines Imperiums".

Wo sind all die Superstars hin?

Kein Wunder, dass Moyes in der Kritik steht. Seit seinem ersten Tag in Manchester wird der ehemalige Everton-Erfolgscoach mit Argusaugen beobachtet. Und als der Saisonstart in die Hose ging, hatten Kritiker schnell Argumente zur Hand, die gegen ihn sprachen. Besonders eine Statistik: In 48 Spielen als Teammanager konnte Moyes kein einziges (!) Auswärtsspiel gegen die Top Vier Englands (Chelsea, Arsenal, Liverpool oder United) gewinnen. Kein einziges. Ein Zeichen der Schwäche? Bekommt Moyes es nicht hin, in entscheidenden Spielen sein Team taktisch klug einzustellen?

Moyes’ Fürsprecher sagen, es sei zu früh, über seine Qualitäten zu richten. Und wer Uniteds Niedergang der letzten Monate genauer betrachtet, sieht tatsächlich, dass es weniger eine Frage der Qualität des Trainers als des Kaders ist. Englands Experten sind sich einig, dass die Ursachen der heutigen Krise schon in der Ferguson-Ära zu finden sind. Der Erfolgscoach mag eine Meistermannschaft hinterlassen haben - doch eine, die keine Zukunft mehr hatte.

Jahrelang las sich der Kader der Red Devils wie das "Who is Who" des Weltfußballs. Nach United-Spielern streckten Topklubs aus ganz Europa die Finger aus. Aber heute? Die aktuell verletzten Wayne Rooney und Robin van Persie ausgenommen, wundert man sich, wo all die Topspieler hin sind. Mittlerweile verfügen Mannschaften wie Chelsea, Arsenal oder Uniteds Stadtrivale City über die nominell besseren Teams, vor allem im Mittelfeld.

Der verpasste Özil-Transfer

Schon Ferguson biss sich an der Frage die Zähne aus, wer in der Schaltzentrale die Fäden ziehen sollte. Er reaktivierte Paul Scholes. Er verpflichtete Shinji Kagawa. Doch während letzterer nie eine echte Chance bekam, wurde das Problem schließlich ungelöst an Moyes übergeben, auch, weil Ferguson keine Transfers mehr zur neuen Saison tätigen und diese der neuen Vereinsführung überlassen wollte. Denn neben Moyes kam auch ein neuer Geschäftsführer. Doch gerade dieser Machtwechsel führte zum Tiefpunkt einer verfehlten Personalpolitik. Die Transferperiode im Sommer 2013 wurde zum Desaster für Manchester United.

Moyes stellte zwar das Scouting-System um und schickte dem Vernehmen nach so viele erfahrene Scouts auf die Suche wie noch nie zuvor, doch im entscheidenden Moment unterlief ihm ein schrecklicher Fehler. Er entschied, auf die Verpflichtung eines gewissen Mesut Özil zu verzichten. Dieser wechselte stattdessen für 50 Millionen Euro zu Arsenal, und alle sind sich einig, dass, sollten die Gunners die Meisterschaft holen, der deutsche Spielmacher das fehlende Puzzlestück dazu war.

Dabei war Özil United angeboten worden, und dem Vernehmen nach hätte sich der Deutsche eher für Manchester als für London entschieden. Doch Moyes glaubte nicht, dass Özil seine Anforderungen eines Generals im Mittelfeld erfüllen würde. Stattdessen holte er in einer Last-Minute-Aktion seinen belgischen Zögling Marouane Fellaini aus Everton. Doch dieser brachte es bislang nur auf sieben Einsätze von Beginn an und fällt nun erst einmal länger verletzt aus.

Noch immer "die Aura des größten Klubs der Welt"

Die Hoffnungen ruhen aktuell auf der baldigen Rückkehr der Stürmerstars Rooney und van Persie, auf dem 18-jährigen Wunderkind Adnan Januzaj und auf der gigantischen Summe von 240 Millionen Euro. Die darf Moyes dem Vernehmen nach im Winter und Sommer in neue Spieler investieren. Sein einziges Problem: Im Winter sind kaum Spieler verfügbar, die dem Klub wirklich weiterhelfen. Und wenn, bieten neben United auch die anderen Reichen-Klubs aus Paris, Monaco oder London mit. Moyes glaubt zwar, dass United noch immer "die Aura des größten Klubs der Welt" hat. Doch sportlich spricht vieles gegen ihn.

Irgendwie, das weiß der 50-Jährige, muss United die Qualifikation zur Königsklasse schaffen. Nur so bleibt der Klub für die Superstars attraktiv. Und bis dahin wird der Kader ausgemistet. Die Verträge der Altstars Rio Ferdinand (35), Patrice Evra (32), Nemanja Vidic (32) und Ryan Giggs (40) sowie die von Federico Macheda (22) und Fabio da Silva (23) laufen aus. Bis auf Vidic werden wohl alle den Klub verlassen, Giggs ist ein Sonderfall und wird, in welcher Funktion auch immer, im Klub bleiben.

Ferguson hatte drei Jahre Zeit bekommen, ehe man mit ihm im Januar 1990 fast die Geduld verlor. Auch deswegen betont Moyes immer wieder, dass sein Engagement "ein langfristiges Projekt" sei. In der Tat wird seine Arbeit erst seriös zu bewerten sein, wenn er ein Team nach seinen Vorstellungen zusammenstellen konnte. Bis dahin muss er damit leben, ständig in der Schusslinie zu stehen. "Alle reden über uns. Es scheint, als ob sich eigentlich jeder ein starkes United wünscht. Nun, es mag ein wenig dauern. Aber schreibt uns noch nicht ab!"

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