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Jerusalem: "Trumps Entscheidung ist ein Desaster"


Nahost-Expertin
"Trumps Entscheidung ist ein außenpolitisches Desaster"

Von t-online, jasch

07.12.2017Lesedauer: 3 Min.
Jerusalem-Konflikt: Proteste in GazaVergrößern des BildesJerusalem-Konflikt: Proteste in Gaza (Quelle: Wissam Nassar/dpa-bilder)
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Der US-Präsident erkennt Jerusalem als Israels Hauptstadt an. Die Nahost-Expertin Kerstin Müller erklärt die Wut der Muslime - und was Deutschland nun tun sollte.

Die Nahost-Expertin Kerstin Müller ist Leiterin des Tel-Aviver Büros der Heinrich-Böll-Stiftung. Sie beobachtet die Lage im Nahen Osten seit Jahren. Müller sieht die Entscheidung von US-Präsident Donald Trump, Jerusalem als die israelische Hauptstadt anzuerkennen, kritisch. Im Gespräch mit t-online.de spricht sie über die Bedeutung Jerusalems für die Weltreligionen und welche Perspektiven der Friedensprozess noch hat.

t-online.de: Frau Müller, Jerusalem gilt als "Pulverfass des Nahen Ostens". Warum ist das so?

Kerstin Müller: Jerusalem hat in der gesamten muslimischen Welt sowie für Juden und Christen eine herausragende Bedeutung. Die Stadt ist religiös und emotional aufgeladen. Deshalb ist auch der Status Jerusalems und insbesondere der Umgang mit den sogenannten heiligen Stätten ein sehr sensibles Thema, das man nur mit Fingerspitzengefühl anpacken sollte. Wer an dem Status Quo Jerusalems rüttelt, der spielt mit dem Feuer.

US-Präsident Donald Trump erkennt Jerusalem als israelische Hauptstadt an. Ist der Friedensprozess damit am Ende?

Jerusalem ist immer eines der Haupt-Streitthemen im israelisch-palästinensischen Friedensprozess gewesen, neben den Fragen von Grenzen, Siedlungen und Sicherheit. Eine Zwei-Staaten-Lösung sieht vor, dass West-Jerusalem die Hauptstadt von Israel und Ost-Jerusalem die Hauptstadt des noch zu gründenden palästinensischen Staates werden sollte. Es ist internationaler Konsens, dass der Status Jerusalems am Verhandlungstisch von den Konfliktparteien geklärt werden soll. Deshalb hat auch kein Land der Welt eine Botschaft in Jerusalem. Wenn nun die Amerikaner einseitig Jerusalem Israel zuschlagen, dann nehmen sie eine ganz zentrale Frage des Friedensprozesses vorweg. Das wird nach meiner Einschätzung dazu führen, dass die Palästinenser sich nicht mehr an den Verhandlungstisch setzen werden.

Warum ist eigentlich die gesamte muslimische Welt nach Trumps Entscheidung in Aufruhr?

Die Stadt Jerusalem spielt für die großen Religionen der Welt, Christen, Juden und Muslime, eine überragende Rolle. Auf dem Tempelberg befindet sich mit der Al-Aqsa-Moschee das drittwichtigste Heiligtum der muslimischen Welt. Das jordanische Königshaus bewacht diese heiligen Stätten und hat mit Israel eine Sondervereinbarung. Deshalb hatte in früheren Verhandlungen beim Thema Jerusalem immer auch die arabische Welt ein Wort mitzureden. Deshalb ist nun zu befürchten, dass Trumps Entscheidung leider nicht nur zu Gewalt in Jerusalem und in den Palästinensergebieten führen könnte, sondern rund um den Globus islamistische Extremisten mobilisiert. Die Bedeutung Jerusalems ist in der muslimischen Welt so groß, dass dieses Thema nicht nur die Politik, sondern auch die Massen bewegt.

Hatte Trump nicht gerade die Beziehungen zu Saudi-Arabien vertieft?

Genau. Er hatte gerade erst den Schulterschluss mit der sunnitisch-muslimischen Welt geschlossen, insbesondere mit Saudi-Arabien. Dieses Bündnis hat er mit seiner Entscheidung zu Jerusalem nun wieder aufgekündigt.

Was treibt Trump an?

Außenpolitisch gute Gründe kann ich jedenfalls nicht erkennen. Erstens torpediert er mit seiner Entscheidung seine eigene Friedensinitiative. Zweitens haben sich die Amerikaner damit als Mittler im Friedensprozess herauskatapultiert, sie haben sich noch klarer als zuvor auf die israelische Seite geschlagen. Nun fallen sie womöglich ganz als Vermittler aus.

Was war dann der Grund?

Ich glaube, dass war eine rein innenpolitische Entscheidung. Trump wollte ein Wahlversprechen an seine rechte Wählerschaft in den USA einlösen. Besonders den konservativen Christen in den USA ist es teils sehr wichtig, dass Jerusalem in israelischen Händen ist. Ihnen hat Trump daher im Wahlkampf versprochen, dass er Jerusalem als Hauptstadt der Israelis anerkennen wird.

Auch der türkische Präsident Erdogan schaltet sich ein und droht Israel. Warum?

Erdogan sieht sich nicht nur als Sprecher seines Landes, sondern als Sprecher des gesamten sunnitisch-muslimischen Lagers. Insofern fühlt er sich hier berufen, gegen diese Entscheidung vorzugehen und er sieht auch eine Chance, das eigene Lager zu mobilisieren.

Was steht der Region nun bevor?

Wenn dieser Paradigmenwechsel in der US-Nahostpolitik nicht zurückgenommen oder abgeschwächt wird, dann stehen wir möglicherweise vor eine Eskalation der Gewalt. Außenpolitisch ist der Schaden sehr groß, Trumps Entscheidung ist ein außenpolitisches Desaster und ein großer Fehler. Es könnte sogar das Aus für künftige, mögliche Friedensverhandlungen bedeuten. Die Europäer und insbesondere die Deutschen müssen nun versuchen, die amerikanische Administration auf allen Kanälen zu beeinflussen, die Entscheidung abzuschwächen oder zurückzunehmen. Anderseits sollten wir versuchen, mäßigend und deeskalierend auf die arabische und palästinensische Welt einzuwirken. Denn Aufrufe zur Gewalt, wie sie jetzt von Seiten der Hamas und der Fatah erfolgen, sind unverantwortlich und durch Nichts zu rechtfertigen. Sonst sehe ich schwarz für den Friedensprozess.

Frau Müller, wir danken für das Gespräch.

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