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Russland gegen Nato: Putins Plan könnte erfolgreich sein


Russland gegen die Nato
In dieser Hinsicht hat Putin längst gewonnen

MeinungVon Wladimir Kaminer

Aktualisiert am 30.05.2023Lesedauer: 3 Min.
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Wladimir Putin: Russlands Präsident hofft auf Fehler seiner Gegner, meint Wladimir Kaminer.Vergrößern des Bildes
Wladimir Putin: Russlands Präsident hofft auf Fehler seiner Gegner, meint Wladimir Kaminer. (Quelle: Artyom Geodakyan/TASS PUBLICATION/imago-images-bilder)

Die Nato ist Wladimir Putins Feindbild Nummer eins, Russlands Präsident will das westliche Bündnis um jeden Preis übertrumpfen. Nun scheinen Putin aber die Ideen ausgegangen zu sein. Meint Wladimir Kaminer.

Seit Jahren liefert sich der russische Präsident ein Wettrennen mit der Nato. "Wir mussten uns die Krim einverleiben", sagte er vor beinahe zehn Jahren, als sich noch niemand einen dermaßen großen Krieg mitten in Europa vorstellen konnte. "Wir mussten es tun. Wenn wir es nicht getan hätten, wäre wenig später dort schon die Nato". Es scheint schon immer das größte Bestreben dieses Mannes gewesen zu sein, noch vor der Nato irgendwo zu landen.

Auch der jetzige Krieg wird in russischen Medien der Bevölkerung als "Gegenüberstellung mit der Nato" verkauft. Die Ukraine kommt in den Nachrichten bloß als Schauplatz des Geschehens vor. Früher hatte der Präsident Eishockey und Tennis gespielt. Damit ist längst Schluss. Die einzige olympische Disziplin, die ihn noch reizt, ist es, vor der Nato da zu sein.

(Quelle: Frank May)

Wladimir Kaminer ist Schriftsteller und Kolumnist. Er wurde 1967 in Moskau geboren und lebt seit mehr als 30 Jahren in Deutschland. Zu seinen bekanntesten Werken gehört "Russendisko". Kürzlich erschien sein neues Buch "Wie sage ich es meiner Mutter. Die neue Welt erklärt: von Gendersternchen bis Bio-Siegel".

Wahrscheinlich war er nur deswegen auf dem Pferd geritten, damit die Nato nicht auf sein Pferd springt und sich das Schloss in Gelendschick einverleibt, mit Striptease-Bar, Aqua-Disko und zwei unterirdischen Tunneln, die sogar den direkten Treffer einer ballistischen Rakete aushalten könnten – sonst hätte die Nato dort sicherlich längst etwas noch Größeres gebaut als Putin.

Alle Handlungen des Präsidenten erscheinen in der Rückschau angesichts dieses Wettbewerbs auf einmal irgendwie als logisch. Und die beiden Wettläufer, Putin und Nato, agieren auf Augenhöhe – der eine zappelig und der andere langsam und träge. Nachdem der ursprüngliche Plan des Kremls gescheitert war, blitzschnell in Kiew einzurücken, begann die Nato langsam, Panzer für Panzer, die ukrainische Armee aufzurüsten. Die Führung im Kreml musste eingestehen, dass ihre Armee möglicherweise nicht die zweitbeste der Welt ist, und ging zu Plan B über.

Prinzip Hoffnung

Dieser Plan B war bodenständiger als der erste und hätte durchaus Erfolgschancen: Durch die Gas-Erpressung den Europäern die Lust austreiben, die Ukrainer in ihrem Befreiungskampf zu unterstützen. Europa sollte erfrieren, seine Wirtschaft zum Erliegen kommen, die Bürger der demokratischen Länder wären angesichts ihrer Gasrechnungen massenhaft in Ohnmacht gefallen. Kurzum, der Aufstand der eingefrorenen Europäer würde die Nato dazu bringen, ihre Ambitionen in der Ukraine gegen russisches Gas einzutauschen.

Auch Plan B ging nicht auf, letzte Woche ist der Gaspreis unter das Niveau von 2021 gesunken – und alle fragen sich, wie geht es weiter? Eine Atombombe zu zünden, bevor die Nato es tun könnte, käme Selbstmord gleich, würde auf jeden Fall keinen Sieg bringen und dem Wettlauf mit der Nato die Spannung nehmen.

Hat der Kreml etwa einen Plan C? Eine Alternative zu der atomaren Eskalation? Plan C ist der traditionelle Vielleicht-Plan einer Elite in der Sackgasse, er heißt "abwarten und schauen, was passiert." Vielleicht läuft die ukrainische Gegenoffensive an die Wand, vielleicht macht die ukrainische Führung einen Fehler? Vielleicht wird in Amerika bei den nächsten Wahlen Donald Trump gewinnen oder in Deutschland sich eine rot-braune Wagenknecht-Koalition bilden. Der Plan C ist aus Sicht des Kremls kein schlechter Plan.

Sein klarer Vorteil ist: Man muss sich für seine Verwirklichung nicht richtig anstrengen, man muss eigentlich gar nichts tun, nur ab und zu eine Portion frische Soldaten im Krieg verheizen, die Bevölkerung ist geduldig. Egal was passiert: Die Menschen wissen, dass es noch viel schlimmer hätte kommen können. Solange sie freundlich von der Regierung gefragt werden, machen sie alles mit.

Rat aus China

Und die Regierung glaubt an ihre Unsterblichkeit und handelt gemäß einer alten chinesischen Weisheit, die da lautet: "Wenn man lange genug am Ufer eines Flusses sitzt, schwimmt irgendwann die Leiche deines Feindes an dir vorbei." Die Gegenseite scheint voll auf den Plan des Kremls einzugehen, die Nato möchte auch gerne abwarten, mal schauen, was passieren wird, vielleicht macht das Regime einen Fehler, vielleicht gehen ihm die Raketen aus, vielleicht möchte Putin bei der nächsten Präsidentschaftswahl in Russland ja gar nicht kandidieren.

Doch je länger der Krieg andauert, desto gefährlicher wird er, denn neben den auf beiden Seiten sterbenden Menschen fordert er noch Hunderttausende verletzte, heimatlose, psychisch traumatisierte, verwahrloste und in die Verzweiflung getriebene Menschen. Sie werden in Zukunft nicht nur ein ukrainisch-russisches, sondern ein europäisches Problem sein.

Ich weiß zwar nicht, was die richtige Lösung sein kann, um das schnellstmögliche Ende dieses unsäglichen Verbrechens zu beschleunigen, doch die heutige Strategie kann beim besten Willen nicht die richtige sein. Neulich bezeichnete ein amerikanischer Kolumnist Putin als "gefährlichsten Dummkopf der Welt". Keine Frage, der russische Präsident hat sich alle Mühe gemacht, eilig diesen Platz zu erobern, sonst stände dort längst die Nato.

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