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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Historiker Slobodian "Dann bekäme er ein gewaltiges Problem"

Donald Trump hat Luftangriffe auf den Iran angeordnet, in seiner MAGA-Bewegung herrscht Aufregung. Zumal gerade erst der Streit mit Elon Musk nachgelassen hat. Historiker Quinn Slobodian analysiert die Hintergründe.
Zahlreiche Interessen muss Donald Trump in seiner "Make America Great Again"-Bewegung berücksichtigen, nun führen die amerikanischen Luftangriffe auf iranische Nuklearanlagen teils zu Streit. Erst kurz zuvor hatten Elon Musk und Donald Trump ihren in aller Öffentlichkeit ausgetragenen Streit zumindest vorläufig beigelegt.
Quinn Slobodian, Historiker und Autor des Buches "Hayek's Bastards", erklärt, wer welche Interessen innerhalb von Donald Trumps Lager verfolgt, wo die Konfliktlinien verlaufen und weshalb der US-Präsident nach dem Schlagabtausch mit Musk wohl gestärkt ist.
t-online: Professor Slobodian, Donald Trump hat den US-Streitkräften den Angriff auf iranische Atomanlagen befohlen. Könnte diese militärische Intervention der Vereinigten Staaten am Persischen Golf sein MAGA-Lager spalten?
Quinn Slobodian: Diese Gefahr dürfte Trump erkannt haben. Der militärische Einsatz der US-Streitkräfte gegen den Iran wird Trumps MAGA-Lager auch nicht zwangsläufig spalten – allerdings darf Trump bestimmte Grenzen nicht überschreiten. Wenn er lediglich amerikanische Piloten – unter anderem mit bunkerbrechenden Bomben – gegen iranische Atomanlagen im Untergrund einsetzt, wird der Aufschrei eher gering bleiben. Wenn er allerdings US-Soldaten in den Iran entsenden sollte, dann bekäme er ein gewaltiges Problem.
Weil die Erinnerung an die als gescheitert geltenden US-Interventionen im Irak und in Afghanistan in der US-Gesellschaft noch präsent sind?
So ist es. Bei der Entsendung einer großen Anzahl von US-Soldaten als Bodentruppen in den Iran wären zahlreiche amerikanische Familien betroffen. Irak und Afghanistan sind da abschreckende Beispiele, ein vergleichbarer militärischer Einsatz im Iran wäre erneut ein Abenteuer mit ungewissem Ausgang. Dieses Risiko wird Trump wohl nicht eingehen.
Zur Person
Quinn Slobodian, geboren1978, lehrt Internationale Geschichte an der Boston University. Der kanadische Historiker ist Experte für die Geschichte des Neoliberalismus und veröffentlichte mit "Globalisten. Das Ende der Imperien und die Geburt des Neoliberalismus" (2019) und "Kapitalismus ohne Demokratie. Wie Marktradikale die Welt in Mikronationen, Privatstädte und Steueroasen zerlegen wollen" (2023) viel beachtete Bücher zum Thema. Am 15. April 2025 erschien mit "Hayek's Bastards. Race, Gold, IQ, and the Capitalism of the Far Right" Slobodians aktuelles Buch.
Trump inszeniert sich selbst immer wieder als eine Art "Friedensfürst", der keine Kriege beginnt, allerdings ist seine Basis zwischen Interventionisten und Isolationisten gespalten.
Zwei Lager sind tonangebend: Da sind zum einen die Neokonservativen, die den Einsatz amerikanischer Militärmacht im Ausland befürworten. Im Moment sieht es so aus, als ob sie die iranische Bedrohung beseitigen wollen, sie wollen, dass rund um den Globus Ehrfurcht vor der Stärke der amerikanischen Militärmacht herrscht. Dann haben wir auch Typen wie Verteidigungsminister Pete Hegseth und den früheren Sicherheitsberater Mike Waltz: Wie wir bei der "Signal Gate"-Affäre gesehen haben, wollen sie ein Gefühl von Macht verspüren, wenn sie die US-Streitkräfte Bomben abwerfen lassen.
Dann gibt es wiederum den isolationistischen Flügel von Republikanern und MAGA-Bewegung?
Mit diesem sogenannten isolationistischen Flügel wird meistens JD Vance in Verbindung gebracht. Es ist allerdings hilfreicher, diese Leute als paläokonservativen Flügel zu betrachten. Sie halten es für besser, wenn Amerika den Rest der Welt seine Probleme allein lösen lässt. Diese Einstellung mündet schließlich in eine Form von Gleichgültigkeit gegenüber den Menschen außerhalb der Vereinigten Staaten. Das sehen wir an der radikalen Kürzung der Mittel für USAID und anderen Maßnahmen seit Trumps Amtsantritt im Januar.
Also spielt auch der Iran und was dort geschieht eine untergeordnete Rolle für diesen Flügel?
Es ist ihnen tatsächlich egal, was mit dem Iran passiert. Auch wenn es nun dort zu einer großen Zahl von zivilen Opfern kommen sollte, trifft das bei diesen Leuten eher auf Gleichgültigkeit. Tatsächlich halte ich wegen dieses Flügels einen Einsatz von Bodentruppen für unwahrscheinlich. Das ist die rote Linie für Steve Bannon, Tucker Carlson, JD Vance, dies würde zu einer echten politischen Belastung werden. Denn ein Einsatz von Bodentruppen im Stil des Irak oder Afghanistans würde die Realität des Krieges für normale Amerikaner greifbar machen.
Also betreibt dieses Lager tatsächlich im wahrsten Sinne des Wortes eine Politik des America First?
Die extreme Rechte innerhalb von MAGA sieht ihren Auftrag darin, das Heimatland zu schützen und das Land von Einwanderern mit Hautfarben zu "säubern", die sie für "falsch" halten. Was an anderen Orten der Welt passiert, ist ihnen eher egal.
Nun hat sich innerhalb des MAGA-Lagers ein Drama anderer Art ereignet. Donald Trump und Elon Musk schienen bis vor kurzer Zeit eng verbunden zu sein, dann kam es zum hitzigen Schlagabtausch. Was war der Grund?
Offiziell war es ein Streit um Trumps Gesetzesvorhaben "One Big Beautiful Bill Act", das gerade durch den Kongress geht. Das hat Musk ziemlich gereizt, denn es steht im Gegensatz zu seiner Grundüberzeugung, dass die Regierung eher wie ein Unternehmen organisiert und geführt werden sollte: also mit weniger Ansprüchen, weniger Versprechungen und weniger Sonderbehandlungen für die Wähler.
Bei Doge, seiner Abteilung für Regierungseffizienz, hatte er offiziell die Aufgabe, dies einzudämmen.
Dann hat Musk aber einen gewaltigen Fehler gemacht: Er hat seine Rolle missverstanden. Tatsächlich ist Musk ein Auftragnehmer, der für einen bestimmten Zweck eingestellt wurde und der Regierung bestimmte Dienstleistungen erbringen sollte. Das hat er allerdings fehlinterpretiert und sich das Recht herausgenommen, Urteile über die Regierung als Ganzes zu fällen. Trump hat ihn entsprechend deutlich zurechtgewiesen und Musk vor Augen geführt, dass er alles andere als eine Art Co-Präsident ist. Auch wenn Musk Pressekonferenzen im Oval Office geben durfte.
Eine derartige Behandlung ist für den superreichen Musk sicherlich nicht alltäglich?
Musk ist es nicht gewohnt, an den Rand gedrängt zu werden. Normalerweise wird er seiner Position entsprechend behandelt. Nach Trumps Zurechtweisung reagierte er dann entsprechend ungeduldig und emotional. Das Ergebnis sahen wir dann im Internet: 48 Stunden lang gab es Shitposting und Flamewar, also einen Schlagabtausch mit eher unsachlichen und beleidigenden Inhalten.
Anschließend ruderte Musk zurück und es gab eine Art Versöhnung. Wie kam es dazu?
Es gab tatsächlich ein Einsehen bei diesen beiden überaus mächtigen Personen. Insbesondere Musk dürfte nach etwas Reflexion eingesehen haben, wie stark seine Unternehmen von der Gunst der Regierung abhängig sind. Das führte dann zu seinem Rückzieher.
Wo stehen Trump und Musk jetzt?
Es fand eine Rekalibrierung ihrer Beziehung statt. Ich war früh der Ansicht, dass ihre Partnerschaft tatsächlich eine gewisse Beständigkeit haben wird, das schien während des Streits dann vorbei zu sein. Nun erweist sich diese Annahme aber doch als richtig. Sie sind aufeinander angewiesen: Musk hat über seine Plattform X und seine unbegrenzten Geldmittel, sodass er sowohl Trump als auch anderen Politikern spenden kann, ziemliche Macht. Trump hingegen kann Musks Imperium schaden durch politische Maßnahmen – oder es eben fördern.
Hat Trump durch die Zurechtweisung von Musk seine Position gestärkt?
Tatsächlich ist die Auseinandersetzung zwischen Trump und Musk gar nicht so ungewöhnlich: Ein Präsident hat einen Oligarchen diszipliniert und daran erinnert, dass er sich um seinen Aufgabenbereich kümmert. Und eben nur diesen.
Wird Trump weiter Groll gegen Musk hegen?
Trump verfügt über die bemerkenswerte Bereitschaft, Menschen selbst ziemlich heftige Beleidigungen zu vergeben. JD Vance hat Trump früher mit Hitler verglichen, heute ist er Vizepräsident. Das Kapitel Trump und Musk ist sicher nicht zu Ende.
Professor Slobodian, vielen Dank für das Gespräch.
- Persönliches Gespräch mit Quinn Slobodian via Videokonferenz