Experte über iranische Kampfkraft Dem Iran könnten bald die Raketen ausgehen
Teherans Waffenarsenal gegen Israel wurde durch Angriffe im vergangenen Jahr stark dezimiert. Dennoch besitzt der Iran noch immer bedrohliche Raketen- und Drohnenbestände.
Der Iran hat nach nächtlichen israelischen Angriffen auf die iranischen Atomanlagen einen Gegenschlag durchgeführt. Das israelische Militär meldete am Freitagmorgen, der Iran habe Israel mit mehr als 100 Drohnen angegriffen. Einige Drohnen wurden bereits über Syrien abgefangen. Zudem meldete die jordanische Luftwaffe, neben Drohnen auch Raketen abgeschossen zu haben, die sich im Anflug auf Israel befunden hatten.
Der Iran hatte eine "starke Antwort" angekündigt. Wie groß das Arsenal an iranischen Drohnen und Raketen genau ist, ist nicht bekannt. Im April des vergangenen Jahres schätzte der Militärexperte Guido Schmidtke im Gespräch mit t-online, dass der Iran über rund 3.000 Mittelstreckenraketen verfüge. Doch im vergangenen Jahr gab es sowohl große Angriffe des Iran auf Israel als auch israelische Angriffe auf die militärische Infrastruktur des Ajatollah-Regimes, welche die Bestände an Raketen und Drohnen wohl dezimiert haben.
Der Iran hat eine Überschallrakete entwickelt
Im Gespräch mit dem "Jewish News Syndicate" (JNS) erklärte Eyal Pinko vom Begin Sadat Zentrum für strategische Studien an der Bar Ilan Universität, dass er davon ausgehe, dass der Iran immer noch über Hunderte Raketen verfüge, die Israel erreichen könnten. Darüber hinaus seien diese teilweise in der Lage, die israelische Raketenabwehr zu überwinden. So habe der Iran Raketen mit Sprengköpfen entwickelt, die sich in der Luft aufspalten, sowie eine Rakete, die aufgrund von Scheinsprengköpfen "wie drei oder vier Raketen aussieht" und die es Radarsystemen erschweren soll, die tatsächliche Bedrohung zu erkennen.
Auch hat der Iran im vergangenen Jahr eine Überschallrakete vorgestellt, die fünfmal schneller als herkömmliche Raketen fliegen soll und in unter sieben Minuten Israel erreichen könnte.
Wir benötigen Ihre Einwilligung, um den von unserer Redaktion eingebundenen X-Inhalt anzuzeigen. Sie können diesen (und damit auch alle weiteren X-Inhalte auf t-online.de) mit einem Klick anzeigen lassen und auch wieder deaktivieren.
Trotzdem kommt Jonathan Ruhe vom Jewish Institute for National Security of America im Gespräch mit JNS zu dem Schluss, dass die Angriffe des vergangenen Jahres die Fähigkeiten des Iran, Israel anzugreifen, enorm geschwächt haben. "Die Zahl der Raketen, die Israel erreichen können, ist aus Sicht des Iran besorgniserregend niedrig", so Ruhe. Das liege vor allem daran, dass die für den Start solcher Mittelstrecken-Raketen erforderlichen Abschussrampen mehrfach Ziel von israelischen Angriffen gewesen seien.
US-Basen als mögliches Ziel
Neben Angriffen auf Israel direkt befürchtet Ruhe vor allem Angriffe auf US-Militärbasen oder andere arabische Verbündete. "Der Iran verfügt über zahlreiche Kurzstreckenraketen, die aus seinen unterirdischen Raketenstädten heraus überraschend auf US-Stützpunkte und andere Ziele im gesamten Golfraum und im Irak abgefeuert werden können", sagte er. "Im Gegensatz zu Israel verfügen viele dieser Ziele nicht über hochentwickelte, mehrschichtige Verteidigungssysteme."
Eine weitere Gefahr für Israel stellen die iranischen Marschflugkörper dar. 2022 erklärte der US-Marine-General Kenneth McKenzie, die USA gingen davon aus, dass der Iran über mehr als tausend Marschflugkörper verfüge. Unklar ist jedoch, wie sich die Angriffe des vergangenen Jahres auf den Bestand ausgewirkt haben. Marschflugkörper können sehr tief und mit hoher Geschwindigkeit fliegen und sind deshalb für Radare schwerer zu erfassen.
4.000 Drohnen
Neben den Raketen und Marschflugkörpern verfügt der Iran aber auch noch über ein großes Arsenal an Drohnen. Darunter die Shahed-136-Kamikaze-Drohnen, die auch von Russland gegen die Ukraine eingesetzt werden. Die Armee besitzt laut dem Militärexperten Guido Schmidtke auch Mittel- und Langstreckendrohnen, die in der Lage sind, Israel zu erreichen. "Diese können als Kamikaze-Drohnen, für Angriffe oder zur Aufklärung eingesetzt werden", erklärte er. Die Webseite "Warpoweriran.com" geht davon aus, dass das Ayatollah-Regime über knapp 4.000 Drohnen verfügt.
Laut der Tasnim News Agentur gehören dazu strategische Mehrzweckdrohnen, darunter Ababil-4 und Ababil-5, die für eine Reihe von Missionen wie Aufklärung, Überwachung, elektronische Kriegsführung und Kampfeinsätze konzipiert sind. Darüber hinaus wurden die Arash- und Bavar-Drohnen, die für ihre Langstrecken- und Präzisionsschlagfähigkeiten bekannt sind, sowie die Jet-Drohne Karrar, die verschiedene Abfangeinsätze durchführen kann, in das Arsenal der Armee aufgenommen, hieß es in dem Bericht.
"Die Masse ist der entscheidende Punkt"
2023 hatte der Iran eine neue Drohne vorgestellt, die selbst entwickelt wurde. Die Mohajer-10 soll eine Reichweite von 2.000 Kilometern haben und eine Flugzeit von bis zu 24 Stunden. Sie kann eine Nutzlast von bis zu 300 Kilogramm tragen, berichtet die "The Times of Israel".

Doch die langsam fliegenden Drohnen sind für die Luftverteidigung Israel deutlich einfacher abzufangen und somit hauptsächlich für die Verbündeten Israels in der Region bedrohlich, außer sie greifen in sehr großer Zahl an. "Die Masse ist der entscheidende Punkt", erklärt Schmidtke. Die Frage sei, ob die iranischen Angriffe das israelische System überlasten können.
"Es gibt den Iron Dome, das David-Sling- und das Arrow-3-System", so Schmidtke. Diese Systeme gehörten zu den weltbesten. Die autonomen Abfangsysteme seien wichtig, weil sie dort eingesetzt werden, "wo der Mensch an die Grenze seiner Reaktionsfähigkeit geht, weil er zu lange braucht". Der "Iron Dome" könne berechnen, wo eine angreifende Rakete einschlage – vor allem bei Kurzstreckenraketen. Wenn etwa ein Wohngebiet betroffen sei, werde diese abgefangen.
- Gespräch mit Guido Schmidtke
- jns.org: "Iran has several hundred missiles left in its arsenal" (Englisch)
- warpoweriran.com: "Drone Force" (Englisch)
- nationalinterest.org: "Israel Should Worry: Iran Has 3,000 Ballistic Missiles Ready to Attack" (Englisch)