Furcht vor Radioaktivität Nur Fordo bleibt uneinnehmbar – die Lage in Irans Atomanlagen

Seit Tagen startet Israel Angriffe auf Irans. Besonders im Fokus: Fordo. Doch die unterirdische Einrichtung können nur bunkerbrechende US-Bomben brechen.
Inhaltsverzeichnis
Israel hat seit Beginn seiner Offensive gegen den Iran bereits mehrere wichtige Elemente des Atomprogramms der Islamischen Republik getroffen. Die unterirdische Uran-Anreicherungsanlage in Fordo wurde jedoch noch nicht zerstört. Sie ist tief in den Fels eingegraben. Nur bunkerbrechende Bomben der USA könnten die Anlage schädigen.
- Lage in Nahost: Alle Informationen zum Israel-Iran-Krieg im Newsblog
- Luftschlag: Israel fliegt wohl Angriffe auf Isfahan
- Geflohen aus Iran: "Es ist nicht fair"
Noch hält sich US-Präsident Donald Trump zurück. Er will "binnen zwei Wochen" über einen US-Einsatz entscheiden.
Welche Ziele wurden bislang angegriffen, und was macht Fordo uneinnehmbar? Ein Überblick:
Fordo
Nach israelischen Angaben ist die gut geschützte Anlage in der Nähe der Stadt Ghom das wichtigste Ziel, wenn es darum geht, den Bau einer iranischen Atomwaffe zu verhindern. "Am Ende dieser ganzen Operation muss Fordo ausgeschaltet sein", sagte Israels Botschafter in Washington, Yechiel Leiter, dem Sender Fox News.
In Fordo drehen sich nach Angaben der Internationalen Atomenergiebehörde Hunderte Zentrifugen mit Überschallgeschwindigkeit, um beinahe waffentaugliches Uran mit einem Reinheitsgrad von bis zu 60 Prozent herzustellen. Die politische Führung in Teheran strebt nach eigenen Angaben nicht nach einem Atom-Arsenal. Doch der Iran ist das einzige Land ohne Kernwaffen, das solches Material produziert. Nach Angaben von Atomwissenschaftlern gibt es in der zivilen Nutzung der Atomenergie keinerlei Anwendung für zu 60 Prozent angereichertes Uran. Laut der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) in Wien besaß der Iran zuletzt rund 409 Kilogramm davon.
Embed
Für einen Atomsprengkopf würden nach Angaben von Diplomaten etwa 42 Kilogramm ausreichen – falls das Material dafür noch etwas weiter auf waffentaugliche 90 Prozent angereichert würde. Wie die IAEA berichtet, hatte der Iran bislang vor, die Produktionskapazität in Fordo noch deutlich zu steigern.
Die Anreicherungsanlage ist tief in einen Berg eingegraben. Israels Militär habe deshalb große Schwierigkeiten, Fordo zu zerstören, sagte der ehemalige hochrangige US-Sicherheitsbeamte Brett McGurk dem Sender CNN.
Unter westlichen Staaten verfügen nur die USA mit ihrem überschweren und präzisionsgelenkten Bunkerbrecher GBU-57 über eine geeignete Waffe. Mit der Wucht ihres eigenen Gewichts rammt die 13,6-Tonnen-Bombe ihrer Sprengstoffladung den Weg frei. Sie wurde speziell für tief unter Erde, Fels oder Beton liegende Ziele entwickelt.
Israel verfügt über weniger wirkungsvolle bunkerbrechende Waffen. Mehrere Bomben, die hintereinander auf das Ziel abgeworfen werden, dringen tiefer ein als eine einzelne Bombe. Die Anforderungen an Logistik und Operationsfähigkeit eines solchen Einsatzes über weite Distanzen sind aber enorm.
Natans
Die zweite Anreicherungsanlage des Iran in Natans wurde nach Angaben der IAEA bereits weitgehend zerstört. Auch dort war bis zu 60-prozentiges Uran hergestellt worden. Der oberirdische Teil des Standortes wurde von Israel direkt getroffen. Die Zentrifugen im unterirdischen Teil könnten durch die Ausschaltung der Stromversorgung beschädigt worden sein, sagte IAEA-Chef Rafael Grossi.
Die Strahlenverseuchung innerhalb der Anlage ist laut Grossi gefährlich. Außerhalb der angegriffenen Einrichtung seien die Werte normal, sagte er am Montag. Fachleute warnen aber vor Treffen von Chemikalienbehältern an der Oberfläche, etwa mit Uran-Hexaflourid. Dabei könnte gefährlicher Flour-Wasserstoff entstehen.
Atomzentrum Isfahan
Mehrere wichtige Bestandteile des iranischen Atomprogramms sind in Isfahan angesiedelt. Nach iranischen Angaben startete Israels Armee am Samstag neue Angriffe. Zuvor war bei Luftschlägen ein Chemielabor, eine Anlage zur Bearbeitung von Uran-Erz und eine Fabrik zur Herstellung von Reaktor-Brennstoff beschädigt worden.
Auch eine im Bau befindliche Anlage zur Herstellung von Uranmetall wurde demnach in Isfahan getroffen. Uranmetall wird nicht nur in manchen Reaktor-Typen als Brennstoff benötigt, sondern kann auch in Atomwaffen eingesetzt werden.
Reaktor Chondab
Auch der Schwerwasserreaktor Chondab nahe der westiranischen Stadt Arak wurde von Israel attackiert. Im Wiener Atomabkommen von 2015 hatte sich der Iran verpflichtet, die Anlage nicht wie ursprünglich geplant in Betrieb zu nehmen. Der Reaktorkern wurde unbrauchbar gemacht, indem er mit Beton verfüllt wurde.
Die IAEA bestätigte, dass die Anlage inaktiv war und kein spaltbares Material enthielt. Nach dem aktuellen israelischen Luftangriff erklärte die IAEA zudem, es sei kein radioaktives Material freigesetzt worden und es bestehe keine Strahlengefahr.
Der Iran hatte nach dem israelischen Angriff auf einen Schwerwasserreaktor formell bei der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) protestiert. In seiner Kritik sprach Irans Atomchef Mohammed Eslami von Verstößen gegen internationales Recht, wie aus einer Erklärung des Außenministeriums hervorging. Er warf der IAEA Untätigkeit vor und forderte eine Verurteilung der "völkerrechtswidrigen Maßnahmen".
Atomkraftwerk Buschehr
Das einzige Kernkraftwerk des Iran ist laut IAEA bislang nicht angegriffen worden. IAEA-Chef Grossi warnte zuletzt vor einer nuklearen Katastrophe im Falle einer israelischen Attacke auf das Atomkraftwerk Buschehr im Süden des Iran. "Bei einem Angriff auf das Atomkraftwerk Buschehr würde ein direkter Treffer eine sehr hohe Freisetzung von Radioaktivität bewirken", sagte er.
Bislang habe seine Behörde noch keinen Austritt radioaktiver Strahlung im Iran seit Beginn des Krieges vor einer Woche feststellen können. Ein Angriff auf Buschehr würde das ändern.
- Nachrichtenagenturen dpa, AFP
- www.iaea.org: "Update on Developments in Iran"
- www.lemonde.fr: "Conflit Israël-Iran : pas de hausse de la radioactivité, mais une contamination radiologique et chimique à l’intérieur du site nucléaire de Natanz" (Französisch)