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Wie gefährlich ist die Rückkehr zum Schulalltag in der Pandemie?


Unterricht in der Pandemie
Beginnt hier die zweite Welle?

Von Nicole Sagener

03.08.2020Lesedauer: 4 Min.
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Schulstart in Mecklenburg-Vorpommern: Schüler gehen am ersten Schultag nach den Sommerferien in Gruppen zu ihrem Klassenraum in der Grundschule Lankow.Vergrößern des Bildes
Schulstart in Mecklenburg-Vorpommern: Schüler gehen am ersten Schultag nach den Sommerferien in Gruppen zu ihrem Klassenraum in der Grundschule Lankow. (Quelle: jens Büttner/dpa-bilder)

Nach langer Pause startet der Unterricht in Deutschlands Schulen wieder. Doch die Unsicherheit ist groß. Könnten Schulen zu neuen Corona-Hotspots werden oder sogar eine zweite Welle auslösen?

Wie sicher ist die Wiederaufnahme des Schulbetriebs wirklich? Während die Schulen in Deutschland nach den Sommerferien wieder den normalen Unterricht aufnehmen, bleibt die Antwort darauf offen. Die Datenlage ist schlicht noch immer zu widersprüchlich für eindeutige Aussagen. Und auch die Praxiserfahrungen einiger Länder zeichnen ein widersprüchliches Bild, was die Rolle von Kindern für die Entwicklung der Corona-Pandemie betrifft.

Da ist auf der einen Seite Israel, das Anfang Mai mit der Wiedereröffnung seiner Schulen begonnen hatte. Gut einen Monat später mussten wegen hunderter Neuinfektionen bei Lehrern und Schülern rund 130 Schulen und Kindergärten wieder geschlossen werden. Dort galten Schulen als einer der Hotspots für den starken Anstieg der Neuinfektionen.

Positivbeispiel Island

Ganz anders sieht dagegen die Entwicklung in Island aus, das Schulen und Kindergärten trotz der Pandemie weitgehend geöffnet ließ. Dennoch hatte sich in einer Bevölkerungsstichprobe kein einziges Kind unter zehn Jahren mit dem Coronavirus angesteckt. Die Auswertung der Daten wurde im Fachblatt "New England Journal of Medicine" veröffentlicht.

Die Beobachtungen aus Island scheinen also diejenigen Studien aus Deutschland zu stützen, die das von Kindern und Jugendlichen ausgehende Ansteckungsrisiko als gering einschätzen. So hatten die Universitätskliniken Freiburg, Heidelberg, Tübingen und Ulm Kinder im Alter bis zehn Jahre und jeweils einen Elternteil auf Ansteckungen untersucht. Das Ergebnis: Die Kinder waren insgesamt seltener infiziert als Erwachsene und Erkrankungen führten "nicht zwingend" zu einer Ansteckung innerhalb der Familie, so die Einschätzung der Uniklinik Heidelberg.

Hendrik Streeck: Mehrzahl der Studien zeigt, dass Kinder weniger ansteckend sind

Auch Hendrik Streeck, Professor für Virologie und Direktor des Institutes für Virologie und HIV-Forschung an der Medizinischen Fakultät der Universität Bonn, schätzt das Risiko von Schulöffnungen als vertretbar ein.

"Mehrere Studien aus Deutschland zeigen, dass Kinder entweder gleich infektiös sind wie Erwachsene, oder weniger", meint Streeck im Gespräch mit t-online.de. Die Mehrzahl zeige sogar, dass Kinder weniger ansteckend sind. "Damit ist virologisch erst einmal alles dazu gesagt, weil es zum jetzigen Zeitpunkt keine Studien mit anderen Erkenntnissen gibt."

Als deutlich höher schätzt das Risiko der Epidemiologe Prof. Markus Scholz von der Universität Leipzig ein: "Kinder verbreiten das Virus genauso wie Erwachsene in die Familien und darüber hinaus", sagt er t-online.de. Inzwischen würden Studien starke Hinweise dafür liefern, dass die Schließung von Schulen einen deutlichen Einfluss auf den Rückgang der Infektionen und der Todeszahlen hatte. "Aus epidemiologischer Sicht ist der Regelbetrieb also nicht ungefährlich und muss durch überarbeitete Hygienekonzepte begleitet werden", meint Scholz.

Große Schul-Studie zeigt deutlichen Effekt von Schulschließungen

Die bislang weltweit grösste Studie zum Thema stammt von US-Forschern und bescheinigt Schulschließungen einen deutlichen Effekt. Die in 50 US-Staaten durchgeführte Analyse zeigt, dass Bundesstaaten, die sehr früh den Schulbetrieb einstellten, die Pandemie am besten aufhalten konnten. Demnach senkte eine um eine Woche frühere Schulschließung die Zahl der Neuinfektionen um 62 Prozent und die Sterblichkeit um 58 Prozent.

"Es bestand ein zeitlicher Zusammenhang zwischen der landesweiten Schließung von Schulen und der geringeren Inzidenz und Sterblichkeit im Zusammenhang mit Covid-19", schreiben die Studienautoren in der Analyse, die Anfang August im renommierten Fachblatt "Journal of the American Medical Association" veröffentlicht wurde. Möglicherweise hätten aber auch andere nicht-pharmazeutische Maßnahmen einen gewissen Effekt gehabt.

Der SPD-Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach mahnte dazu, diese Ergebnisse ernstzunehmen. "Regulärer Unterricht in vollen Klassen ist ein unkalkulierbares Risiko, wenn es viele Fälle in Familien gibt. Kinder übertragen dann ohne Symptome die Infektion von einer Familie zur nächsten. Daher scheinen Routinetestungen der Lehrer sinnvoll", schrieb Lauterbach auf Twitter.

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Analyse aus Südkorea: Teenager stecken Umfeld häufiger an als Erwachsene

Eine weitere großangelegte Studie, die die Sicherheit des normalen Schulbetriebs infrage stellt, stammt aus Südkorea. Dort hatte ein Team von Forschern der südkoreanischen Gesundheitsbehörde und der südkoreanischen Hallym University in Chuncheon mehr als 59.000 Kontakte von 5.706 Covid-19-Patienten untersucht, bei denen innerhalb ihrer Kontaktgruppe als erste eine Corona-Infektion nachgewiesen wurde.

Das Ergebnis: Kinder im Alter von null bis neun Jahren steckten zwar nur rund fünf Prozent ihrer Haushaltsmitglieder an. Ältere Kinder und Jugendliche zwischen zehn und 19 Jahren jedoch hatten das Virus an fast 19 Prozent ihrer Haushaltsmitglieder weitergegeben.

Ältere Kinder und Teenager steckten ihr Umfeld in der Analyse häufiger mit Covid-19 an, als Erwachsene. Die Autoren der im Fachjournal "Emerging Infectious Diseases" veröffentlichten Untersuchung empfehlen darum, die Wiederaufnahme des Schulbetriebs wissenschaftlich zu begleiten.

Die Ergebnisse bestätigen eine Analyse zur Infektiosität von Kindern, die der Virologe Christian Drosten von der Berliner Charité Anfang Juni in einer überarbeiteten Fassung veröffentlicht hatte. Ihre Kernaussage: Mit SARS-CoV-2 infizierte Kinder tragen eine ebenso hohe Viruslast wie Erwachsene in sich – und könnten somit möglicherweise genauso ansteckend sein wie Erwachsene. "Die uneingeschränkte Öffnung dieser Einrichtungen sollte sorgfältig mit Hilfe von vorbeugenden diagnostischen Tests überwacht werden", schrieben die Studienautoren in der neuen Fassung.

Experten fordern strenge Hygienekonzepte in Schulen

Welche Rolle Kinder und Jugendliche als Überträger von SARS-CoV-2 tatsächlich spielen, wird in Deutschland womöglich erst dann sichtbar, wenn die Infektionszahlen hierzulande wieder steigen. Im Herbst und Winter, wenn normale Erkältungen und Atemwegserkrankungen wieder zunehmen, dürfte es allerdings schwieriger werden, diese vom Coronavirus zu unterscheiden.

Laut Experten sollten sich Schulen für eine mögliche zweite Welle und eine erneute Schließung mit entsprechenden Konzepten etwa für Homeschooling wappnen. "Darauf sollte man sich vorbereiten", mahnt etwa Karl Lauterbach. "Sonst verstärkt die Schule eine 2. Welle wahrscheinlich in wenigen Wochen deutlich."

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Maskenpflicht an Schulen umstritten

Der Epidemiologe Markus Scholz fordert zudem ein Hygienekonzept mit mehreren Komponenten. Dazu gehöre das Lernen in kleinen Gruppen oder zumindest der Verzicht auf Kontakt zwischen mehreren Klassen ebenso wie regelmäßiges Lüften und und das Tragen von Masken, so Scholz.

Bisher ist selbst die Maskenpflicht nicht in allen Bundesländern vorgesehen. Bundesbildungsministerin Anja Karliczek (CDU) hat sich mittlerweile jedoch für eine solche Pflicht in Schulgebäuden ausgesprochen. Auch der Städte- und Gemeindebund setzt auf das Tragen von Masken an Schulen.

Transparenzhinweis
  • Die Informationen ersetzen keine ärztliche Beratung und dürfen daher nicht zur Selbsttherapie verwendet werden.
Verwendete Quellen
  • Charité Universitätsklinikum Berlin
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