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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Bittere Umfrage für Orbán Läuft seine Zeit ab?

In weniger als einem Jahr wählen die Ungarn ein neues Parlament. In einer aktuellen Umfrage sieht es für Ministerpräsident Viktor Orbán düster aus.
Seit 2010 regiert Viktor Orbán in Ungarn als Ministerpräsident, vier Parlamentswahlen hat seine nationalkonservative Fidesz-Partei schon gewonnen – zum Unmut vieler Menschen in anderen EU-Ländern. Denn seit seiner ersten Amtszeit hat sich Orbán vom EU-Kritiker praktisch zum offenen Gegner der Staatengemeinschaft entwickelt, der lieber mit Russland und China paktiert, als sich mit Brüssel zu einigen. Doch nun sieht es so aus, als hätten auch die Ungarn langsam genug von ihrem Langzeit-Regierungschef.
Das jedenfalls legen aktuelle Umfragen aus Ungarn nahe, die das Institut "Europe elects" ("Europa wählt") zusammengetragen hat. Demnach hat die Partei Tisza (Tisztelet és Szabadság Párt – Partei für Respekt und Freiheit) von Oppositionsführer Péter Magyar seit Anfang März fünf Prozentpunkte hinzugewonnen und liegt mit 51 Prozent unangefochten auf Platz eins in den Umfragen.
Ungarn: Umfrage sieht Orbáns Fidesz weit hinten
Orbáns Fidesz hingegen hat seither einen weiteren Punkt verloren und liegt mit 36 Prozent Zustimmung abgeschlagen auf Platz zwei. Andere Parteien wie die Grünen oder die rechtsextreme Jobbik bewegen sich am Rande der Bedeutungslosigkeit zwischen einem und fünf Prozent Zustimmung.
Bei der Parlamentswahl im April 2022 spielte Péter Magyar, ein früherer Wegbegleiter Orbáns, noch keine Rolle. Er übernahm die Führung der erst 2021 gegründeten, gemäßigt konservativen Tisza im April 2024. Der 44-Jährige wurde einer größeren Öffentlichkeit bekannt, als er nach seiner Wahl zum Parteichef Massenproteste gegen die Regierung in Budapest organisierte. Die Fidesz-Partei kämpfte zu diesem Zeitpunkt mit einem üblen Skandal um sexuellen Kindesmissbrauch. Im Herbst zog die Tisza dann erstmals in den Umfragen an der Fidezs vorbei.
Taugt Péter Magyar als Hoffnungsträger für Europa?
Bei den Protesten gegen die Regierung im Frühjahr 2024 konzentrierte sich Péter Magyar darauf, die Korruption in Ungarn unter Viktor Orbán anzuprangern. Auch Orbáns Konzept der "illiberalen Demokratie" lehnt Magyar ab. So will er die staatliche Kontrolle über die Medien wieder aufheben, wohl nicht zuletzt, um blockierte EU-Gelder für Ungarn freizumachen. Seine Haltung zum Krieg in der Ukraine und zu Russland ließ Magyar lange offen, äußerte sich dazu in jüngster Zeit aber eindeutig.
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So übte Magyar kürzlich scharfe Kritik an einem Scheinreferendum, das die ungarische Regierung organisiert hatte, um die vermeintlich ablehnende Haltung der Ungarn zu einem EU-Beitritt der Ukraine zu demonstrieren. Auch mit Orbáns russlandfreundlichem Kurs will Magyar brechen und Ungarn wieder zu einem verlässlichen Partner in der EU und der Nato machen.
Unter Regierungschef Orbán hat Ungarn zuletzt etwa eine Fortsetzung der EU-Sanktionen gegen Russland wochenlang blockiert und mit einem Veto in Brüssel gedroht, um Sanktionen gegen mehrere Russen aufzuheben. Mit dieser Haltung steht Ungarn in Europa aber weitgehend isoliert da, nur die slowakische Regierung unter Ministerpräsident Robert Fico verfolgt einen ähnlich moskaufreundlichen Kurs. Waffenlieferungen an die Ukraine lehnt bislang aber auch Péter Magyar ab.
- x.com: Post von "Europe elects" vom 26. Juni
- eurpeelects.eu: Hungary
- dw.com: Spannungen zwischen Ungarn und Ukraine nach Spionagevorwurf
- euractiv.com: Orbán’s challenger sees strong EU, NATO ties, ‘pragmatic’ approach to Russia
- pravda.com: Hungarian opposition leader says "referendum" on Ukraine was rigged
- politico.eu: EPP’s new Hungarian members oppose sending weapons to Ukraine