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Gerald Asamoah über Deutschlands Nationalmannschaft: Es wäre mal wieder an der Zeit


DFB-Elf in der Krise
Es wäre mal wieder an der Zeit

MeinungEine Kolumne von Gerald Asamoah

Aktualisiert am 28.09.2022Lesedauer: 3 Min.
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Hansi Flick (l.): Trotz der letzten Ergebnisse glaubt t-online-Kolumnist Gerald Asamoah an die Arbeit des Bundestrainers. (Quelle: IMAGO/Moritz Mueller)

Deutschlands Auftritte gegen Ungarn und England haben wenig Anlass zur Hoffnung auf eine erfolgreiche WM gegeben. Gerade deshalb sollte niemand dieses Team abschreiben.

Deutschland ist eine Turniermannschaft.

Ich weiß, das klingt abgedroschen und stark nach einer Handvoll Euro ins Phrasenschwein. Außerdem haben die vergangenen großen Turniere 2018 und 2021 an diesem Image gekratzt. Aber dennoch: Irgendwo schlummert diese besondere Qualität in der Nationalmannschaft.

Ich kann gut verstehen, dass die jüngsten Auftritte der DFB-Elf in der Nations League gegen Ungarn und England eher wenig Anlass zur Hoffnung auf einen furiosen Durchmarsch bei der Weltmeisterschaft 2022 gegeben haben. Die Medien sind voll des Fragens, Kommentierens und Problematisierens.

Es wirkt häufig so, als ob die deutsche Mannschaft trotz allen Talents noch ihr Gesicht sucht. Es gibt einige Baustellen, die Bundestrainer Hansi Flick und sein Team zu beackern haben – und das alles, obwohl gar nicht mehr viel Zeit bleibt und die konkrete Vorbereitung als Team vor dem Turnier in Katar denkbar kurz ist.

Das wird eine wirklich große Herausforderung für Flick werden, der allerdings ein hervorragender Chefcoach ist und bereits aus seiner Zeit als Assistent von Jogi Löw um die Besonderheiten einer Nationalmannschaft weiß. Flick kennt das Image der Turniermannschaft und hat es entscheidend mitgeprägt. Ich bin mir sicher, er weiß auch angesichts der Endrunde in Katar, was es braucht.


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2002 spürte ich zum ersten Mal so richtig, was "Turniermannschaft" bedeutet.


Gerald Asamoah


Ich will mich aber gar nicht in taktischen Analysen und Ferndiagnosen verlieren. Mir geht es eher um die Mentalität, den Spirit, mit dem die Jungs in die WM gehen.

Als ich selbst noch für die Nationalelf am Ball war, hatten wir ähnliche Situationen vor großen Turnieren. Im März 2006 zum Beispiel, vor der Weltmeisterschaft in Deutschland. Wir verloren 1:4 gegen Italien und ernteten heftige Kritik. Alles war irgendwie schlecht. Das Vorrunden-Aus drohte schon. Was wenige Woche später folgte, war das Sommermärchen, der dritte Platz bei der WM, der Aufbruch in die Modernisierungsjahre des deutschen Fußballs.

Schon 2002 in Japan und Südkorea traute uns niemand etwas zu. Wir waren über die Relegation gerade eben noch so ins Turnier reingerutscht und schafften es dann bis ins Endspiel, das wir leider unglücklich verloren. Ich erinnere mich noch gut an das erste Gruppenspiel gegen Kamerun: Wir bekamen eine Rote Karte, Kamerun hatte eine wirklich starke Mannschaft und doch gewannen wir in Unterzahl 2:0. Wir wuchsen zu einer Einheit zusammen.

Damals spürte ich zum ersten Mal so richtig, was "Turniermannschaft" bedeutet. Diese besondere Gewissheit, dass in wichtigen Wettbewerben für uns als Nationalmannschaft – wenn man ein echtes Team ist – immer etwas drin ist, ganz egal, wie die Umstände sind und was uns zugetraut wird.

Mir ist klar, dass das alles lange her ist und dass man das natürlich nicht einfach so vergleichen kann. Aber vielleicht ist es das, was der deutschen Mannschaft am meisten Hoffnung machen sollte. Spiele bei einer WM sind einfach etwas anderes als Testspiele oder Partien in der Nations League.


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Gerade jetzt sollte man Deutschland nicht abschreiben.


Gerald Asamoah


Thomas Müller hat den Faktor "Turniermannschaft" nach dem Auf-und-ab-Duell gegen England ebenfalls angesprochen. Gerade Veteranen wie Müller, oder auch Manuel Neuer, können dafür sorgen, dass sich eine Turniermentalität entwickelt, dass ein Team zusammenwächst, das sich selbstbewusst auch mal durch so eine Weltmeisterschaft durchboxt, selbst wenn der Ball nicht immer nach Plan läuft. Gerade bei einem Turnier, das völlig arrhythmisch im deutschen Winter mitten in der Vereinssaison und unter klimatisch schwierigen Bedingungen stattfindet. Von den politischen und menschenrechtlichen Bedingungen in Katar mal ganz zu schweigen – aber das ist nochmal ein ganz anderes, ganz eigenes Thema, das Fragen nach Taktik und Tabellen deutlich in den Hintergrund rücken lässt.

Vize-Weltmeister Gerald Asamoah schreibt monatlich als Kolumnist für t-online über aktuelle und spannende Geschehnisse sowie gesellschaftliche Komponenten des Fußballs.

Mir ist klar, dass diese Gewissheit mit einem Ausscheiden in der Vorrunde 2018 und im Achtelfinale 2021 ein Stück weit verschwunden ist und dass sie nicht mit einem Fingerschnipsen zurückkommt. Aber ich glaube daran: Deutschland sollte man nicht abschreiben. Gerade dann nicht, wenn es vorab holpert und stottert.

Dass die Jungs einen guten Weg gehen im Winter. Dass sie einen Glauben an sich selbst entwickeln, der sie trägt – das wünsche ich ihnen. Und dass Deutschland wie eine Turniermannschaft spielt!

Es wäre mal wieder an der Zeit.

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