Laborbefund kann täuschen Warum normale Leberwerte nicht unbedingt eine Entwarnung sind

Auffällige Leberwerte können auf eine Erkrankung hindeuten. Allerdings sind normale Werte kein Beweis für eine gesunde Leber. Warum, erfahren Sie hier.
Wenn die Leber krank ist, verändert sich häufig die Konzentration gewisser Stoffe im Blut. Typischerweise steigt der Spiegel bestimmter Enzyme (Eiweißstoffe) an, weil die geschädigten Leberzellen diese freisetzen und ins Blut abgeben. Die Menge anderer Eiweiße hingegen kann sich verringern. Das gilt etwa für Eiweiße, die die Leber normalerweise herstellt. Dazu ist sie im kranken Zustand unter Umständen nicht mehr in der Lage.
Da all diese im Blut nachweisbaren Stoffe etwas über den Zustand der Leber aussagen, werden sie als Leberwerte bezeichnet. Weichen einzelne oder alle Leberwerte von den für sie geltenden Normbereichen ab, fällt das oft nur durch Zufall auf – etwa im Rahmen einer routinemäßigen Blutuntersuchung in der hausärztlichen Praxis. Denn viele Lebererkrankungen rufen zunächst keinerlei Symptome hervor. Die veränderten Werte sind dann der erste Hinweis auf die Erkrankung.
Häufige Ursachen sind:
- eine Fettleber beziehungsweise eine dadurch bedingte Leberentzündung (z. B. durch übermäßigen Alkoholkonsum oder Übergewicht)
- Leberschäden durch Medikamente, Drogen oder Nahrungsergänzungsmittel
- virusbedingte Hepatitiden, also Leberentzündungen (Hepatitis A bis E)
- Erkrankungen der Gallenwege oder Gallensteine, die den Galleabfluss behindern
(Einen ausführlicheren Überblick über die Ursachen veränderter Leberwerte finden Sie hier.)
Umgekehrt äußern sich keineswegs alle Lebererkrankungen zwangsläufig durch auffällige Leberwerte. Werte im Normalbereich können also täuschen.
Hinweis
In diesem Text ist allgemein von "Leberwerten" die Rede. Um welche genau es jeweils geht, wird der Vereinfachung halber weggelassen. Eine ausführlichere Erklärung zu den einzelnen Leberwerten – und was ihre Erhöhung oder Erniedrigung bedeuten kann – bietet Ihnen jedoch dieser Artikel.
Normale Leberwerte schließen Fettleber nicht aus
Auch Menschen mit scheinbar gesunden Leberwerten können von einer ernährungsbedingten (nicht-alkoholischen) oder einer durch Alkohol verursachten Lebererkrankung betroffen sein. Relativ oft kommt das vor, wenn die Leber "nur" verfettet, aber nicht (oder nicht stark) entzündet ist.
Studien zufolge liegen die Leberwerte bei etwa 25 Prozent der Personen mit einer nicht-alkoholischen Fettleber im Normalbereich. Von denjenigen, die infolge der Verfettung bereits Entzündungen im Lebergewebe aufweisen, haben immerhin 19 Prozent unauffällige Werte.
Bei einer alkoholbedingten Fettleber sind die Leberwerte ebenfalls nicht selten normal oder nur leicht erhöht. Eine alkoholische Fettleberentzündung hingegen ist für gewöhnlich an den Laborbefunden zu erkennen – unauffällige Leberwerte sprechen eher gegen diese Form der Hepatitis (fachsprachlich Steatohepatitis).
Hat sich infolge einer (alkoholischen oder nicht-alkoholischen) Leberentzündung bereits eine Zirrhose entwickelt, bei der große Anteile des Organs zerstört sind, können die Leberwerte jedoch wieder im Normalbereich liegen. Das lässt sich dadurch erklären, dass kaum noch funktionierendes Lebergewebe vorhanden ist, das die entsprechenden Stoffe freisetzen könnte.
Auch Virushepatitis wirkt sich nicht immer auf Leberwerte aus
Es gibt mehrere Viren, die Leberentzündungen auslösen können. Je nach Virus werden diese als Hepatitis A, B, C, D oder E bezeichnet. Die Virushepatitiden unterscheiden sich aber nicht nur im auslösenden Erreger, sondern auch in anderer Hinsicht – unter anderem in ihrem Verlauf und dem Ausmaß, in dem sie die Leber schädigen.
Während eine akute Hepatitis A oder E in der Regel zu einem deutlichen Anstieg der Leberwerte führt, können diese bei chronischen Formen, wie etwa einer Hepatitis B oder C, über längere Zeiträume unauffällig bleiben. Dennoch können die Viren erheblichen Schaden in der Leber anrichten und das Risiko für eine Leberzirrhose und Leberkrebs erhöhen. (Rechtzeitig erkannt und behandelt, lassen sich die Infektionen jedoch gut unter Kontrolle bringen.)
Leberwerte haben begrenzte Aussagekraft
Wer gesund lebt und keine Risikofaktoren für eine Lebererkrankung aufweist, kann unauffällige Leberwerte als beruhigendes Zeichen werten: Aller Wahrscheinlichkeit nach zeugen sie davon, dass mit dem Organ alles in Ordnung ist.
Anders verhält es sich, wenn ein erhöhtes Risiko für Lebererkrankungen besteht – zum Beispiel aufgrund von übermäßigem Alkoholkonsum, Übergewicht oder Sexualkontakt mit jemandem, der mit Hepatitis-Viren infiziert ist. Auf normale Leberwerte ist dann nicht unbedingt Verlass. Vielmehr sollten Betroffene mit ihrer Ärztin oder ihrem Arzt besprechen, ob es in ihrem Fall sinnvoll wäre, die Leber trotz der unauffälligen Werte genauer zu untersuchen. Dazu können etwa ein Oberbauch-Ultraschall, Bluttests auf Virushepatitiden und/oder eine Untersuchung mit bildgebenden Verfahren wie CT oder MRT erforderlich sein.
- Online-Informationen von AMBOSS: www.amboss.com (Abrufdatum: 7.8.2025), kostenpflichtig
- Online-Informationen von Deximed: deximed.de (Abrufdatum: 7.8.2025), kostenpflichtig
- Online-Informationen des Pschyrembel: www.pschyrembel.de (Abrufdatum: 7.8.2025), kostenpflichtig
- Online-Informationen der Deutschen Leberhilfe e.V.: www.leberhilfe.org (Abrufdatum: 7.8.2025)
- Online-Informationen des öffentlichen Gesundheitsportals Österreichs: www.gesundheit.gv.at (Abrufdatum: 7.8.2025)
- Online-Informationen des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen: www.gesundheitsinformation.de (Abrufdatum: 7.8.2025)
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