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Kosovo und Serbien: Grenzblockaden und Sirenenalarm sorgen für Spannungen


Neue Grenzregelungen
"Am Siedepunkt" – Kosovo verschiebt Eskalation im Streit mit Serbien

Von t-online, ann

Aktualisiert am 01.08.2022Lesedauer: 4 Min.
Polizisten sind in an einer Absperrung in Mitrovica im Einsatz während in der Stadt Sirenenalarm zu hören ist.Vergrößern des BildesPolizisten sind an einer Absperrung in Mitrovica im Einsatz, während in der Stadt Sirenenalarm zu hören ist. (Quelle: Festim Beqiri)
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Eine neue Einreiseregel sorgt für eine Zuspitzung im Streit zwischen Serbien und dem Kosovo. Eine völlige Eskalation konnte nun vorerst vermieden werden.

Im Norden des Kosovo hat sich die Lage nach Spannungen an der Grenze zu Serbien wieder entspannt. Serbische Bewohner der Region entfernten am Montag die am Vortag errichteten Straßensperren an zwei Übergängen, wie AFP-Journalisten berichteten. Nach Protesten in der Region hatte die kosovarische Regierung in Pristina am Sonntagabend die Einführung umstrittener Grenzregelungen um einen Monat verschoben.

Die Umsetzung erfolge nun zum 1. September, erklärte die kosovarische Regierung. Kosovo-Serben hatten zuvor an der Grenze zu Serbien aus Protest gegen die neuen Regelungen Barrikaden aus Lastwagen und anderen Fahrzeugen errichtet, hunderte Serben hatten sich dort versammelt.

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Infolge der neuen Grenzregelungen der kosovarischen Behörden sollten ursprünglich ab Montag bei der Einreise keine serbischen Personaldokumente mehr anerkannt werden. Serben hätten sich für einen Aufenthalt im Kosovo ein provisorisches Dokument ausstellen lassen müssen. Zudem sollten Kosovo-Serben mit serbischen Autokennzeichen diese binnen zwei Monaten durch kosovarische Kennzeichen ersetzen.

Es handele sich dabei um eine Maßnahme der Gegenseitigkeit, da Serbien von Kosovaren bei der Einreise das Gleiche verlange, hatte der kosovarische Regierungschef Albin Kurti am Sonntag erklärt. Der US-Botschafter im Kosovo, Jeffrey Hovenier, bat die Regierung in Pristina um einen Aufschub der Umsetzung um 30 Tage. Dieser Bitte kam die Regierung am Abend schließlich nach. Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell begrüßte die Entscheidung Pristinas auf Twitter.

Der serbische Präsident Aleksandar Vucic hatte zuvor am Sonntag erklärt, die Lage im Kosovo sei für die dort lebenden Serben und für Serbien "noch nie so komplex" gewesen. Die Atmosphäre sei "am Siedepunkt". Die Nato-geführte KFOR-Schutztruppe hatte deutlich gemacht, dass sie "eingreifen" würde, falls im Kosovo "die Stabilität auf Spiel gesetzt wird".

Konflikte zwischen Serben und Kosovaren

Im Norden des Kosovo war es am Sonntag zu Konflikten zwischen Serben und Kosovaren gekommen. Wie die kosovarische Zeitung "Koha Ditore" berichtet, seien Grenzübergänge durch Serben blockiert worden. Die kosovarische Polizei habe die Übergänge daraufhin geschlossen. In der Stadt Mitrovica im Norden des Kosovo erklang Medienberichten zufolge ab dem Nachmittag Sirenenalarm.

Laut Beiträgen in den sozialen Medien läuteten in Orten im Nordkosovo dauerhaft auch die Glocken von Kirchen und Klöstern. Unbekannte hätten außerdem Schüsse in Richtung kosovarischer Polizisten abgegeben, verletzt worden sei dabei niemand, teilte die Polizei in Pristina am späten Sonntagabend mit.

Grund für die Blockaden der Serben sollen laut "Koha Ditore" Proteste gegen neue Bestimmungen für die Einreise aus Serbien in den Kosovo gewesen sein. Ab diesem Montag, 1. August, sollten ursprünglich serbische Staatsbürger ihren Pass bei Einreise durch einen vorläufigen Ausweis ersetzen, der für 90 Tage gültig ist.

Der außenpolitische Chef der Europäischen Union, Josep Borrell, begrüßte den Schritt der kosovarischen Regierung, ihren Plan zu verschieben. "Erwarten Sie, dass alle Hindernisse sofort beseitigt werden", sagte Borrell in einem Tweet und fügte hinzu, dass offene Fragen im Rahmen eines von der EU unterstützten Dialogs angegangen und auf eine umfassende Normalisierung der Beziehungen zwischen dem Kosovo und Serbien konzentriert werden sollten.

KFOR: Lage ist angespannt

Die Sicherheitslage im Norden des Kosovos sei angespannt, teilte die Nato-Mission KFOR am Abend mit. Sie beobachte die Situation genau und sei gemäß ihrem Mandat "bereit, einzugreifen, sollte die Stabilität gefährdet sein." Die Nato-geführte Mission konzentriere sich jeden Tag darauf, ein sicheres Umfeld und Bewegungsfreiheit für alle Menschen im Kosovo zu garantieren. Im Rahmen der internationalen Mission ist auch die Bundeswehr seit 1999 im Kosovo stationiert.

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Serbien beansprucht Kosovo für sich

Bereits 2021 hatte die Regierung des Kosovo eingeführt, dass Autofahrer mit serbischen Nummernschildern provisorische kosovarische Kennzeichen erwerben müssen. Schon damals hatte die Maßnahme zu massiven Verstimmungen und Spannungen an der Grenze geführt. Die Maßnahmen gelten im Kosovo als Erwiderung auf die Haltung Serbiens – Serbien erkennt die Unabhängigkeit des Kosovos bis heute nicht an, sondern beansprucht das südliche Nachbarland für sich.

Die Rhetorik einiger Politiker erhöht derzeit die Nervosität und Sorge vor einer Eskalation: Der serbische Politiker Vladimir Djukanoviv, Mitglied der regierenden Serbischen Fortschrittspartei, schrieb wenige Stunden vor den Grenzblockaden auf Twitter, dass Serbien wohl gezwungen sein werde, die "Entnazifizierung des Balkans" zu beginnen. Unter dem Vorwand der "Entnazifizierung" hatte der russische Präsident Wladimir Putin im Februar den Krieg gegen die Ukraine begonnen.

Weiterhin enge Verbindungen zwischen Belgrad und Moskau

Putin unterstützte bereits im Streit um die Autokennzeichen 2021 die serbische Haltung. Nachdem seine Truppen die Ukraine überfallen hatten, hielt der serbische Präsident Aleksandar Vucic Russland größtenteils die Treue – auch wenn Serbien seit 2014 über einen Beitritt zur EU verhandelt und wiederholt aufgefordert wurde, sich von Kriegstreiber Putin abzuwenden.

Ohne Erfolg: Die Fluggesellschaft Air Serbia fliegt in noch engerem Takt nach Moskau und St. Petersburg, der russische Außenminister Lawrow war als Gast im Land willkommen und sanktionierte russische Oligarchen haben Berichten zufolge keine Konsequenzen zu fürchten.

Die Meldungen von Grenzblockaden und Sirenenalarm lösten in sozialen Medien rasch die Sorge vor einem neuen Krieg aus. Experten für die Beziehungen zwischen Kosovo und Serbien warnen allerdings vor Panik: Die Spannungen überschritten bisher nicht das bisher bekannte Maß an Aggression zwischen den beiden Nachbarstaaten. Auch scharfe rhetorische Attacken zwischen Politikern seien üblich.

Der Kosovo, der überwiegend von Albanern bewohnt wird, hatte sich 1999 nach einem blutigen Krieg von Serbien losgelöst und sich dann 2008 für unabhängig erklärt. Seit Ende der 90er Jahre sind im Kosovo auch Bundeswehr-Soldaten stationiert. Anfang Juli hat der Bundestag der Verlängerung des Einsatzes mit deutlicher Mehrheit zugestimmt. Demnach können bis zu 400 Männer und Frauen dort stationiert werden.

Verwendete Quellen
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