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Corona in Deutschland | Sinkende Inzidenz? Warum der Schein trügt


Experten warnen
Bedeuten leicht sinkende Inzidenzen wirklich Entwarnung?

Von t-online, sms, Mth

Aktualisiert am 03.12.2021Lesedauer: 3 Min.
Die Coronatests auswertenden Labore sind überlastet: Die sinkende Inzidenz ist deshalb mit Vorsicht zu genießen.Vergrößern des BildesDie Coronatests auswertenden Labore sind überlastet: Die sinkende Inzidenz ist deshalb mit Vorsicht zu genießen. (Quelle: Oliver Berg/dpa/dpa-tmn)
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Nachdem die Corona-Inzidenz wochenlang kontinuierlich anstieg und ein alarmierendes Hoch von 452,4 erreichte, sank sie einige Tage leicht. Am Donnerstag lag sie bei 439,2. Entspannt sich die Lage wirklich?

Viele sind optimistisch angesichts der drei Tage in Folge gesunkenen Inzidenzwerte. Auch der R-Wert sank nach Wochen erstmalig wieder unter 1. Der Schein kann aber trügen, sagen Experten. Und dafür kann es gleich mehrere Gründe geben.

1. Grund: Überlastung der Testlabore und Gesundheitsämter

Ein wesentlicher Grund: Viele Testlabore und Gesundheitsämter sind schlicht überlastet. Der Nachrichtenagentur dpa sagte Ute Teichert, Vorstandsvorsitzende des Bundesverbands der Ärztinnen und Ärzte des Öffentlichen Gesundheitsdienstes: "Ich gehe davon aus, dass die gemeldeten Zahlen nur ein Teil der positiven Nachweise sind."

Besonders in den Regionen, in denen sich das Virus viel rascher ausbreitet als andernorts, wie vor allem in Bayern, Sachsen und Thüringen, kommen die Stellen mit Testerfassungen und Meldungen kaum hinterher. Sie bräuchten mehr Mitarbeiter. Ob die derzeitige Inzidenz tatsächlich auf einen fallenden Infektionstrend hinweist, kann also nicht mit Sicherheit gesagt werden.

Thorsten Lehr, Professor für Klinische Pharmazie an der Universität des Saarlandes, betonte auf tagesschau24 zudem die aktuelle Problematik einer "Laborauslastung jenseits der 80 Prozent". Proben könnten daher nicht mehr zeitnah vermessen werden. Deshalb sei es wichtig, auch auf die Test-Positivrate zu schauen, so Lehr.

"Die ist momentan beängstigend hoch bei circa 20 Prozent. Das heißt, jeder vierte bis fünfte PCR-Test ist positiv", erklärt Lehr. Im Sommer habe die Rate noch bei unter einem Prozent gelegen. "Das deutet auf eine hohe Dunkelziffer bei den Infektionen hin und auch letztlich auf eine Entgleisung der Pandemie", so der Professor.

2. Grund: Bundesweiter Mittelwert ist untauglich

Der Virologe Klaus Stöhr sagte der Neuen Osnabrücker Zeitung, einen bundesweiten Mittelwert zu verwenden sei "ein Anfängerfehler der Epidemiologie" gewesen. Er plädiert dafür, sich auf lokale Ansteckungsgeschehen zu fokussieren.

Rafael Mikolajczyk, Epidemiologe aus Halle, erklärte auf Anfrage von t-online: "Bereits jetzt sinkt R auf unter 1, also der Prozess hat in der Bevölkerung bereits eingesetzt. Die politischen Entscheidungen sollten das unterstützen." Auch der Virologe Hendrik Streeck erklärte im "RTL-Nachtjournal", der R-Wert sei seit einigen Tagen im Rückgang, das sei ein sehr gutes Zeichen.

Das könnte allerdings auch trügen: Aus bisherigen Infektionswellen ist bereits bekannt, dass die Menschen ihr Verhalten selbstständig anpassen, wenn die Infektionszahlen steigen. Dann sinken natürlich die Fallzahlen – dann verändert sich jedoch auch das Verhalten der Menschen wieder.

3. Grund: Lage in den Kliniken bleibt dramatisch

Auch die Lage in den Kliniken bereitet trotz sinkender Inzidenzen weiterhin Sorge. "Von einer Entwarnung kann nicht die Rede sein", sagte Gerald Gaß, der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG).

"Unsere eigenen Belegungszahlen zeigen immer noch eine zunehmende Zahl von positiv getesteten Patienten auf den Normal- und Intensivstationen. In dieser Woche befinden sich 16 Prozent mehr Covid-Patienten in den Krankenhäusern als in der Vorwoche und diese Entwicklung verzeichnen wir so seit rund zwei Monaten." In der aktuellen Lage komme es sowohl bei den Kliniken wie auch bei den Gesundheitsämtern zu Melde-Verzögerungen.

4. Grund: Reiserückkehrer spielen kleinere Rolle

Gegenüber der "Berliner Morgenpost" hat Viola Priesemann, Forscherin am Max-Planck-Institut für Dynamik und Selbstorganisation, zudem bereits im September erklärt, dass die sinkenden Inzidenzen ein bekanntes Phänomen sind. "Wir haben das selbe Phänomen im letzten Jahr gesehen. Die Reiseaktivität nimmt ab und die Zahlen sinken." Sie erklärte den Rückgang unter anderem durch die zuvor hohen Zahlen bei Reiserückkehrern. Dieser Trend könnte sich seit September noch verstärkt haben.

Der Münchner Infektiologe Christoph Spinner hingegen sieht die leicht sinkenden Infektionszahlen zumindest in Bayern als ersten möglichen Erfolg der jüngsten Maßnahmen von Einschränkungen bis Impfungen. "Es ist denkbar, dass bestimmte Maßnahmen die Zahl der Neuinfektionen bremsen und damit – zumindest auf hohem Niveau – halten", sagte der Pandemie-Beauftragte des Klinikums rechts der Isar der TU München. Diesen positiven Trend bestätigte auch Ministerpräsident Markus Söder.

Transparenzhinweis
  • Die Informationen ersetzen keine ärztliche Beratung und dürfen daher nicht zur Selbsttherapie verwendet werden.
Verwendete Quellen
  • Nachrichtenagentur dpa
  • Presseanfrage an Prof. Rafael Mikolajczyk
  • tagesschau.de: "Die Inzidenz sinkt, aber was heißt das wirklich?", 1. Dezember 2021.
  • Berliner Morgenpost: "Warum sinken die Corona-Zahlen?", 18. September 2021.
  • RTL-Nachtjournal
  • Eigene Recherche
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