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Bodenoffensive in Gaza? Experte: "Da werden brutale Bilder entstehen"


Kommt die Bodenoffensive in Gaza?
"Die Israelis sind schlechte Strategen"

InterviewVon Tom Schmidtgen

Aktualisiert am 21.10.2023Lesedauer: 3 Min.
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Israelische Soldaten an der Grenze zum Gazastreifen: "Israel muss die Abschreckung wiederherstellen", sagt Nahost-Experte Eckart Woertz im Interview mit t-online. (Quelle: Ilia Yefimovich/dpa)

Nach dem Terrorangriff der Hamas gegen Israel wird die israelische Bodenoffensive im Gazastreifen kommen, sagt Nahost-Experte Woertz. Gelöst ist der Konflikt mit den Palästinensern auch danach aber nicht.

Die Bodenoffensive der Israelis steht kurz bevor. Am Donnerstag sagte der Verteidigungsminister Joav Galant vor israelischen Soldaten, die im Süden des Landes stationiert sind: "Der Befehl wird kommen." Die Soldaten sähen den Gazastreifen jetzt noch aus der Ferne, würden ihn aber bald schon von innen sehen.

Aktuelle Satellitenbilder zeigen die Vorbereitungen Israels in der Nähe zum Gazastreifen. Hunderte Panzer und gepanzerte Fahrzeuge sind bereits an der Grenze stationiert, berichtet die "New York Times". Alle Entwicklungen in Israel und Gaza finden Sie im Newsblog.

(Quelle: Privat)

Eckart Woertz

ist seit vier Jahren Direktor für Nahost-Studien des German Institute for Global and Area Studies (GIGA) in Hamburg. Außerdem ist er Professor für Zeitgeschichte und Politik des Nahen Ostens an der Universität Hamburg. Woertz studierte Politik-, Islam- und Staatswissenschaft in Erlangen-Nürnberg, mit Stationen in Damaskus und Berlin.

Nach dem brutalen Angriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober sind mindestens 1.300 Menschen gestorben. Mit dem Bodenangriff möchte Israel die Gefahr mindern, dass eine solche Attacke sich wiederholt. Ziel der Israelis ist außerdem, die mehr als 200 Geiseln zu befreien. Doch wie kann das gelingen? Und was müsste man Israel anbieten, um eine diplomatische Lösung zu erzielen? Im Interview mit t-online erklärt Nahost-Experte Eckart Woertz, dass er mit einer baldigen Bodenoffensive rechnet. Allerdings bemängelt er die Strategie der Israelis.

t-online: Herr Woertz, erwarten Sie, dass die israelische Bodenoffensive in Gaza bald startet?

Eckart Woertz: Ich vermute, ja. Rein militärisch kann die israelische Armee ihre formulierten Ziele, unter anderem die Hamas zu zerstören, nicht allein mit Luftangriffen erreichen.

Wie werden die Israelis vorgehen?

Ein Ziel wird sein, das Tunnelsystem zu zerstören. Dafür werden sich die Israelis mit gepanzerten Mannschaftswagen bis zu den Tunneleingängen vorkämpfen müssen. Israelische Pioniere werden dann versuchen, die Tunnel zu sprengen. Da werden brutale Bilder entstehen, weil die Tunneleingänge im urbanen Gebiet liegen und bis dahin blutige Straßenkämpfe ausgefochten werden müssen.

Die Bodenoffensive wird schon lange erwartet. Wieso zögert Israel so lange?

Die Risiken sind erheblich. Vermutlich wird eine Bodenoffensive in Gaza sehr lange dauern, mehr als ein paar Wochen. Dann droht, dass die öffentliche Meinung kippt, weil natürlich auch die Zivilbevölkerung in dieser Zeit zwischen die Fronten gerät. Dann stellt sich die Frage, ob Israel bereit ist, hohe Verluste in Kauf zu nehmen – womöglich auch den Tod der Geiseln. Israel wird einen großen Imageschaden erleiden, wenn es zu vielen zivilen Opfern im Gazastreifen kommen würde. Die Bilder der Hamas-Terrorattacke sind dann vergessen.

Ist die Bodenoffensive denn dann überhaupt strategisch vernünftig?

Israel muss die Abschreckung wiederherstellen. Ich würde aber infrage stellen, ob Israel all seine Ziele erreichen kann. Denn es ist unmöglich, sämtliche Hamas-Anführer zu töten oder die werden ersetzt. Sollte Israel die Tunnelsysteme zerstören können, hätte das Land immerhin ein paar Jahre Ruhe.

Lässt sich die Bodenoffensive noch diplomatisch verhindern?

Da bin ich pessimistisch. Bei einer diplomatischen Lösung müsste man Israel etwas anbieten. Zum Beispiel könnte die Hamas friedlich ihre Waffen ablegen, aber das möchten die Terroristen natürlich nicht. Dafür ist der Einfluss arabischer Akteure wie Katar, Ägypten und Saudi-Arabien auf die Hamas auch viel zu gering. Die beiden Konfliktparteien werden nach dem Terrorangriff am 7. Oktober sicher nicht an einen Tisch kommen.

Ist der Konflikt denn militärisch lösbar?

Nein. Die Israelis sind gute Taktiker, aber schlechte Strategen. Ich sehe keine politische Langfriststrategie, wie Israel mit den Palästinensern umgehen will. Bisher verfolgt Israel die Strategie der Einhegung. Wenn Raketen aus Gaza kommen, werden die abgefangen und es wird zurückgebombt. Das ist keine Strategie und es fehlt eine politische Perspektive. Die politischen Fronten sind nach diesem Krieg noch verhärteter.

Herr Woertz, vielen Dank für das Gespräch.

Verwendete Quellen
  • Telefongespräch mit Eckart Woertz
  • nytimes.com: "Maps: Tracking the Attacks in Israel and Gaza" (Englisch)
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