"Außergewöhnliche Bedrohung" Trump widerspricht sich im Konflikt mit Nordkorea selbst

Nach seinem Treffen mit Kim behauptete er, die Welt könne nun ruhiger schlafen. Jetzt räumt Trump ein: Von Nordkoreas Atomarsenal gehe weiter eine "außergewöhnliche Bedrohung" aus.
Entgegen seinen euphorischen Äußerungen unmittelbar nach dem Gipfeltreffen mit Nordkoreas Machthaber Kim Jong Un hat US-Präsident Donald Trump das Atomwaffenarsenal des Landes jetzt als "außergewöhnliche Bedrohung" dargestellt. Mit diesen Worten begründete er die Verlängerung der Wirtschaftssanktionen gegen Pjöngjang um ein weiteres Jahr. Zugleich aber sagten die USA und Südkorea zwei weitere gemeinsame Militärübungen vorläufig ab, um die diplomatischen Verhandlungen mit Nordkorea weiter voranzutreiben.
In einem Schreiben des US-Präsidenten an den US-Kongress hieß es, die "Existenz und das Risiko der Weiterverbreitung von waffenfähigem spaltbarem Material auf der koreanischen Halbinsel und das Vorgehen und die Politik der Regierung Nordkoreas" stellten weiterhin eine "außergewöhnliche Gefahr für die nationale Sicherheit, Außenpolitik und Wirtschaft der Vereinigten Staaten dar".
"Schlaft heute Nacht gut!"
Einen Tag nach dem historischen Gipfeltreffen in Singapur hatte Trump das Treffen mit Kim als Erfolg gefeiert und erklärt, von Nordkorea gehe nun keine "atomare Bedrohung" mehr aus. "Schlaft heute Nacht gut!", schrieb Trump bei seiner Rückkehr in die USA auf Twitter. Der Widerspruch zwischen Trumps Tweet und der formellen Mitteilung an den Kongress macht deutlich, wie viel Arbeit die Ausarbeitung der Gipfelvereinbarungen noch mit sich bringt.
- Annäherung an Nordkorea: Wie aus "Rocket Man" der "ehrenhafte" Kim wurde
- Dokumentation: Die Erklärung von Trump und Kim im Wortlaut
- Interview mit Expertin: "Die USA haben einen hohen Preis bezahlt"
- Im Stil eines Blockbusters: Trump irritiert mit Propagandafilm für Kim
Kim hatte bei dem Gipfel am 12. Juni in Singapur in die komplette atomare Abrüstung seines Landes eingewilligt. Nähere Definitionen, ein Zeitplan oder Kontrollmaßnahmen wurden jedoch nicht genannt, weshalb die Vereinbarung von vielen Seiten als zu vage kritisiert wird.
Die ursprüngliche Forderung der USA, die Denuklearisierung müsse auch "überprüfbar und unumkehrbar" sein, taucht im Abschlussdokument nicht auf. Trump kündigte aber an, der Prozess der "Denuklearisierung" werde nun "sehr, sehr schnell" beginnen.
Zwei weitere Militärübungen abgesagt
Um die Umsetzung der Ergebnisse des Gipfels zu unterstützen, sagten die USA und Südkorea nun zwei weitere gemeinsame Militärübungen vorläufig ab. Dana White, Sprecherin des US-Verteidigungsministeriums, teilte in Washington mit, Pentagon-Chef James Mattis habe in Absprache mit dem südkoreanischen Verbündeten ausgewählte Übungen auf unbefristete Zeit verschoben.
Dieser Entscheidung ging ein ranghohes Treffen zwischen Mattis, US-Außenminister Mike Pompeo, Generalstabschef Joe Dunford und dem Nationalen Sicherheitsberater John Bolton voraus.
Bereits am Dienstag hatte das südkoreanische Verteidigungsministerium die für August geplante Freedom-Guardian-Übung abgesagt, an der auch rund 17.500 US-Soldaten teilnehmen sollten. Nun sollen der Pentagon-Sprecherin zufolge zwei weitere Marine-Manöver verschoben werden, die in den kommenden drei Monaten geplant waren. Weitere Entscheidungen hingen davon ab, ob es produktive Verhandlungen mit Nordkorea gebe.
Trump: "Provozierende" Militärübungen
Trump hatte bei dem historischen Gipfeltreffen am 12. Juni überraschend angekündigt, dass die USA ihre Militärübungen mit Südkorea für die Dauer der Verhandlungen mit Pjöngjang aussetzen würden. Ab wann die Übungen ausgesetzt würden, hatte er nicht gesagt. Verwunderung hatte es gegeben, weil Trump die Übungen als "provozierend" bezeichnet hatte. Dieser Begriff wurde bislang von Nordkorea verwendet.
In Südkorea sind zehntausende US-Soldaten stationiert. Sie sollen den engen US-Verbündeten gegen mögliche Angriffe aus dem Norden schützen. Seit Jahren veranstalten die USA und Südkorea regelmäßig großangelegte Militärmanöver. Pjöngjang reagierte stets heftig auf die Übungen. Nach derartigen Manövern im vergangenen Jahr feuerte Nordkorea Raketen über das japanische Festland hinweg.
- AFP