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Stoltenberg bleibt Generalsekretär: Darum findet die Nato keinen Nachfolger


Verteidiger des Westens
Er nimmt es auch mit Trump auf

  • David Schafbuch
MeinungVon David Schafbuch

Aktualisiert am 05.07.2023Lesedauer: 3 Min.
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Jens Stoltenberg: Der Norweger ist seit 2014 Nato-Generalsekretär. (Quelle: dts Nachrichtenagentur/imago images)

Ursprünglich wollte Jens Stoltenberg der Nato schon vor dem Ukraine-Krieg den Rücken kehren: Jetzt wird sein Mandat abermals verlängert. Die Anforderungen an ihn bleiben enorm.

Eigentlich hatte Jens Stoltenberg andere Pläne: Wäre Wladimir Putin nicht in die Ukraine einmarschiert, würde der Norweger heute im gemütlichen Oslo sitzen und die Zentralbank seines Heimatlandes leiten. Doch wie wir wissen, kam es anders – und das Mandat des 64-Jährigen als Nato-Generalsekretär wurde verlängert.

Anfang des Jahres ließ er dann erneut durchblicken, dass im kommenden Herbst wirklich Schluss sein sollte. Auf dem Nato-Gipfel in der kommenden Woche sollten sich die 31 Mitgliedsstaaten auf einen Nachfolger einigen. Doch auch daraus wird jetzt wieder nichts: Stoltenberg wird nun noch bis Oktober 2024 im Amt weilen – deutlich länger als erwartet. Ursprünglich nämlich war darüber spekuliert worden, dass Stoltenberg im Rahmen des 75. Geburtstags der Nato kommenden April seinen Hut nehmen könnte.

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Für Außenstehende mag das paradox erscheinen: Auf der einen Seite kann es nicht der Anspruch der Nato sein, jemanden auf dem Chefsessel festzukleben, der eigentlich schon mehrfach aufhören wollte.

Auf der anderen Seite aber ist der Schritt verständlich – und zum jetzigen Zeitpunkt eine fast alternativlose Entscheidung. Nie war das Bündnis in den vergangenen Jahren wichtiger als jetzt. Alle Staaten wissen genau, was sie an Stoltenberg haben. Trotzdem sollte die Verlängerung seiner Amtszeit jetzt auch wirklich die letzte sein.

Donald Trump gebändigt

Für Stoltenberg spricht, dass er zu keinem Zeitpunkt seit Ausbruch des Krieges in der Ukraine amtsmüde wirkte: Die Nato demonstriert seit der russischen Invasion eine große Geschlossenheit, die längst keine Selbstverständlichkeit ist. Die Interessen von Ländern wie Ungarn, den baltischen Staaten, der Türkei oder auch Deutschland und Frankreich unterscheiden sich in dem Konflikt zum Teil erheblich.

Am generellen Kurs, die Ukraine weiter so gut es geht zu unterstützen, ohne selbst in den Kampf hineingezogen zu werden, wurde trotzdem kaum gerüttelt. Dass die Spannungen das Bündnis bisher nicht zerrissen haben, ist vermutlich der größte Verdienst von Stoltenberg.

Doch seine Erfolge reichen noch weiter zurück. Die Nato stand bereits während der US-Präsidentschaft von Donald Trump vor einer Zerreißprobe. Zu Beginn seiner Amtszeit nannte Trump das Militärbündnis noch "obsolet". Stoltenberg trommelte dafür, dass die Verteidigungsausgaben in den restlichen Mitgliedsstaaten stiegen – und der erratische Trump verwarf die Idee, aus der Nato auszusteigen.

Einstimmigkeit erforderlich

So weit, so gut also, so nachvollziehbar die Bitte der Mitgliedsstaaten. Trotzdem hätte ein Wechsel auch ein Moment der Stärke für die Nato sein können. Das Bündnis hätte etwa dem Kreml verdeutlichen können, dass es auch in den schwersten Zeiten einen Wechsel an der Spitze vollziehen kann. Doch die Verhandlungen zeigten schon in den vergangenen Wochen, dass man von einer Lösung sehr weit entfernt war.

Die Mitgliedsstaaten sollten der Nachfolgersuche deshalb ab jetzt wirklich mehr Beachtung schenken – und sich auch grundsätzlichere Fragen stellen: Ist es weiter notwendig, dass der Generalsekretär nur einstimmig ernannt werden kann?

Die Frage drängt sich umso mehr auf, da mit Finnland gerade ein neues Mitglied dazugekommen ist und Schweden wohl bald folgen wird. Verhandlungen im Rat der EU-Staaten zeigen, wie schwerfällig die Einstimmigkeit eine Institution machen kann.

Anforderungen sind hoch

Möglicherweise könnten sich in den nächsten Monaten neue Konstellationen auftun: Bis zum Herbst könnten einige Regierungschefs aus ihrem Amt scheiden, auch die EU-Wahl im kommenden Jahr könnte neuen Schwung bringen. Das wird auch nötig sein: Denn die Nachfolgersuche wirkte in den letzten Monaten maximal halbherzig, während das Anforderungsprofil immer komplexer wurde.

Die EU-Staaten wollen einen Vertreter aus ihren Reihen – und eben nicht einen Briten wie den Verteidigungsminister Ben Wallace. Zudem war zu hören, der- oder diejenige solle Erfahrung als Regierungschef haben. Auch das bringt Wallace nicht mit.

Gleichzeitig sollten im Heimatland des neuen Sekretärs die Verteidigungsausgaben möglichst über dem Nato-Ziel von 2 Prozent des Bruttoinlandsproduktes liegen. Das schaffen aktuell nur neun Staaten – die Niederlande, Dänemark und Spanien gehören nicht dazu, deren Regierungschefs ebenfalls zuletzt als Stoltenberg-Nachfolger gehandelt wurden. Genauso wenig wird offenbar ein zu forsch auftretender Falke gesucht, was gegen die Estin Kaja Kallas spricht, die sich ebenfalls Hoffnungen machte.

Die vielen Einwände, die Abwägungen zeigen: Es wird nicht nur eine Stoltenberg-Kopie, sondern bestenfalls noch ein Update des Norwegers verlangt. Denn dessen Heimat ist nicht in der EU und liegt bei den Verteidigungsausgaben unter der 2-Prozent-Marke. Mit der neuen Verlängerung haben die Nato-Staaten abermals Zeit gewonnen.

Sie sollten sie jetzt auch nutzen. Denn abzuwarten, bis Stoltenberg tatsächlich seines Amtes überdrüssig wird, wäre die schlechteste Option.

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