Das ist Russlands "unbesiegbare" Hyperschallrakete

Es ist das erste Mal, dass sie zum Einsatz gekommen sein soll: Russland hat nach eigenen Angaben eine Hyperschallrakete auf die Ukraine abgefeuert. Was es mit der neuen russischen Waffe auf sich hat.
Rund drei Wochen nach Beginn des Ukraine-Krieges haben die russischen StreitkrΓ€fte nach eigenen Angaben im Westen des Landes eine Hyperschallrakete eingesetzt. Die ballistischen Raketen des Systems "Kinschal" (Dolch) gehΓΆren zu einer neuen, von Russland entwickelten Waffengattung, die Staatschef Wladimir Putin als "unbesiegbar" bezeichnet hatte.
Es ist das erste Mal seit Beginn des Krieges, dass Russland von dem Einsatz seiner neuen ballistischen Luft-Boden-Rakete "Kinschal" berichtet. Der MilitΓ€rexperte und Leiter eines Forschungszentrums in Moskau, Wassili Kaschin, sprach nach der Bekanntgabe des Raketen-Einsatzes von einer "Weltpremiere". Bisher kamen die Waffen vor allem bei ManΓΆvern zum Einsatz β zuletzt wenige Tage vor der Invasion in die Ukraine, die am 24. Februar begonnen hat.
Hyperschallrakete ΓΌbertrifft Schallgeschwindigkeit
Abgefeuert werden die "Kinschal"-Raketen von Kampfflugzeugen des Typs MiG-31. Dabei tragen sie bis zu 480 Kilogramm Sprengstoff oder einen nuklearen Sprengkopf. Erst in sicherer Entfernung vom Flugzeug zΓΌndet das eigene Raketentriebwerk. Es trΓ€gt die "Kinschal" erst bis zu 20 Kilometer in die HΓΆhe, wo die Rakete hohe Reibungstemperaturen aushalten muss, und dann hinab zum Ziel.
Die Raketen kΓΆnnen nach russischen Angaben Ziele in bis zu 2.000 Kilometer Entfernung treffen β unter Umgehung aller Luftabwehrsysteme. Hyperschallraketen ΓΌbertreffen die Schallgeschwindigkeit um ein Mehrfaches und fliegen mit mehr als 6.000 Kilometern pro Stunde. Dennoch sind sie in der Lage, bei extremer Geschwindigkeit HΓΆhe und Richtung zu Γ€ndern β und somit der gegnerischen Flugabwehr auszuweichen.
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Mit der Rakete zerstΓΆrte Russland nach eigenen Angaben ein Raketenarsenal im Gebiet Iwano-Frankiwsk. Das unterirdische Munitionsdepot der ukrainischen Luftwaffe in Deljatyn im SΓΌdwesten der Ukraine sei am Freitag durch die ballistische Rakete vernichtet worden. Das sagte der Sprecher des russischen Verteidigungsministeriums, Generalmajor Igor Konoschenkow, am Samstag. Im Gebiet Odessa am Schwarzen Meer seien zwei StΓΌtzpunkte der militΓ€rischen AufklΓ€rung zerstΓΆrt worden. UnabhΓ€ngig lassen sich die Angaben nicht ΓΌberprΓΌfen.
PlΓ€ne fΓΌr Rakete stammen aus Zeit des Kalten Krieges
Nach EinschΓ€tzung des MilitΓ€rexperten Kaschin war das Waffendepot im Dorf Deljatyn ein naheliegendes Ziel fΓΌr eine Kinschal-Rakete. "Solche Infrastruktur ist mit klassischen Raketen nur schwer zu zerstΓΆren", sagte der Experte. "Wegen seiner hohen Geschwindigkeit hat die Hyperschallrakete eine hΓΆhere Durchschlags- und ZerstΓΆrungskraft."
Die PlΓ€ne zur Entwicklung einer solchen Rakete stammen wohl noch aus der frΓΌhen Phase des Kalten Krieges zu Beginn der 1960er-Jahre. Als die Blockkonfrontation zwischen der Nato und dem Warschauer Pakt Anfang der 1980er-Jahre dann eine neue Hochzeit erlebte, verstΓ€rkte die SowjetfΓΌhrung ihre Anstrengungen zur Entwicklung einer atomwaffenfΓ€higen Hyperschallrakete, auch als Reaktion auf das vom amerikanischen PrΓ€sidenten Ronald Reagan angekΓΌndigte "Star Wars"-Programm (Strategic Defence Initiative/SDI).
Putin trieb die Entwicklung der Waffe voran
Mit dem SDI planten die Falken im Pentagon einen gigantischen Raketenabwehrschild, dessen unterschiedliche Komponenten im Weltraum stationiert werden sollten. Unter anderem sollten RΓΆntgenlaser, kinetische Projektwaffen und elektromagnetische Schienenkanonen (Railguns) im All installiert werden, um einen vermeintlichen Atomangriff der Sowjets zu vereiteln.
Kaum etwas davon wurde je realisiert β im Gegensatz zur russischen Hyperschallrakete. An deren Verwirklichung hielten die sowjetischen und spΓ€ter die russischen MilitΓ€rstrategen fest. Wladimir Putin trieb die Entwicklung schon wΓ€hrend seiner ersten Amtszeit voran, insbesondere nachdem die USA infolge der AnschlΓ€ge vom 11. September 2001 von dem 1972 geschlossenen ABM-Vertrag (Anti-Ballistic Missile Treaty) einseitig zurΓΌckgetreten waren.
Hyperschall- statt Nuklearwaffe
Der Vertrag regelte die Anzahl der Defensivwaffen, die den AtommΓ€chten fΓΌr die Verteidigung eines Angriffs zur VerfΓΌgung standen. Mit dem Ausstieg der USA aus dem ABM-Vertrag zum Zwecke einer vermeintlichen AufrΓΌstung drohte Russland verwundbarer zu werden. Dennoch sah Putin nach eigenen Angaben keine unmittelbare Bedrohung fΓΌr Russland.
Auch die Amerikaner bekrΓ€ftigten weiterhin ihr AbrΓΌstungsinteresse und versicherten, man wolle ebenso wie Russland an der Verkleinerung der strategischen nuklearen Arsenale arbeiten. Der New-Start-Vertrag, der erst im Februar 2021 verlΓ€ngert wurde, ist der rechtsverbindliche Ausdruck dieses politischen Willens.
Unterdessen verstΓ€rkte das russische MilitΓ€r seine Forschung in Sachen Hyperschallwaffen. Tests der neuen Technologie erfolgten unter anderem im Jahr 2001, 2004 und im Anschluss an die Besetzung der ukrainischen Krim durch Russland im Jahr 2014. Am zweiten Weihnachtstag 2018 verkΓΌndete Putin dann die Inbetriebnahme der Rakete durch die russischen StreitkrΓ€fte.
MilitΓ€rexperte: "Ziel aller Welt Angst einzujagen"
Auch die USA und China arbeiten an der Entwicklung von Hyperschallraketen. Die Nato listet in einem Papier von 2020 auch Forschungen in GroΓbritannien, Frankreich, Deutschland, Australien und Indien auf. Teils geht es dabei um die Abwehr solcher Raketen. Von Russland wurde sie nun offenbar erstmals eingesetzt. Hier lesen Sie mehr zu der laut Putin "unbesiegbaren" Waffe.
Einen strategischen Vorteil wird die Kinschal-Rakete dem russischen MilitΓ€r jedoch nicht verschaffen, so der russische MilitΓ€rexperte Pawel Felgenhauer β wohl aber einen psychologischen. "Am Ende wird es nicht das Kampfgeschehen verΓ€ndern β aber es hat einen Effekt fΓΌr die psychologische Propaganda, mit dem Ziel, aller Welt Angst einzujagen", sagte Felgenhauer.
- Nachrichtenagenturen dpa und AFP
- Eigene Recherchen