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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Tech-Milliardäre "Sie wollen Trump benutzen"

Reich, mächtig, einflussreich: Tech-Milliardäre könnten unbeschwert leben, stattdessen fürchten sie den Weltuntergang, sagt Internetpionier Douglas Rushkoff. Und erklärt, warum das ein gewaltiges Problem für uns alle ist.
Tech-Milliardäre verfügen über ungeheuren Reichtum, seit Donald Trumps Rückkehr ins Weiße Haus sind sie auch mächtiger als je zuvor. Doch sie streben weniger ein Leben in paradiesischen Zuständen an, vielmehr planen sie ihre eigene Flucht aus unserer Realität, warnt Douglas Rushkoff, Internetpionier und Autor des Buches "Survival of the Richest".
Im Gespräch erklärt Rushkoff, wieso Tech-Milliardäre Fantasien vom Weltuntergang hegen und ihre Pläne für den Rest der Menschheit überaus gefährlich sind.
t-online: Herr Rushkoff, Tech-Milliardäre gelten als Visionäre, die die Menschheit mit ihren Technologien in eine bessere Zukunft führen wollen. Sie äußern erhebliche Zweifel daran, dass diese Superreichen unser Wohl im Sinn haben. Wie kommen Sie zu dieser Ansicht?
Douglas Rushkoff: Milliardenschwere Tech-Entwickler werden als Innovatoren und Visionäre wahrgenommen. Aber das ist ein großes Missverständnis. Sie wollen schnell vorankommen, agieren aber ziemlich reaktionär. Sie streben keine grundlegenden Veränderungen an, sondern wollen sich vielmehr den Veränderungen widersetzen, die neue Technologien mit sich bringen würden.
Warum sollten diese Menschen das wollen?
Weil sie das zugrunde liegende Wirtschaftssystem, von dem ihr Reichtum und ihre Macht abhängen, nicht stören wollen. Sie wollen uns nicht die kreativen Möglichkeiten der Technologie bieten, weil wir sie dazu nutzen würden, uns von unseren veralteten Systemen zu befreien und neue Möglichkeiten zu schaffen. Es steht zu viel Geld auf dem Spiel. Stattdessen nutzen sie die Technologie, um unser Verhalten zu kontrollieren und unsere Berechenbarkeit zu erhöhen.
Früher standen die Tech-Milliardäre eher auf der Seite der Demokraten und Neoliberalen, jetzt halten Sie es mit dem Weißen Haus unter Donald Trump. Was ist passiert?
Sie sind Geschäftsleute und unterstützen jedes Regime, das ihnen zu exponentiellem Wachstum verhilft. Die Demokraten waren besser für den globalen Handel und nationale Technologieinvestitionen, aber dann begannen Joe Biden und Kamala Harris, über die Regulierung von Künstlicher Intelligenz zu sprechen, während Trump eine vollständige Deregulierung anbot – insbesondere für die Energie, die die KI-Server antreibt. Nur so können sie ihre Monopole stärken und ihr Wachstum beschleunigen, um ihre Ziele zu erreichen.
Zur Person
Douglas Rushkoff, Jahrgang 1961, ist Vordenker und Kritiker digitaler Entwicklungen, über die er zahlreiche Bücher veröffentlicht hat. Derzeit ist Rushkoff Professor für Medientheorie und digitale Wirtschaft am Queens College der City University New York. Rushkoff prägte Begriffe wie "Digital Natives" und "viral gehen", sein aktuelles Buch "Survival of the Richest. Warum wir vor den Tech-Milliardären noch nicht einmal auf dem Mars sicher sind" erschien 2025 in Deutschland.
Was sind das für Pläne?
Sie wollen dieser Realität entfliehen und in die nächste Realität eintreten. Sie sehen sich selbst als die nächste Form des Menschen. Dieser Planet ist für sie nur der Treibstoff, um an den nächsten Ort zu gelangen.
Was ist denn falsch an diesem Planeten?
Sie glauben, dass unsere Welt einem unvermeidlichen Ende entgegengeht. Sie glauben, dass der Klimawandel, eine Pandemie, wirtschaftliche Unruhen, ein Atomkrieg oder eine andere Katastrophe das Leben unerträglich machen und sie dazu zwingen werden, an einen anderen Ort zu fliehen. Das ist sowohl ihre Angst als auch ihre Fantasie.
Dementsprechend beginnt Ihr neuestes Buch "Survival of the Richest" mit der Beschreibung einer bizarren Begegnung mit fünf sehr reichen Menschen irgendwo in der Wüste.
Bizarr trifft es sehr gut. Ich erhielt eine Einladung, einen Vortrag in einem Luxusresort in der Wüste zu halten. Es war für Geschäftsleute, es wurde sehr gut bezahlt. Ich dachte, ich würde vor hundert Investoren über die digitale Wirtschaft sprechen, aber es waren nur fünf Männer in einem Raum, die mir Fragen stellten.
Können Sie Details über diese fünf Personen nennen?
Es tut mir leid, nein, mein entsprechender Vertrag enthielt eine Geheimhaltungsklausel.
Okay. Aber was wollten diese Leute von Ihnen wissen?
Es begann ganz harmlos. Welche Kryptowährung die bessere sei: Bitcoin oder Ethereum? Nach und nach arbeiteten sie sich zu der Frage vor, die sie wirklich interessierte: Alaska oder Neuseeland? Sie waren nicht daran interessiert, ihr nächstes Urlaubsziel auszuwählen, sondern daran, welches Land weniger vom Klimawandel betroffen sein werde. Und so ging es weiter: Ist der Klimawandel oder biologische Kriegsführung die größere Bedrohung? Wie lange können wir ohne Hilfe von außen überleben? Ein Mann erzählte mir, dass er fast fertig damit sei, sein eigenes Bunkersystem zu bauen, um sich auf "das Ereignis" vorzubereiten.
Meinte er mit "Ereignis" eine Art Weltuntergang?
Umweltzerstörung, Virusangriffe, nukleare Explosionen oder allgemeine Unruhen: Das Spektrum ist breit. Ich fragte dann, wie sie ihre Bunker schützen wollten, wenn eine Milliarde Menschen alles dafür gäbe, um dort hineinzukommen und ihr Zeug zu holen? Einer von ihnen hatte sich bereits die Dienste von einem Dutzend Navy Seals, also Soldaten, gesichert, nur für den Fall. Gut, sagte ich, aber wie wollen Sie diese schwer bewaffneten Leute bezahlen, wenn nach der Katastrophe alles Geld wertlos geworden ist? Ihre Bitcoins werden ihnen sicherlich nicht helfen.
Hatten die Männer einen Plan für diesen Fall?
Sie hatten nicht einmal so weit vorausgedacht. Dann kamen sie auf die Idee, Roboter einzusetzen. Sie denken nicht tiefgründig darüber nach. Ihre Szenarien sind auf dem Niveau von "The Walking Dead".
Aber wie können Sie aus den fünf Superreichen, die Ihnen von ihren Visionen vom Weltuntergang erzählt haben, Rückschlüsse auf andere Tech-Milliardäre ziehen?
Das tue ich nicht. Aber ihre Bedenken spiegeln die öffentlichen Äußerungen und Aktivitäten der bekanntesten Tech-Milliardäre wider und bestätigen diese. Elon Musk fühlt sich zum Mars hingezogen, Sam Altman und Ray Kurzweil wollen ihr Bewusstsein auf Supercomputer hochladen, während Peter Thiel den Alterungsprozess stoppen will. Sie alle arbeiten an ihren eigenen Ausstiegsstrategien.
Es ist kaum zu glauben, dass solche reichen, mächtigen und einflussreichen Menschen einfach nur auf das Ende warten.
Das ist enttäuschend. Ich war überrascht, dass die mächtigsten Menschen, die ich je getroffen habe, sich selbst als machtlos ansehen, die Zukunft zu beeinflussen. Das Beste, was sie tun können, ist, sich auf einen unvermeidlichen Zusammenbruch vorzubereiten, von dem die meisten wissen, dass sie ihn selbst verursacht haben. Sie versuchen, genug Geld zu verdienen, um den Problemen zu entkommen, die sie selbst verursacht haben, indem sie auf diese Weise Geld verdienen.
Die Tech-Milliardäre bereiten sich also auf das schlimmste Szenario vor, das sie beschreiben. Aber wie sehen diese Menschen den Rest der Menschheit?
Für sie befindet sich die Menschheit noch im Larvenstadium. Sie sehen sich selbst als fortgeschrittenere Transhumane. Halbgötter. Für diese Männer sind Sie und ich und die vielen anderen Milliarden Menschen wie Maden, die auf diesem Misthaufen namens Erde leben. Und nach dieser Denkweise wird nicht jeder Flügel bekommen und an den nächsten Ort gelangen. Dieses Glaubenssystem verbindet christlichen Fundamentalismus mit Transhumanismus, um eine neue Form der Auferstehung durch Technologie zu entwerfen.
Das klingt ziemlich bedrohlich.
Und das ist es auch. Zumindest für die neun Milliarden Menschen, die hier zurückbleiben, nachdem diese ausbeuterischen Machenschaften unsere Welt zerstört haben. Die Tech-Milliardäre, von denen wir sprechen, sind im Grunde genommen Eugeniker.
Wir sind also bestenfalls Werkzeuge für die Tech-Milliardäre?
Sie nutzen die Ressourcen, die ihnen zur Verfügung stehen. So würde ich es formulieren. Diese Leute agieren mit der Mentalität von Kolonisatoren; sie verhalten sich wie die Konquistadoren, die die Reiche der Azteken und Inkas erobert haben, oder wie die Britische Ostindien-Kompanie in Indien. Heute gibt es hier nichts mehr zu kolonisieren, also müssen sie weiterziehen. Die Superreichen wissen sehr gut, dass man den Armen nicht unbegrenzt Reichtum entziehen kann. Irgendwann haben die Armen nichts mehr, und dann wird es wirklich gefährlich: Denn dann kommt es zu einer Revolte. Sie haben große Angst davor, also treffen sie Vorsichtsmaßnahmen: Sie setzen voll auf Künstliche Intelligenz, Nanotechnologie, Genomik und so weiter. Aber sie wollen nur rechtzeitig von hier verschwinden, um die Konsequenzen ihres Handelns nicht tragen zu müssen.
Es gab einmal große Hoffnungen für das Internet und die digitale Revolution. Was ist Ihrer Meinung nach schiefgelaufen?
Die Hoffnung war relativ schnell verschwunden. Jetzt geht es nur noch darum, Technologie auf Menschen anzuwenden, um ihr Verhalten zu kontrollieren und sie berechenbarer zu machen. Denn die kapitalistischen Tech-Bros wollen nicht die Möglichkeiten des Menschen erweitern, sondern seine Berechenbarkeit erhöhen. Also wenden sie die Algorithmen auf Menschen an, um herauszufinden, wie sie sie kontrollieren und in bestimmte Richtungen lenken können. Das Hauptziel ist es, all die unvorhersehbaren Dinge zu begrenzen, die das reale Leben, die Menschen und die Natur mit sich bringen. Diese Denkweise begann in der Frühen Neuzeit mit Francis Bacon.
Der englische Philosoph?
Ja, für Francis Bacon war die Natur eine weibliche Kraft, die dem menschlichen Willen unterworfen werden müsse. In seiner Sprache "am Haar gepackt und unterworfen". Im gleichen Sinne nutzen heute viele Menschen Technologie, um die unvorhersehbaren und beängstigenden Aspekte der Natur zu kontrollieren.
Kommen wir zurück zu der von Ihnen beschriebenen mentalen Welt der Superreichen. Was finden Sie daran besonders auffällig?
Es scheint, dass extremer Reichtum und der Zugang zu leistungsstarken Technologien eine Art Soziopathie hervorrufen. Wenn Menschen extrem reich werden, neigen sie dazu, weniger Mitgefühl und Identifikation für ihre Mitmenschen zu empfinden. Es ist, als hätte ihr extremer Reichtum ihre Fähigkeit verändert, sich in anderen wiederzuerkennen. Wenn ich raten müsste, würde ich sagen, dass es sich um ein erlerntes Verhalten handelt. Sie sind sich der Auswirkungen ihres Reichtums auf andere bewusst und müssen vieles davon ignorieren. Unterdessen behandeln die meisten von uns Milliardäre anders. Mit Ehrerbietung, als wären sie Könige. Das kann für Milliardäre nicht gesund sein.
Wenn sich die Tech-Milliardäre auf Katastrophen vorbereiten sollten, was können dann die weniger Wohlhabenden tun?
Der beste Rat, den ich geben kann, ist, die Beziehungen zu Menschen in der realen Welt zu stärken: Seien Sie nett zu Nachbarn, Freunden und Verwandten. Kurz gesagt: Stärken Sie Gemeinschaften! Das sind die Beziehungen, die wichtig sind, wenn es wirklich schlecht läuft. Ein Beispiel: Ich musste einmal ein Loch in die Wand bohren und hatte keine Bohrmaschine.
Sie hätten eine kaufen können.
Sicher, aber wer weiß, wie viele Kinder in Afrika in die Minen geschickt werden, um die Rohstoffe für die Batterie der Maschine zu gewinnen? Später, wenn ich das Gerät entsorge, landet es auf einem Müllberg in Brasilien, wo andere Kinder es wieder ausgraben. Die recycelten Rohstoffe gehen an ein Unternehmen, das dann behaupten kann, dass es grüne Technologie produziert. Stattdessen hatte ich den Mut – ja, Mut – mir eine Bohrmaschine von meinem Nachbarn zu leihen. Er hat dann sogar das Loch für mich gebohrt. Ich war dann verpflichtet, ihn zu unserem Grillfest an diesem Wochenende einzuladen, aber das ist nichts Schlimmes. Unsere Verbindung wurde dadurch gestärkt.
Das ist eine schöne Geschichte, aber sie wird uns nicht von unserer Abhängigkeit von den Tech-Giganten befreien.
Natürlich wird sie das. Je mehr wir uns gegenseitig unterstützen und helfen, desto weniger Macht haben diese Leute über uns. Denn wir sind dann weniger von Unternehmen und ihren anfälligen Lieferketten abhängig. Die Tech-Bros können sich keinen Ausweg aus der aktuellen wirtschaftlichen Realität vorstellen, aber Veränderungen sind durchaus möglich, von unten nach oben.
Was halten Sie von strengen Regulierungen und sogar der Zerschlagung von Tech-Giganten, wie es vor über 100 Jahren mit dem Ölkonzern Standard Oil geschehen ist?
Unter Donald Trump scheint das in den USA unwahrscheinlich zu sein. Die Tech-Milliardäre sind nicht ohne Grund auf seine Seite gewechselt. Jeff Bezos hätte wahrscheinlich einen Demokraten im Weißen Haus bevorzugt, aber als er sah, wer das Rennen gewinnen würde, wechselte er präventiv ins andere Lager. Ihre große Hoffnung ist, dass Trump alles dereguliert. Trump ist für sie ein Werkzeug, sie wollen ihn benutzen. Sie träumen zum Beispiel von Atomkraftwerken für ihre Rechenzentren und von freier Hand für ihre anderen Ziele.
Aber gibt es übergeordnete Ziele, die die Tech-Elite und Donald Trump verbinden?
Donald Trumps Ziele sind eher kurzfristiger Natur, während die Tech-Bros einen ganz anderen Traum verfolgen: Ihre Vorstellung von effektivem Altruismus besteht darin, Billionen von posthumanen Lebensformen in den Kosmos zu bringen, wo sie in ihren digitalen Simulationen, oder wo auch immer sie sich befinden, glücklich sein werden.
Nun ist es zu einer Konfrontation zwischen Elon Musk und Donald Trump gekommen. Haben Sie das erwartet?
Das war ziemlich vorhersehbar. Letztendlich haben die beiden sehr unterschiedliche Vorstellungen. Trump will "Amerika wieder groß machen". Musk will Amerika benutzen, um den Planeten zu verlassen.
Insbesondere der ehemalige Vordenker Steve Bannon hat Musk wiederholt angegriffen.
Musk und Bannon teilen die Überzeugung, dass eine Umwälzung bevorsteht. Aber während Musk den Mars kolonisieren will, will Bannon Amerika in eine Festung verwandeln.
Werden die Tech-Bros, die Sie beschreiben, ihre Ziele verwirklichen können?
Es gibt kein Entkommen. Nicht einmal für sie.
Wenn Sie an die Zukunft denken, sind Sie eher Optimist oder Pessimist?
Es besteht eine gute Chance, dass einige Menschen das 21. Jahrhundert überleben werden. Sie können entscheiden, ob das eine optimistische oder pessimistische Sichtweise ist.
Herr Rushkoff, vielen Dank für das Interview.
- Persönliches Gespräch mit Douglas Rushkoff via Videokonferenz