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Wasserball-Legende Hagen Stamm fordert öffentlich-rechtlichen Sportkanal


Hagen Stamm
Wasserball-Legende Stamm fordert neuen TV-Sportkanal

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InterviewVon Alexander Kohne

Aktualisiert am 02.01.2020Lesedauer: 7 Min.
Interview
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Das Gesicht des deutschen Wasserballs: Hagen Stamm gewann als Aktiver 1984 mit der deutschen Nationalmannschaft Olympia-Bronze in Los Angeles. In 323 Länderspielen warf er über 750 Tore. Heute ist er Bundestrainer.Vergrößern des Bildes
Das Gesicht des deutschen Wasserballs: Hagen Stamm gewann als Aktiver 1984 mit der deutschen Nationalmannschaft Olympia-Bronze in Los Angeles. In 323 Länderspielen warf er über 750 Tore. Heute ist er Bundestrainer. (Quelle: Springstrow/imago-images-bilder)

Hagen Stamm gilt als "Mr. Wasserball". Als Spieler war er Olympia-Held und 14-mal Meister. Heute leitet er ein Unternehmen mit über 200 Mitarbeitern und ist nebenbei Bundestrainer. Aufgrund des übermächtigen Fußballs sorgt sich der 59-Jährige um seine und andere kleine Sportarten.

Olympia-Bronze 1984 in Los Angeles, zweimal Europa- sowie 14-mal deutscher Meister: Hagen Stamm hat den Wasserball in Deutschland geprägt wie kein Zweiter. Nach seiner Sportlerkarriere startete er in der Geschäftswelt durch und machte aus einem kleinen Berliner Fahrradgeschäft die europaweit operierende Firma BBF Bike mit über 200 Mitarbeitern. Außerdem ist der 59-Jährige seit 2016 zum zweiten Mal Bundestrainer. Sein großes Ziel: die Olympia-Teilnahme 2020.

t-online.de: Herr Stamm, Sie sind Geschäftsführer eines Fahrradunternehmens, Präsident der Wasserfreunde Spandau und Bundestrainer. Wie bekommen Sie das alles unter einen Hut?

Hagen Stamm: Irgendwie geht das. Wichtig ist, dass es Spaß macht – und das tut es. Außerdem habe ich überall gute Leute, die mir helfen: in der Firma, im Verein und auch in der Nationalmannschaft.

Wie viele Stunden arbeiten Sie denn so in der Woche?

Das habe ich noch nie zusammengerechnet (lacht). Das ist so wie ein Hobby. Man rechnet ja auch nicht nach, wie viel Zeit man damit verbringt. In Bezug auf den Sport gibt es aus meiner Sicht eine Generationenverpflichtung – gerade, wenn man so eine tolle Zeit wie ich in den 1980er-Jahren hatte. Da war Wasserball in Deutschland richtig erfolgreich und wir hatten einen absoluten Hype. Dann muss man der nächsten Generation etwas zurückgeben.

Hagen Stamm
Der gebürtige Berliner gewann 1984 mit den deutschen Wasserballern Olympia-Bronze. Mit den Wasserfreunden Spandau holte er zudem 14 Meisterschaften und viermal den Europapokal der Landesmeister. Mittlerweile ist der 59-Jährige Bundestrainer und leitet außerdem das Fahrradunternehmen BBF Bike.

Offiziell haben Sie als Bundestrainer eine 50-Prozent-Stelle. Wie viele Stunden machen Sie tatsächlich?

Drücken wir es so aus: Ein Vollzeit-Bundestrainer würde bestimmt nicht mehr machen als ich aktuell. Im Sommer bei der WM war ich quasi 24 Stunden am Tag Bundestrainer – und das inklusive der Vorbereitung über sechs Wochen. In 2020 mit der Europameisterschaft im Januar (in der es in der Vorrunde gegen Kroatien, Montenegro und die Slowakei geht, Anm. d. Red.), dem Olympia-Qualifikationsturnier im Frühjahr und hoffentlich auch den Olympischen Spielen im Sommer in Tokio könnten es zwischen 100 und 110 Lehrgangstage werden. Wenn man jeweils zwölf Stunden am Tag rechnet, kommt da schon was zusammen. Es gibt aber auch Pausen. Dementsprechend ist die mit dem DSV-Sportdirektor Thomas Kurschilgen erfolgte Einigung auf eine halbe Stelle völlig okay.

Apropos Olympische Spiele 2020: Wie wahrscheinlich ist die Qualifikation Ihres Teams?

Die Chance liegt zwischen 10 und 20 Prozent.

So gering?

Ja, realistisch gesehen schon. Vereinfacht gesagt, gibt es für europäische Mannschaften noch vier Olympia-Plätze. Mit Kroatien, Montenegro und Griechenland sind drei davon schon mal so gut wie vergeben. Dahinter kommen viele andere Teams wie Russland oder Frankreich, mit denen wir uns um den letzten Platz streiten. Deshalb ist die Chance wirklich gering. Wir können uns vielleicht auf 25 Prozent einigen, mehr sind es wirklich nicht. Aber: Einfache Aufgaben fand ich schon immer langweilig.

Zuletzt wurde die Olympia-Qualifikation zweimal verpasst. Droht der deutsche Wasserball in der Bedeutungslosigkeit zu versinken, wenn es auch diesmal nicht klappt?

Ach, wir Wasserballer bewegen uns ja eh in einem Medium, in dem Untergehen Standard ist (lacht). Im Ernst: Es wird auch weitergehen, wenn wir uns nicht für Tokio qualifizieren. Bei der EM 2018 sind wir Neunter geworden und bei der WM 2018 Achter. Für die Sportförderung von Bundesinnenministerium und Deutschem Olympischem Sportbund zählen wir damit zur erweiterten Weltspitze. Aber wir wollen natürlich trotzdem unbedingt zu den Spielen und werden das Wasser bis zur letzten Sekunde umpflügen, um es nach Tokio zu schaffen.

Sie waren bisher dreimal als Spieler und zweimal als Trainer bei den Spielen dabei: Was fasziniert Sie am meisten an den Spielen?

Olympia löst einfach Gefühle und Adrenalinschübe aus, die einen über die nächsten vier Jahre tragen und dazu bringen, bis dahin weiterzumachen. Ein Beispiel: Vor dem Einlauf bei der Eröffnungsfeier müssen die Athleten meistens drei, vier Stunden in irgendwelchen Turnhallen warten. Dann geht es endlich in die Stadionkatakomben. Bei den Spielen in Peking 2008 standen dort 300 deutsche Sportler – Dirk Nowitzki vorneweg mit der Fahne – und Hand- und Wasserballer haben spontan angefangen, die Nationalhymne zu singen. Dann haben die anderen mit eingestimmt und wir sind der Helligkeit des Stadiontores, das aussah wie das aufgerissene Maul eines Löwen, entgegen und in die Arena gelaufen. Dort haben 80.000 jubelnde Zuschauer gewartet. Ich bekomme jetzt noch eine Gänsehaut, wenn ich davon erzähle.

Und was fasziniert Sie am Wasserball?

Wir sind doppelt sauber: Einerseits weil wir durch unseren Sport im Wasser nicht so viel duschen müssen, andererseits weil es im Wasserball noch nie einen nennenswerten Dopingfall gegeben hat. Es ist außerdem eine sehr kreative Sportart, in der der Einzelne verrückte Sachen machen kann, die Spiele entscheiden. Trotzdem steht der Teamgedanke im Vordergrund, man erlebt Erfolg und Misserfolg gemeinsam. Und es geht richtig zur Sache. Mit den intensiven Zweikämpfen ist Wasserball nicht viel anders als Handball, nur eben im Wasser. Unser Problem ist vielleicht, dass leider nur der Kopf rausguckt – medial wäre viel mehr möglich, wenn man die Körper der Jungs über Wasser sehen würde. Dann hätten wir keine Sponsorenprobleme, weil die Jungs so gut aussehen wie nur wenige andere Sportler.

Wie groß sind diese Sponsorenprobleme?

Der 97. Sponsor beim Fußball stellt wahrscheinlich mehr Geld zur Verfügung als der Hauptsponsor beim Wasserball. Wir haben zwar schon ein paar Sponsoren, stehen in der Nationalmannschaft aktuell aber beispielsweise ohne einen Großsponsor dar. Das ist natürlich ein sehr unglücklicher Zustand. Wir sind sehr dankbar dafür, dass Sporthilfe und Bundeswehr den Sport ermöglichen, aber ein paar Sponsorenmöglichkeiten für die Spieler wären schon wünschenswert. Zumal Wasserball für viele Sponsoren und Produkte geradezu prädestiniert ist – für alles, was mit Wasser oder Luft zu tun hat, zum Beispiel Cremes und Duschgels.

Was verdient ein Nationalspieler so?

Ein Nationalspieler verdient mehr, als er bekommt. Weil er vier Stunden am Tag trainiert, am Wochenende die Spiele hat und dann noch Kraft- oder Taktikeinheiten dazukommen. Es ist wahrscheinlich vergleichbar mit einem Job bei Kaiser’s an der Kasse. Man kann davon leben, aber kaum etwas zurücklegen. Doch darüber meckert bei uns keiner, denn jeder hat sich Wasserball selbst ausgesucht. Er hätte ja auch versuchen können, der millionste Fußballer zu werden. Jedem ist klar, dass er als Wasserballer keine Reichtümer anhäufen kann. Jedenfalls nicht in Deutschland. Topspieler in Italien, Ungarn oder Ex-Jugoslawien gehen allerdings auch mal mit 200.000 Euro netto im Jahr nach Hause.

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Zu Ihrer aktiven Zeit Anfang der 1980er-Jahre war Wasserball in den Medien viel präsenter. Heute überstrahlt der Fußball alles. Nervt Sie das?

Deutschland ist nun einmal eine Fußballnation und mit dieser Realität müssen wir leben. Natürlich nervt es manchmal, wenn in der Zeitung mehr Zeilen dafür verwandt werden, dass irgendein Fußballspieler einen Pickel auf der Backe hat, als dass es im Wasserball ein mitreißendes Spiel gegen einen internationalen Topgegner gegeben hat. In Deutschland ist es medial für eine Sportart wie Wasserball sehr schwer. Harry Valérien (ehemalige ZDF-Sportmoderatoren-Legende, Anm. d. Red.) hat einmal gesagt: Eigentlich ist Wasserball die beste Sportart überhaupt – die müssen nur noch lernen, übers Wasser zu laufen. Wir arbeiten noch daran!

Zu Zeiten von Valèrien haben bei den Öffentlich-Rechtlichen neben Fußball auch andere Sportarten prominente Sendezeit bekommen. Sollte das wieder so werden?

Ich bin für einen öffentlich-rechtlichen Sportkanal, der sich dieser Sachen annimmt. Aus meiner Sicht haben die Öffentlich-Rechtlichen einfach die Verpflichtung dazu. Es gibt so viele tolle Sportarten, die viel zu wenig Beachtung finden – und damit meine ich nicht nur Wasserball. Wenn ich beispielsweise sehe, wie viel Synchronschwimmerinnen trainieren müssen, bis die eine gemeinsame Kür hinbekommen – das ist schon Wahnsinn. Aber es kommt keiner auf die Idee, die deutschen Meisterschaften dort zu übertragen, obwohl es wirklich sehr ästhetisch ist und man da ganz viel draus machen könnte.

Ein Vorbild für so einen Sender könnte die Wintersport-Berichterstattung sein. Ich sitze oft bei Kaffee und Lebkuchenherzen vor dem Fernseher und schaue mir den Wintersport-Sonntag an. Da kann man auch Disziplinen sehen, die nicht so populär sind. So was wünsche ich mir für Mannschaftssportarten im Sommer genauso – und natürlich auch für andere Sommersportarten. Dafür könnten wir einen öffentlich-rechtlichen Kanal, auf dem alle Sportarten gebracht werden, durchaus gebrauchen. Ich glaube, dass es dafür auch genügend Zuschauer gibt.

Woran könnte sich so ein Kanal orientieren – eher an Eurosport oder eher an ZDFneo?

Ich bin da eher bei ZDFneo. Ganz generell muss man ARD und ZDF natürlich zugutehalten, dass sie viel über Livestreams machen – so wurde beispielsweise auch über die Wasserball-WM zuletzt berichtet. Trotzdem fände ich einen Spartenkanal besser, weil man da auch mal hängen bleibt. Denn es weiß ja nicht jeder TV-Zuschauer, wann gerade eine WM in einer bestimmen Sportart ist.

Rodel-Legende Georg Hackl klagte im Interview mit t-online.de über massive Nachwuchssorgen in seiner Sportart. Wie schwierig ist es im Wasserball, Talente zu finden?

Genauso schwer wie bei den Rodlern. Um Wasserball spielen zu können, muss man ein guter Schwimmer und körperlich vernünftig ausgebildet sein. Deshalb suchen wir viele Talente im Becken der Schwimmer. Quereinsteiger, die vorher nicht richtig Schwimmen gelernt haben, sind bei uns normalerweise nur bis etwa zwölf Jahre möglich. Abgesehen von dieser Hürde spielt natürlich das mediale Angebot für Jugendliche eine große Rolle. Das ist Wahnsinn. Mittlerweile diskutieren wir die Frage, ob eSport eine Sportart ist. Das ist in etwa so, als ob ein Raucher sagen würde: "Ich bin Raucher und das ist auch eine Sportart." Verstehen Sie mich da nicht falsch: Ich finde die generelle Entwicklung im eSport toll – dass Leute sich da professionelle Wettkämpfe liefern und es einen wahnsinnigen Boom gibt. Aber für die körperliche Fitness bringt es vergleichsweise eher wenig.

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